August-September 2023

04. 2023 | August/September | wohninsider.at 113 AM POINT OF SALE Die Möbelbranche hat im wahrsten Sinne des Wortes dieses Jahr ein gefühltes Sommerloch, so hat es zumindest den Anschein. Dieser Begriff entstand bei den Massenmedien, der Presse und Nachrichtenagenturen wo während der Sommerpause eine nachrichtenarme Zeit herrscht. Die Politik nutzt diese Zeit gerne um Themen zu testen, auch wenn sie noch so zweifelhaft sind, wie die Gesellschaft darauf reagiert. Auf unsere Branche umgemünzt haben wir 2023 eine noch nie dagewesene Situation, was die Situation im Möbelstudio oder Möbelhaus anbelangt. Die letzten Jahre waren wir durch den KaufBoom, hervorgerufen durch Covid, sehr verwöhnt. Auch davor war der Sommer, bedingt durch den Sommerschlussverkauf immer eine wichtige Umsatz-Zeit. Ich kann mich noch erinnern da gab es im Möbelhandel im Juni und auch im Juli Urlaubssperren. Durch die ständigen, das ganze Jahr stattfindenden, Rabattaktionen sind solche Abverkäufe immer bedeutungsloser geworden bzw. sind nur mehr für Großflächen vielleicht ein Thema. Wo bleiben die Kunden:innen Nach den fetten Jahren ist ein Ausbleiben der Kundschaft und der Umsätze für viele umso schmerzhafter. Man kann aber den Möbelhandel nicht über einen Kamm scheren, enorme Unterschiede gibt es je nach Positionierung. Massenwaren Anbieter haben größere Probleme (Stichwort Kika/Leiner). Für die obere Spitze der Einkommenspyramide gelten andere Gesetze. Das Geld ist hier vorhanden, ausgegeben wird es wenn die Stimmung passt. Das erwähnte sogenannte Sommerloch hat zwei große Problembereiche aufbrechen lassen. Einmal die notwendige Frequenz an „Neukunden:innen“ und zweitens die anhaltende Veränderung beim leidgeprüften Mittelstand. Dieser Bereich verdient und lebt nach wie vor auf hohem Niveau, gibt aber bedingt durch die negative Stimmung und überhöhte Inflation sein Geld zur Zeit nicht für Möbel aus. Urlaub und klassisches Sparen haben zurzeit einen höheren Stellenwert. Alle Unternehmen, die auf Kundenfrequenz angewiesen sind, verzeichnen daher einen nie dagewesenen Einbruch. Viele alte Hasen in der Branche, mit jahrzehntelanger Erfahrung, haben so eine brutale Veränderungen noch nicht miterlebt. Das Ausbleiben der Neukunden:innen in den Geschäften hat sicherlich viele Ursachen, die jetzt schlagend werden. Eine gewisse Sättigung und Vorziehkäufe bedingt durch die Pandemie, der Einbruch der Bauwirtschaft hervorgerufen durch die drastische Zinsveränderung, die Inflation, die Verteuerung der Energiekosten, die Unsicherheit in Osteuropa und der ungebremste Run zum Urlaub sind wahrscheinlich die Hauptursachen. Das spüren jene Möbel-Händler:innen viel weniger die schon rechtzeitig auf überwiegend Planungskunden gesetzt haben. Hier dauert ein Projekt oft mehrere Jahre, da haben solche Schwankungen weniger Einfluss auf den Umsatz. Diese Händler:innen sind nach wie vor auf einen längeren Zeitraum ausgebucht. Schwarz oder weiß Wo ist der Mittelstand. Über diesen viel strapazierten Begriff wurde schon viel geredet und geschrieben. Wenn wir die Situation bei unserem wirtschaftlich wichtigsten Nachbarland Deutschland betrachten, dann haben die in der Mitte des Preis- oder Einkommenssegmentes (also Mittelstand) die größten Probleme und schmerzhafte Umsatzrückgänge. Eine sehr bittere Entwicklung für die Möbelbranche, die wir in unserem Land bereits weitgehend hinter uns haben. Die Schere zwischen „oben und unten“ ist bei uns schon wesentlich weiter fortgeschritten. Bei dieser Entwicklung sind wir ausnahmsweise einmal vorne. Und dennoch, auch diejenigen die bei uns noch in der „Mitte“ verblieben sind, haben wesentlich größere Probleme als die im oberen Bereich. Natürlich gibt es auch bei uns viel Armut, die darüber sind der „jetzige Mittelstand“, dann kommt erst mit großem Abstand die Oberschicht. Vereinfacht ausgedrückt haben wir in unserer Branche nur mehr schwarz oder weiß, also Flächenanbieter oder Studioszene. Wenn man sich bis jetzt noch nicht entschieden hat wohin man gehören soll oder will, wird die Zeit knapp um eine Veränderung einzuleiten. Nicht alle Kunden:innen wollen bei Ikea, Lutz und Co einkaufen aber auch viele fühlen sich in den vermeintlich teuren Studios nicht wohl. Wo bleiben dann die Grauzonen, diese potenzielle Kunden:innen abzuholen? Ungutes Gefühl Es ist ist ein ungutes Gefühl vorhanden wie es in der Zukunft weitergeht, da ja die Kundschaft bei vielen zusehend ausbleibt. Die tatsächliche Lage sieht zur Zeit noch anders aus, die Umsätze sind doch (noch) nicht so schlecht, die meisten haben immer noch halbwegs gute (schwarze) Zahlen. Die wahrgenommene Stimmung ist also negativer als die Wirklichkeit. Bei Möbeln gibt es große regionale Unterschiede. Manche Regionen, vor allem touristisch starke Gegenden profitieren nach wie vor vom globalen Trend zum Zweit-, Dritt- oder Viertwohnsitz. Generell werden Entwicklungen aber immer länderübergreifender. Bleibt deshalb nur zu hoffen, dass der deutliche Umsatzeinbruch dieses Sommers in Deutschland nicht auch noch stärker zu uns überschwappt. In der Vergangenheit haben wir uns leider nie so richtig davor schützen können. Unsere Branche hat noch einige Hausaufgaben zu lösen, je früher wir es angehen, desto weniger Schrammen bleiben. www.agentur-kandut.at Foto: © Kandut WALTER KANDUT SCHLECHTE STIMMUNG ODER DIE VORBOTEN EINER WEITEREN KRISE? Walter Kandut betreibt gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth die „agentur für wohnen und mehr“ in Wien. Seine Handelsagentur mit Schwerpunkt auf Service und Kompetenz für den exklusiven Möbel- und Objektfachhandel baut auf über 30-jährige Erfahrung im Verkauf und als Agentur.

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