Dezember 18 / Januar 19
18 wohninsider.at THEMA A uf der diesjährigen Orgatec standen die Ausstellungen der meisten Büromöbelherstel- ler unter dem Motto „Shared workspace“. Gezeigt wur- den vorrangig Arbeitsplatzsysteme ohne eige- ne Ladenkörper, dafür zahlreiche Varianten von Schließfachschränken. Zum Kontext pas- send setzte man zu wiederholtemMal auch auf elektrisch höhenverstellbare Schreibtische und der Lärmemission in Großraumbüros wurde mit Raum-In-Raum-Systemen (Kuben) zu Lei- be gerückt. Abgerundet wurden die Program- me vielerorts durch ein breites Sortiment an Loungemöbeln, die zu einer entspannten Ar- beitsatmosphäre beitragen sollen. Betrachtet man allerdings die aktuelle Struk- tur der „Schreibtisch-Beschäftigten“ in Öster- reich oder Deutschland, sind durchaus Zweifel ob eines ausreichend großen Marktpotentials für Business-Club-Konzepte angebracht. Von den rund 30 Millionen Schreibtisch-Arbeits- plätzen in Deutschland und 3,1 Millionen in Österreich sind aktuell weniger als ein Prozent als Shared Workspace konzipiert. Selbst wenn sich deren Anzahl in den nächsten zehn Jahren mehr als verdoppeln sollte – wofür es jedoch keine belastbaren Indizien gibt – reden wir von deutlich weniger als eine Million Beschäftigten. Und da sich diese ja den Arbeitsplatz teilen, kommt man bestenfalls auf ein Marktpotential von 500.000 Arbeitsplatzsystemen. Ebenso stellt sich die Frage, warum so mancher Büromöbelhersteller verbissen an elektrisch höhenverstellbaren Schreibtischen festhält, obwohl nach gut 20 Jahren der Markteinfüh- rung eigentlich jedem klar sein sollte, dass es dafür einfach kein substanzielles Potential gibt. Nische in der Nische ja, viel mehr aber nicht. Man hatte überhaupt den Eindruck, dass vie- lerorts die Messe als Leistungsschau interpre- tiert wurde denn als Verkaufsplattform. Denn der Produktmix auf den Messeständen stand den realen, preisgetriebenen Anforderungen bei Ausschreibungen (insbesondere im großvo- lumigen Bereich) zumeist entgegen. Deutlich mehr Chancen räumen wir hinge- gen der stark forcierten Produktgruppe der Loungemöbel ein. Abgesehen davon, dass sie in Warte-, Erholungs- und Kommunikations- bereichen neue architektonische Akzente set- zen, erfüllen Sicht- und Schallschutzelemente eine nachvollzieh- und überprüfbare Funktion. Das tun die bei nahezu jedem Büromöbelher- steller ausgestellten Raum-In-Raum-Systeme (Kuben) auf ihre Weise natürlich auch. Trotz- dem entlocken sie ein Schmunzeln, steht deren Bedarf doch in kausalem Zusammenhang mit den seit mehr als zwei Jahrzehnten favorisier- ten Großraumbüros, in denen konzentriertes arbeiten und vertrauliche Gespräche per Kon- zeption nur bedingt möglich sind. Trotzdem wird die Lösung erst seit wenigen Jahren ange- boten und war im heurigen Jahr omnipräsent. Allerdings fragt sich der kritische Beobachter ob man damit nicht irgendwie mit Kanonen auf Spatzen schießt. Denn alternativ könnte man genauso gut – zumindest partiell – auf be- währte Bürolayouts zurückgreifen. Man nennt sie Zellen- oder Kombibüros. Mag. Andreas Kreutzer ist Geschäftsführer von BRANCHENRADAR.com Marktanalyse GmbH, dem führenden Anbieter von Markt- und Wettbewerbsstudien für Möbel und Ein- richtung im deutschsprachigen Raum. www.branchenradar.com ORGATEC 2018 WUNSCH UND WIRKLICHKEIT Andreas Kreutzer von BRANCHENRADAR.com Marktanalyse war auf der Orgatec 2018. Sein Resümee ist durchwachsen. 1_ Höhenverstellbare Schreibtische sind die Nische in der Nische ohne Marktbedeutung. 2_ Raum-In-Raum- Systeme (Kuben) sollen für Sicht- und Schallschutz in Großraumbüros sorgen. 3_ Schließfachschränke ersetzen Ladenkörper. Fotos: Andreas Kreutzer
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NDA0NA==