Oktober-November 2022

24 wohninsider.at |Oktober/November | 05. 2022 BRANCHENTALK Werk, wollen überall die Kontrolle haben, können nichts abgeben. Dass Architektur auch eine Dienstleistung ist, sehen viele nicht. Architekt:innen muten sich viel zu, was dann auch in eine gewisse Unselbstständigkeit mündet, indem sie nicht nach der besten Lösung, sondern nach der besten Lösung in den Augen der Auftraggeber:in suchen. Viele Hersteller haben tolle Schauräume. Wie werden diese von Architekt:innen genutzt? E. Ritt: Der Schauraum ist ein Spezialist im besten Sinn. Das zeigt sich auch im Möbelhandel. In der österreichischen Möbelhandelslandschaft gibt es eine Handvoll sehr guter Spezialist:innen, die komplexe, hoch individuelle Projekte im Hochpreissegment perfekt abwickeln können. In Werkschauräumen denken Mitarbeiter:innen Lösungen und Projekte so fertig, bis hinsichtlich Individualität nicht mehr geht. Wir wissen, was gewünscht wird, wir können eine Spur aufnehmen und wir können das perfekt umsetzen. Das ist der Unterschied von einem Werkschauraum zum Fachhandel. Der Fachhandel hat nicht nur eine Marke und kann nirgendwo Spezialist sein. Architekt:innen brauchen Spezialist:innen, denen sie mit ruhigem Gewissen eine Empfehlung aussprechen können, weil sie das Projekt in ihrem Sinne, nach bestem Wissen und Gewissen, mit fachlicher Kompetenz, geschmacklich am Punkt der Zeit weiterführen oder sogar finalisieren. Spezialistentum ist der Schlüssel. W. Kandut: Architekt:innen befassen sich allerdings in Wirklichkeit nur mit einem Hersteller oder einem Design, wenn es genau in das Projekt hineinpasst. Ein Produkt kann eine Zeit lang nicht passen und wenn Architekt:innen länger nichts brauchen, treten Unternehmen und deren Vertreter:innen auch nicht mehr an sie heran. Es kann aber sein, dass Architekt:innen genau dann etwas für ein Projekt wollen und benötigen. Die Kommunikation ist dann weg. Im Regelfall hat die Architektur aus Sicht des Herstellers für die Inneneinrichtung keine Zeit, wenn Architekt:innen etwas brauchen, dann muss es gleich sein und sie wollen die Information mehr oder weniger schon intus haben. Das ist unser Problem. Wie kommen wir zum richtigen Zeitpunkt zur richtigen Person, um das Endergebnis zu erzielen? C. Kroepfl: Natürlich soll es dann sehr schnell gehen. Es braucht schnell die Spezialist:innen, weil man ja mitten in einem Planungsprozess steckt. D. Link: Wenn ein:e Architekt:in einen unserer Schauräume betritt, geht es meist nicht vorrangig um ein Produkt, sondern um eine Technik, die Haptik, die Nachhaltigkeit, die Wohngesundheit. Die Farbrichtung haben Architekt:innen vorher definiert und im Kopf, es geht mehr um Funktionalität. Ein Schauraum wird nur besucht, wenn die Zeit dafür vorhanden ist, ansonsten schauen sich Architekt:innen vor allem im Web um. Daher ist der digitale Auftritt einer der wesentlichen Dinge heutzutage, gerade im Bereich der Architektur und in den letzten Jahren vermehrt auch im Handwerk. Werden die digitalen Möglichkeiten intensiv genutzt? B. Wiesinger: Wir bedienen uns gerade bei Möbeln oder selbst Platten dieser Möglichkeiten nicht. Ich habe sehr viele Musterkataloge bei mir, das finde ich wichtig, weil die Produkte ganz anders ausschauen als am Bildschirm. Würden sich Architekt:innen also eigene Berater:innen wünschen? R. Schwab: Architekt:innenberater:innen bei den Herstellern wären ideal. Ebenfalls ein Wunsch, aber eine Frage der modernen Technik ist die Möglichkeit, öfters den Schauraum eines Herstellers mit meinen Auftraggeber:innen per Teams oder Zoom zu besuchen. So kann ich meinen Kund:innen zeigen, was der Hersteller bietet, und dann kann entschieden werden, hinzufahren. Mit ihnen alles abzuklappern, ist unrealistisch. Ich würde mir direkt beim Hersteller die Infos holen, das Produkt fertigen lassen und wenn es eine Händlerstruktur gibt, die das Projekt realisieren kann, soll es gerne der Fachhändler vor Ort machen. Was liegt noch näher, als wenn mit dem Hersteller das Problem gelöst und mit dessen Partner vor Ort die Lösung realisiert wird? Dann ist allen geholfen. Es ist und bleibt im besten Wortsinn dieses Dreiecksverhältnis. Wäre das denn schwer einzurichten? R. Schwab: Das würde jetzt schon funktionieren. W. Kandut: Der spingende Punkt ist nur die Finanzierung. E. Ritt: Es ist herrlich, wie wir über Digitalisierung reden. Das Interessante ist ja, dass ich Materialien und Haptiken nicht digital abbilden kann. Es wird schon 3D-visualisiert, aber Strukturen und Produkte sind so nicht richtig erlebbar. Die Nähe zu Fachhandelspartner:innen vor Ort ist gut, aber je mehr Spieler, umso komplexer wird die Projektabwicklung. Wenn ich über Zukunft und Handel nachdenke und dem Digitalen eine immer größere Rolle einräume, müssen wir Hersteller uns überlegen, wie sich das in Zukunft bewerkstelligen lässt und Projekte umgesetzt werden können. Die Frage wird immer die nach dem Netzwerk sein. Wo ist wer wie gut vor Ort und kann das bieten? W. Kandut: Das liegt diamentral zu der gewachsenen Marke, die viele aufgebaut haben. Es gibt Marken, die nur in Mailand oder New York zu bekommen sind, und wenn Kund:innen das wollen, müssen sie dorthin. In abgewandelter Form gibt es Möbelhersteller, die nur gewisse Partner:innen beliefern, um die Marke exklusiv und ihr Image und Service auf einem entsprechenden, gleich bleibenden Level halten wollen. Das ist eine gewachsene Struktur, die sich in den letzten 40 Jahren in der ganzen Welt etabliert. Jetzt knabbern wir schön langsam daran, nur reagieren diese Marken oft paradox, indem sie sich aus dem Markt zurückziehen. Wir müssen da schon die Architektur auf der einen Seite und die Marke und Hersteller auf der anderen Seite näher zusammenbringen. Reinhard Schwab, Walter Kandut, Christian Kroepfl Walter Schweiger, Brigitte Wiesinger, Erich Ritt

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