Juni-Juli 2023

48 wohninsider.at | Juni/Juli | 03. 2023 NETZWERKE wohninsider: Vor der Reise nach Brüssel war die Stimmung der Funktionäre eher negativ, was die in Arbeit befindlichen Verordnungen für den Einrichtungsfachhandel betrifft. Nach den Gesprächen mit den Fachleuten der Europäischen Union schaut es nicht so schlimm aus. Also die „Suppe“ wird nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wird? Ing. Hans Klein: Ich sehe das genauso. Ich sehe zum Beispiel die Problematik Lieferkettengesetz (LKG) jetzt mit anderen Augen, weil man beim Ursprung beginnt. Es geht ja um die Aufklärung dem Kunden gegenüber und hier ist der Produzent schon aufklärungspflichtig. Das ist für den Fachhändler von Vorteil. Man kann es als Händler kontrollieren und dann mit seinem Namen dahinter stehen. Das wäre im Fachhandel wichtig, alles darzustellen und den Kunden aufzuklären. Rudolf Vogt: Es ist aber zu hoffen, dass dieses LKG nicht noch nachgeschärft wird. Oder in Österreich nachgeschärft wird. Wir kennen aktuell nur die Entwürfe, es ist noch nichts beschlossen. Es stellt sich die Frage nach der Klagslegitimation, die dann auch für NGOs gilt. Und ob hier jeder verklagt werden kann. Meiner Meinung ist noch nicht ganz durchdacht, wie die Verantwortungskette aufgerollt werden soll. Die europäischen Vorgaben gehen definitiv weiter als das deutsche LKG, das schon veröffentlicht ist. Wenn das so kommt, wird das ein Bürokratiemonster. Wo liegt konkret das Problem? H. Klein: Das deutsche LKG gilt für Betriebe mit mehr als 200 Mitarbeitern. Das heißt, wenn ein Küchenfachhändler mit acht Mitarbeiter:innen eine Küche an einen Häuslbauer oder Wohnungsbesitzer verkauft, spielt das für das LKG, zumindest derzeit in Deutschland, keine Rolle. Die Problematik die ich sehe, wenn ein Auftrag von einem Unternehmen mit mehr als 200 Personen kommt. Also wenn man in so einem Fall einen Auftrag, zum Beispiel über zehn Küchen übernimmt und es tritt ein Fall auf. Dann kann das womöglich für den Händler problematisch und sehr bürokratisch werden. R. Vogt: Alles gilt eigentlich nur für Betriebe ab einer gewissen Mitarbeiteranzahl und den Hersteller, der für die Lieferkette als erster verantwortlich ist. Punkt ist, wenn du als Kleinunternehmer nur acht Mitarbeiter hast, aber an einen Bauträger zehn Küchen lieferst, der 5000 Mitarbeiter hat, dann kann der dich verpflichten, dass du das LKG genauso mitbeachten musst. Der wird sich eigene Liefervertragsbestimmungen überlegen. Und wer schaut sich in der Praxis immer die AGBs an? H. Klein: Das sind Dinge, die noch nicht klar definiert sind. Einerseits das Positive – man steht hinter seinem Produkt und kann Nachhaltigkeit darstellen. Auf der anderen Seite, wenn man einen großen Bauträger beliefert, kann das für einen kleinen Möbelfachhändler problematisch werden. Wann wird das LKG schlagend werden? R. Vogt: Demnächst. Noch vor der EUWahl soll es einen Entwurf geben. Und die Wahl ist 2024. H. Klein: Was noch für den Fachhandel von Vorteil sein kann ist, dass sehr viele Produkte die Einfuhrgenehmigung nach Europa nicht mehr bekommen, oder weniger interessant werden. R. Vogt: Noch einmal zurück zur ersten Frage zu unserer eher negativen Stimmung als wir nach Brüssel fuhren und dann der Schwenk ins Positive. Dieses Gefühl habe ich absolut auch mitgenommen. Dass man sehr skeptisch ist, auch weil man eher das Gefühl hat, aus Brüssel kommt nichts Gutes. Aber die Stimmung hat sehr gewechselt, weil die Vorträge sehr gut waren und zweitens dieser vermeintlich aufgeblähte Apparat heruntergebrochen wurde. Da sind dann kleine Gruppen, die an Spezialthemen arbeiten und immer nach einer europäischen Lösung suchen. Dass das konsumentenorientiert oder wirtschaftsorientiert ist, hängt vom Thema und der jeweiligen Arbeitsgruppe ab. Was sind die gegenwärtigen Probleme in der Branche? H. Klein: Die Frequenz ist sehr rückläufig derzeit, wenn man mit Händlern spricht. Das ist sicher auf die Energiekrise, Ukraine, Inflation, Zinsen usw. zurückzuführen. Die Medien sind voll von Negativschlagzeilen und die Konsument:innen sind großteils verunsichert. Wo man die Krisenstimmung weniger spürt, ist im gehobenen Bereich. Hier kauft der Kunde, wenn er es haben will, auch wenn es 5 oder 10 % mehr kostet. INTERVIEW MIT ING. HANS KLEIN UND RUDOLF VOGT Gegenwart und Zukunft im Einrichtungsfachhandel Während einer Lobbying-Reise des Bundesgremium des Einrichtungsfachhandels nach Brüssel in die entsprechenden Institutionen der Europäischen Union sprach wohninsider mit Obmann und Geschäftsführer des Wiener Landesgremiums Ing. Hans Klein und Rudolf Vogt. Von Gerhard Habliczek Ing. Hans Klein, Obmann des Wiener Landesgremiums des Elektro- und Einrichtungsfachhandels. „Was für den Fachhandel von Vorteil sein kann ist, dass sehr viele Produkte die Einfuhrgenehmigung nach Europa nicht mehr bekommen.“ Fotos: Portrait Klein © Weinwurm, Portrait Vogt © WKÖ, Grafik © WKÖ

RkJQdWJsaXNoZXIy NDA0NA==