April-Mai 2022

02. 2022 | April/Mai |wohninsider.at 113 AM POINT OF SALE Trotz der enormen Preissteigerungen sind die Umsätze in unserer Branche besser als erwartet. Und dennoch gibt es ein gravierendes Problem, der immer weiter zunehmende und inzwischen eklatante Personalmangel. Obwohl wir seit Jahren immer wieder darauf hinweisen und warnen, hat sich die Situation leider zusehends verschlechtert. An allen Ecken und Enden treten Probleme auf. Vor allem Handwerker, Techniker oder ITSpezialisten fehlen und bremsen deutlich die doch rosigen Zukunftsaussichten. - Wie sollen die vor uns stehenden massiven Herausforderungen bewältigt werden? - Wie soll die notwendige Metamorphose aus der aktuellen Energiekrise umgesetzt werden? - Wie soll ohne ausgebildetes Personal die erforderliche Digitalisierung auf die Reihe gebracht werden? - Wie soll ohne ausreichende Handwerker unser Lebensraum erneuert und zukunftssicher werden? Die Folgen dieser Entwicklung sind jetzt schon sichtbar. Immer mehr Möbelstudios reduzieren sich auf die eigene Arbeitskraft oder sperren für immer die Pforten. Öffnungszeiten werden zum Teil drastisch eingeschränkt. Im Umkehrschluss bedeutetet dies für potenzielle Kunden einen immer größeren Aufwand den richtigen Einrichter, den kompetenten Problemlöser oder einfach den erhofften Vertrauten zu finden um Wohnung, Büro oder Haus entsprechend auszustatten. Solche Kunden würden gerne im „Studio“ kaufen, müssen aber notgedrungen in die Großfläche abwandern, wo die Erwartungen nicht erfüllt werden, was aber, so paradox es auch klingt, akzeptiert wird. Durch das „NICHT HANDELN“ der Politiker und der „Entscheider“ findet keine ernstzunehmende Personaloffensive statt und große Konzerne (z.B. Amazon) profitieren ungewollt und letztendlich zu Lasten der regionalen Wirtschaft und Gesellschaft. Eine jährliche Erhebung über den Fachkräftebedarf ist leider zu wenig. Jedes Mal danach zu sagen „wir müssen was tun“ führt zu keiner Verbesserung. Es ist eine österreichische Eigenart alles so lange zu diskutieren, abzuwägen, um dann in einer Schublade verschwinden zu lassen, weil eh kein akzeptabler Kompromiss zustande kommt. Wir brauchen Spitzenkräfte, nicht irgendwelche angelernte Beschäftigte, die eine lange Lern-Phase haben. Mir kommt vor, dass die entscheidenden Personen in der Politik, der Standesvertretung und der Branche den Ernst der Lage bewusst verdrängen. „Wir müssen wirtschaftlich handeln“ und „man muss auf den Standort Rücksicht nehmen“ oder „man muss auf die Wettbewerbsfähigkeit achten“ hört man immer wieder aus dem Äther. Das Paradoxe dabei ist, ohne ausreichenden Personal ist das alles sowieso hinfällig. Die Branche soll und muss massiv Geld in die Hand nehmen und endlich gravierend in die Ausbildung und in attraktive Jobs investieren. Gewissermaßen als Verschärfung leidet die persönliche Lebensqualität vieler engagierter Klein- und Mittelbetriebe zusehends unter dieser stressigen Situation. Als Dienstleister versucht man die Wünsche (manchmal auch unverschämte) seiner Kunden auch über die eigenen Verhältnisse hinaus zu erfüllen. Wenn nachfolgende Generationen nicht von vornherein schon abgeneigt sind den elterlichen Betrieb zu übernehmen, dann überlegen sie sich allemal den Stress und Arbeitseinsatz der jetzigen Generation zu übernehmen. Nur wenige finden die richtige Mischung aus notwendiger Lebensqualität und wirtschaftlichem Erfolg. Die Möglichkeit nach mehr Gewinn lässt viele über die eigenen gesundheitlichen Möglichkeiten agieren. Nach außen hin ist bei vielen alles in Ordnung, teure Autos stehen in der Garage, sehr oft neben einem Elektroauto, Haus und Wohnung sind vom Besten. Auf dem zweiten Blick sieht man aber wie „teuer“ entstandener Wohlstand erkauft wird. Die meisten, die noch Personal suchen, können ein Lied davon singen, wie sich die Jugend von solchen Entwicklungen abwendet. Flexible Arbeitszeit ist gefragt – bevorzugt Montag bis Donnerstag und nicht am Freitag oder Samstag bzw. vornehmlich 20-25 Stunden steht zusehends als Bedingung ganz oben. DIE Herausforderung für den Handel Die Möbelbranche hat die allerbesten Jobs anzubieten. Keine monotone Fabriksarbeit, sondern besonders abwechslungsreiche Tätigkeiten und ein Umgang mit interessanten Personen. Es „entstehen“ breit akzeptierte Persönlichkeiten mit einem enormen Fachwissen und entsprechendem Ansehen in der Bevölkerung. Oder? Genau hier liegt das Problem. Wir haben es verabsäumt dieses Thema in den letzten Jahrzehnten der Jugend anzupreisen und schmackhaft zu machen. Wir haben es zugelassen dass genau das Gegenteil passiert ist, so hat es zumindest nach außen hin den Anschein. WIR müssen das Arbeiten und auch letztendlich den Handel komplett NEU denken, die Produktion, sofern sie noch bei uns im Land vorhanden ist, auf ganz neue Beine stellen, um überhaupt noch eine Zukunft zu haben. Vielleicht ruft diese realistische Einschätzung den Einen oder Andern zu einem schnellen und konsequenten Handeln auf. Es entsteht der Eindruck, dass die Menschen sich auf keine Veränderung oder Neues einlassen wollen, keinen Wandel zulassen und langfristige Probleme nicht erkennen. Das beste Beispiel ist dafür die Corona Krise. Am Anfang stand die überwältigende Mehrheit hinter den notwendigen Maßnahmen, je länger es dauerte desto mehr nahmen davon Abstand und zerpflücken die Argumente oder unterlagen dubiosesten Verschwörungstheorien. Alle wollen eine Veränderung und gleichzeitig wollen aber alle zum alten Zustand zurück. Eine bereits veränderte Situation kann nicht ignoriert werden. Es entsteht eine unkontrollierbare Konstellation und wir drehen uns im Kreis. Vergessen Sie nicht, wir haben die besten Jobs. www.agentur-kandut.at Foto: © Kandut WALTER KANDUT DAS UNGELÖSTE PERSONALPROBLEM Walter Kandut betreibt gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth die „agentur für wohnen und mehr“ in Wien.

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