Dezember 18 / Januar 19
24 wohninsider.at BRANCHENTALK wohninsider: Investitionen in Immobilien boomen – mit Ausnahme des Handels- bereichs, der seit Jahren stagniert. Was ist da los? Michael Oberweger: Es hat sicherlich Zeiten mit mehr Expansion gegeben. Der Online-Handel, der einige Bereiche sehr hart getroffen hat, spielt da eine wesentliche Rolle. Sinkt die Flächenproduktivität, müs- sen auch die Kosten reduziert werden, da sonst die Mieten nicht mehr leistbar sind. Die Investoren haben sich auf diese Ver- änderungen eingestellt, indem sie diversi- fizieren. Sie verbreitern etwa ihr Suchpro- fil von Fachmarktzentren auf Logistik- und Wohnimmobilien, auch wenn Letztere eine geringere Rendite bei höherem Risiko ein- bringen. Kann man aus dem nachlassenden In- vestoren-Interesse im Umkehrschluss folgern, dass Handelsstandorte zurzeit besonders günstig sind und Mieten da- mit niedrig sein sollten? Verschiebungen im Investment wirken sich auf den Preis aus. Das passiert aber nicht sofort, sondern ist ein eher langwieriger Prozess, was wiederum die Kaufvorgän- ge verzögert. Auch manche Mieter setzen momentan auf fallende Preise. Für B- und auslaufende A-Lagen wird’s hart. Bei einem Standort in Toplage bringt Warten wenig, hier steigen die Preise sogar. Die Frage ist eher, wie man eine Topla- ge ergattert. In erfolgreichen Einkaufs- straßen und -zentren gibt’s keine Leer- stände... Das ist ein Netzwerk-Business. Man muss nah an den Eigentümern und Mietern sein und bei einem Wechsel rasch zugreifen. Mein Rat bei weniger guten Lagen wäre, auf kürzer laufende Mietverträge zu setzen. So kann man später den Standort wechseln oder die Mietkosten anpassen. Österreich hat eine sehr hohe Handels- dichte. Müssen die Großflächen, insbe- sondere im Möbelhandel, vor dem Hin- tergrund sinkender Flächenproduktivität ihre Geschäftsmodelle wandeln? Die aktuelle Situation ist eine Folge der Ex- pansionspolitik der letzten 20 Jahre. Man hat auf Umsatzwachstum durch Flächen- wachstum gesetzt. Das ging, solange die Kaufkraft insgesamt gestiegen ist, und hat auch Standortschwächen kaschiert. Heute funktioniert das nicht mehr. Einige haben daher begonnen, ihr Filialnetz auszudün- nen oder Untermieter hereinzuholen. Im Möbelhandel, aber auch im Elektrohan- del, sind die Flächen besonders groß. Hier wird man neue Konzepte finden und das Angebot etwa durch neue Betriebstypen in Innenstädten ergänzen müssen. Zusätzlich ist der Online-Kunde anzusprechen. Län- gerfristig, denke ich, wird der Anteil der Lieferservices zunehmen. Der Kunde wird seine Möbel immer seltener selbst abholen. Bei aller Notwendigkeit der Veränderung MICHAEL OBERWEGER „Günstige Standorte kommen teuer“ Verändertes Kaufverhalten und Online-Konkurrenz – in diesem Umfeld muss sich auch der stati- onäre Möbelhandel wandeln, meint Retail-Immobilienberater Michael Oberweger. Er plädiert dabei für Evolution statt Revolu- tion. Michael Oberweger ist Geschäftsführer der Comfort Austria GmbH, eines Spezialis- ten für Einzelhandelsstandorte. wohninsider sprach mit ihm darüber, welche Auswirkun- gen das Kundenverhalten auf Immobilienhandel und Stand- ortwahl hat. V on R einhard E bner Begehrt, aber kaum zu bekommen sind Flä- chen in Toplagen, wie hier am Linzer Tauben- markt. Foto: Wikimedia Commons/Otto Normalver- braucher „Im Möbelhandel wird’s zu einer Bereinigung des Filialnetzes kommen.“ „Für B- und auslaufende A-Lagen wird’s hart.“ Michael Oberweger, Comfort Austria. Foto: Comfort Austria
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