03. 2025 | Juni/Juli | wohninsider.at 105 BETRACHTET MIT NINA SCHULMEISTER ICH BIN DER PATE Fotos: © pixabay, Dipl.-BW Nina Schulmeister, MA MA SIND WIR EIN TEIL DER GRÖSSTEN BETRUGSMASCHINERIE, DIE ES GIBT? Liebe Leser, Liebe Kollegen, Ich habe in einer vorherigen Kolumne schon ein Mal erwähnt, dass ich selbst derzeit einen großen Altbestand umbaue, den ich irgendwann mein Zuhause nennen möchte. Ich denke, ich habe in meinem ganzen Leben lang noch nie eine Entscheidung so hinterfragt. Grund dafür ist nicht das Umbauen an sich, dies ist ja grundsätzlich mein täglicher Arbeits- und Lebensinhalt, welchen ich mit großer Freude ausübe. Der Grund dafür sind die Menschen, mit denen ich es zu tun habe. Der Baumeister, der mir empfohlen wurde und der meine Planung Copy and Paste in eine behördliche Form bringen sollte, um die Einreichung zu erziehlen, ist mittlerweile sechs Monate über der vereinbarten Deadline und möchte darüber hinaus eine Nachzahlung haben. Warum? Er hat ausschließlich Jungspunde ans Werk gelassen und benötigt nun mehr als die kalkulierte Stundenanzahl. Auf die Frage hin, wann denn die Kostenschätzung für den Bau kommt, wird erklärt, dass sie nicht anbieten möchten, denn wenn Kunden schon bei der Planung Nachverrechnungen nicht leisten wollen, wie sieht es dann erst beim Bau aus? „Der Angebotspreis ist ja niemals der Preis der bezahlt wird, es kommen anschließend noch mehrere Zehntausende im Nachhinein hinzu.“ (Zitat Baumeister) Alle die mich kennen wissen, dass ich meine Augenbraue sehr hoch ziehen kann – ich glaube in diesem Fall ging sie über meinen Scheitel hinaus. Ich habe bislang sieben Elektriker anbieten lassen, die Range reicht von 55.000 bis 140.000 Euro für dieselbe Leistung. Ein Anbieter legte einen Kostenvoranschlag vor und meinte im selben Wimpernschlag, dass die geschriebene Zahl unter dem Summenzeichen nicht stimmt, da man über sie noch reden kann. Und wieso steht sie dann da? Wie kann es sein, dass Kosten für dieselbe Leistung um fast 100.000 Euro different beziffert werden? Wie kann es sein, dass unterschriebene Angebote keinen Wert haben, sondern im Nachhinein munter darauf los nachverrechnet wird? Ich habe als Kunde das Gefühl der Mafia gegenüberzustehen. Der Bau-Mafia. Ich bin der Kunde. Ich bin der Pate. Nicht du. Ich entscheide, welches Budget ich für eine bestimmte Leistung zur Verfügung habe. Ich entscheide, wann das Projekt fertig sein muss. Ich habe das Anrecht auf eine ehrliche Begegnung auf Augenhöhe und ehrliche Preise. Ich habe mich immer gewundert, wieso Kunden so unsicher sind. Wieso sie mehrmals kommen und Gespräche führen möchten, bevor eine Planung überhaupt erst beginnt. Wieso sie mehrere Angebote einholen möchten, wieso sie so oft nachfragen, ob ein Projekt zum Zeitpunkt X sicher fertig sein wird. Wieso sie mit den Gewerken gar nicht erst in Berührung kommen möchten, sondern den Partnerfirmen vertrauen, mit denen ich sehr lange Zeit zusammenarbeite und mich für die gesamte Koordination beauftragen. Mittlerweile wundere ich mich nicht mehr, indes hat sich meine Strategie für jede neue Kundenbegegnung geändert: sofortiges Vertrauen aufbauen, Sicherheit schenken, den Kontakt zu bisherigen Kunden ermöglichen, eine Hand reichen, wenn keine andere da ist und noch einmal genauer zuhören als bereits zuvor. Denn wir sind das letzte Glied in der Baukette. Wir entscheiden darüber ob wir das Licht am Ende des Tunnels sind, oder das Schwarz dieser Industrie endgültig gewinnt. Lasst uns das Licht sein. Lasst uns nicht länger genervt sein, - wenn Kunden Preise vergleichen möchten - wenn Kunden 10 Mal anrufen wo sie eine Steckdose setzen lassen sollen - wenn Kunden einen genauen Terminplan haben möchten - wenn Kunden 5 Mal ins Geschäft kommen um sich sicher zu sein die richtige Farbe ausgesucht zu haben - oder wenn sie kommen und den unterschriebenen Auftrag noch einmal komplett umwerfen, weil eine andere Firma plötzlich viel teurer war als gedacht. Wir sind diejenigen die ausbaden müssen, was andere falsch gemacht haben. Ist es fair? Nein, absolut nicht. Aber diejenigen, die Licht spenden wo nur Finsternis ist, werden immer in den Gedanken bleiben. Und das beste und günstigste Marketing- tool sind der treue Kunde und die Weiterempfehlung. Nina Schulmeister, Gründerin, Inhaberin & kreativer Kopf der Handwerk Design- und Möbelmanufaktur GmbH. Kontakt: office@dashandwerk.com
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