wohninsider April-Mai 2025

02. 2025 | April/Mai | wohninsider.at 113 BETRACHTET MIT NINA SCHULMEISTER PALAIS STATT LAGERHALLENCHIC Fotos: © pixabay, Dipl.-BW Nina Schulmeister, MA MA HALLO! HIER BIN ICH! ICH WILL DICH FANGEN UND BEHALTEN! Liebe Leser, Liebe Kollegen, Hey! Hallo! Hier bin ich! Ich bin hier und will dich! Ich will dir gefallen, dich um den kleinen Finger wickeln. Dir geben was du brauchst und mir nehmen was ich brauche. Ich will dich fangen und behalten. Behalten auf viele Jahre in meiner Kundendatei. Frühjahr ist Messezeit und damit ist längst der Startschuss für den Kundenfang gefallen. Vor einem Monat lockten die Wohnen & Interieur wie auch die Homedepot Interessierte in ihre Gemächer. Unterschiedlicher hätten die Messen jedoch nicht sein können, genauso wie auch das jeweilige Feedback. Während der eine Ausstellungsort mit gefühlt kilometerweit leeren Gängen und Ausstellungsflächen zu kämpfen hatte und die Aufmachung der Messestände bis auf einige wenige Ausnahmen nicht sonderlich viel Engagement und Hochwertigkeit verkörperte, so hatte der andere Veranstalter mit einem Ortswechsel zu ringen. Doch das Einzige was man diesem Ortswechsel ankreiden konnte war, dass der Mut fehlte. Der Mut zur Größe. Denn was die eine Messe zu viel hatte, hatte die andere zu wenig: Platz. Die Aussteller waren großartig, das Publikum an hochwertiger Innenarchitektur interessiert und an Anzahl reichlich. Auch der Kontrast der Schaufläche zwischen Baustellen-Look und Prunkraum war sehr ansprechend und zeigte wie unterschiedlich Architektur sein kann und wie man jene innenarchitektonisch bestmöglich unterstreicht. Doch hat das tatsächlich alles noch Bestand? Ist das Durchschreiten von Messehallen wirklich noch das was unsere Kunden wollen und von uns erwarten? Erfüllen wir mit den langjährig gelebten Konzepten noch ihre Bedürfnisse? Bei einer möglichen Messebeteiligung beziehungsweise Ausstellung gilt es sich stets die Frage zu stellen, was für die Präsentation der Leistungen des Unternehmens das günstigste Umfeld darstellt. Zusätzlich muss die Erreichbarkeit der potenzieller Zielgruppen gegeben sein. Ein Verkaufsraum wird nicht zwingend durch Wände definiert, sondern durch Stimmung. Oft entscheidet nicht das Produkt an sich, ob es verkauft wird oder nicht, sondern die Atmosphäre, in der es platziert ist. Die Sympathie des Verkäufers, das Sich-auf-gehobenfühlen des Kunden und die Vision, die beim Verkaufsprozess vermittelt wird. Doch ist hier eine oftmals dunkle Messehalle tatsächlich das richtige Mittel zur Wahl? Gerade in der heutigen Zeit wo viele von uns im Zwiespalt zwischen Kostenminimierung und Bereitstellung eines Budgets zur Kundenakquise sind? Wieso nutzen wir nicht das Bestehende und lassen Einzigartiges entstehen? In Mailand hatte man dieses Jahr etwas mehr Luft zum Atmen, sowohl auf der Salone selbst als auch in der Stadt. Das Publikum war an Anzahl zwar weniger, dafür aber jung, interessiert und kaufwillig. Dennoch ist ein Trend deutlich zu bemerken, selbst große Namen wie Flexform verzichten auf die götzenhafte Zurschaustellung in der Messehalle, sondern besinnen sich auf das Wesentliche. Auf die eigenen Räumlichkeiten, auf das eigene Zuhause. Die Stadt als Designstadt bekommt mehr Fokus, die Stimmung ist ausgelassen und LiveMusik ertönt in den Straßen und untermauert ein nettes internationales Beisammensein und das Ausleben des Möbeldesigns. Denn in Wahrheit sind wir doch nur hier um einander zu begegnen, zu begeistern und zu inspirieren. Gegenseitiger Profit und eine langfristige Zusammenarbeit sollen dabei Wurzeln schlagen. Wieso übernehem wir nicht diesen Trend, der auch in Kopenhagen gelebt wird und begeistert? Wieso polieren wir nicht unsere Schauräume auf Hochglanz, mieten Pop-up Stores und machen Wien eine Woche lang zu einer internationalen Designmetropole? Kostenfreie Shuttles, die die Besucher von einem Interior- und Design-Hotspot zum nächsten bringen – von den Flagshipstores im 1. Bezirk zu einer coolen Ausstellung von Outdoormöbeln auf der Donausinsel. Von funky Möbelmarken, die im Wiener Prater platziert sind, zu klassichen Designs mitten in der Spanischen Hofreitschule. Wir hätten so viel mehr zu bieten als Mailand, Köln oder Kopenhagen. Es wird Zeit dies auch zu leben. Ganz nach dem Mailänder Motto: Palais statt Lagerhallenchic. Nina Schulmeister, Gründerin, Inhaberin & kreativer Kopf der Handwerk Design- und Möbelmanufaktur GmbH. Kontakt: office@dashandwerk.com

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