wohninsider Februar / März 2022

01. 2022 | Februar/März|wohninsider.at 97 AM POINT OF SALE Die Welt ist schon verrückt, oder besser gesagt die Menschheit. Ein mikroskopisch kleines Virus verändert das filigrane Gefüge in einem Ausmaß, das mir zu denken gibt und hinterlässt bei vielen bleibende Spuren in der Psyche und in der Wirtschaft. Wir Individuen können gut ein Problem wegstecken, wenn es aber zu lange dauert und zusätzliche, schon lange aufgestaute Verwerfungen, dazu kommen, sind wir überfordert. Rücksichtslose Spekulation und der Hang zur Korruption lassen unser System zusehends kollabieren. Die aktuellen Preissteigerungen, in dieser Höhe und in so einer kurzen Zeit, beinhalten deshalb ein großes Risiko. Der Kundenkreis muss sich daher zwangsläufig ändern. Obwohl die Auftragsbücher immer noch voll sind, bedeutet dies für viele eine ungewisse Zukunft. Das kann einen bereits eingeschlagenen Weg beschleunigen, kann aber auch die, die noch unsicher sind, welchen Weg sie gehen sollten (nach unten oder oben) vor massive Probleme stellen. Gefährdetes System Die Preise steigen vielleicht mehr als in anderen Branchen und keiner kennt die genauen Ursachen. Das schafft allgemeine Unsicherheit und macht, nicht nur mich, nachdenklich und nervt zusehends. Aber wir können weitgehend liefern, was, wie man hört, in anderen Branchen nicht immer der Fall ist. Es kommen so viele Aspekte zusammen und man verliert den nötigen Überblick. Ersatzlose Produktionsverlagerungen in sogenannte Billiglohnländer rächen sich jetzt. Dass hier Ausfälle z.B. wegen Corona vorkommen, dann die Transportkapazitäten runtergefahren werden, das Personal freigesetzt wird, das sich dann einen anderen Job sucht, dann das Hochfahren nicht möglich ist, weil auf einmal das Personal fehlt, zeigt wie gefährdet unser System geworden ist. Fehlentwicklungen, auf die Insider hinweisen, sind einfach vom Tisch gewischt worden. Deswegen bleiben auch alle, die weiterhin in Europa produzieren, nicht verschont. Wenn also die USA oder China husten, dann sind wir nahe der Intensivstation. Wenn dann zusätzlich einzelne Märkte überproportional wachsen und die notwendigen Rohstoffe von überall in der Welt zu überhöhten Preisen hamstern, kommt eine Lawine ins Rollen. Rohstoffpreise, weltweit zu einem einheitlichen Preis zu handeln, ist in so einer Phase nicht das gelbe vom Ei. Wenn auf regionale Gegebenheiten keine Rücksicht genommen werden kann, profitiert unweigerlich eine Seite und die andere Seite verliert. Die Verlierer sind dann jene, die keine Reserven haben, um Schwankungen auszugleichen. Die Gewinner können es sich leichter richten, und wenn sie dann den Verlust am Kapitalmarkt durch gewissenlose Spekulation ausgleichen, verstärkt sich die Schieflage zwischen Arm und Reich noch mehr. Neben dieser Wirtschaftskrise kommt noch die Energiekrise dazu. Hier vor allem die nicht nachvollziehbare Steigerungen bei Öl und Gas. Ob die Preise immer so nach „Angebot und Nachfrage“ steigen oder fallen ist nicht so sicher. Man kann durch Drosselung oder Steigerung der Produktion deutlich nachhelfen. Das dann regional erzeugter erneuerbarer Strom oder auch Brennstoffe wie Pellets preislich ebenfalls steigen, ist für viele unverständlich. Wir lassen ein System zu, das keiner mehr (oder nur mehr wenige) unter Kontrolle haben. Supercomputer und KI (künstliche Intelligenz) entscheiden schon zu einem großen Teil über die Preise an den Börsen. Solche KI, entwickelt um maximalen Profit zu erzielen, haben kein „Gewissen“. Die sogenannten Marktgesetzte werden damit ausgehebelt und die den Markt regulieren sollten zögern, bis ein steuerndes Eingreifen nicht mehr möglich ist. Allgegenwärtige Lobbyisten, also sogenannte Interessensvertreter, beeinflussen Staaten und Politik, sind naturgemäß auf den eigenen Vorteil bedacht (dazu sind sie ja da) und verhindern zusehend mögliche regulatorische Entscheidungen. Wie schon Goethe schrieb, „die ich rief, die Geister, werd` ich nun nicht los“. Ernst zu nehmende Schieflage Warum ist das so? Mir kommt vor, dass ein Miteinander nicht mehr gefragt ist. Ein überwiegendes Gegeneinander ist im Vormarsch. Das fängt im kleinsten Kreis der Familie an, geht über Kommunen und Staaten und macht auch nicht vor der weltweiten Machtverteilung halt. Auf Kosten derer, die vielleicht die Mehrheit, aber keine Lust oder auch nicht genügend Macht haben, die Stimme zu erheben. Solange sich das nicht ändert, wird sich auch am System nichts ändern. So quasi zum Drüberstreuen verstärkt der eklatante Personalmangel die Situation zusehends. Hier beißt sich sprichwörtlich die Katze in den Schwanz. Wenn das Service notgedrungen reduziert werden muss, die Kunden aber immer anspruchsvoller werden, entsteht eine ernst zu nehmende Schieflage. Solange das bestehende Personal noch eine gewisse Produktivitätssteigerung umsetzen oder mit Überstunden ausgleichen kann, ist der Leidensdruck für Unternehmen noch überschaubar. Der Mensch ist allerdings keine Maschine. Irgendwann stößt er an seine Grenzen und es gibt eine Gegenreaktion, die mittel- und langfristig die Situation gravierend verändert. Schon jetzt fehlt es an psychologischer Betreuung und vermeintliche Problemlöser wie Psychopharmaka oder Drogen boomen. Es besteht aber noch Hoffnung, dass sich unser System schön langsam wieder einrenkt oder quasi normalisiert. Sprich die Preissteigerungen zurückgenommen (ist zwar in der Vergangenheit selten passiert), der weltweite Handel wieder gerechter und vor allem die schon dringend anstehende Ökologisierung unserer Gesellschaft umgesetzt wird. Das wäre zum nachhaltigen Wohl für uns Alle. Die Hoffnung stirbt zuletzt! www.agentur-kandut.at Foto: © Kandut WALTER KANDUT STEIGENDE PREISE – UND NOCH KEIN ENDE IN SICHT? Walter Kandut betreibt gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth die „agentur für wohnen und mehr“ in Wien. Seine Handelsagentur mit Schwerpunkt auf Service und Kompetenz für den exklusiven Möbel- und Objektfachhandel baut auf über 30-jährige Erfahrung im Verkauf und als Agentur.

RkJQdWJsaXNoZXIy NDA0NA==