20 wohninsider.at | Juni/Juli | 03. 2025 BRANCHENTALK jemand wird leisten können, die Dienstleistung nicht zu verrechnen.“ Ein zusätzlicher Aspekt sei dabei noch zu berücksichtigen: die Wertschätzung, wie Kastinger verdeutlichte: „Heute ist es ja so, dass von zehn Kunden, die nicht kaufen, 9,5 untertauchen und sich nicht mehr melden. Die haben einfach nicht die Courage zu sagen, dass sie nicht oder woanders kaufen.“ Einen etwas anderen Blick auf die Branche brachte Horst Neuböck in die Runde: „Ich komme aus der Elektrobranche, und führe seit 30 Jahren den CLUB WEISS, der das Vermieten von Hausgeräten etabliert hat. Wir sind in der Frage Verrechnen von Service vielleicht schon etwas weiter: Im Elektrofachhandel wurde bereits vor 20 Jahren begonnen, für Dienstleistungen wie das Liefern und Anschließen Geld zu verlangen. Der springende Punkt dabei ist, das dem Kunden zu vermitteln. Bei mir lautet die eindeutige Botschaft: ‚Ich kann mir dich als Kunde sonst nicht leisten.‘“ Und Schulmeister schlug in dieselbe Kerbe: „Es fehlt oft das Verständnis des Kunden, dass das Handwerk, die Möbelbranche ihren Wert hat.“ Imagewandel für die Branche Bedürfe es also eines Imagewandels für die Möbelbranche? Genau das passiere gerade, so Hemetsberger, „und zwar seit etwa drei Jahren. Aus meiner Sicht ist die Chance für den inhabergeführten Fachhändler heute so groß wie schon lange nicht mehr. – Es gab einen immens großen Vertrauensverlust gegenüber der Großfläche durch den Wegfall von Leiner/kika und der typische Leiner-Kunde findet sich bei Lutz nicht wieder. Also sucht er nach einer Alternative. Der Fachhändler muss jetzt gefunden werden, nach außen sichtbar sein!“ Genau hier ortete der MZE-Chef aber eine große Schwäche vieler Möbel-Händler. Auf den MZE bezogen meinte er weiter: „Was unsere Händler betrifft, kann ich sagen, diejenigen, die am Außenauftritt arbeiten, holen sich die neuen Kunden, kompensieren den Wegfall von Küche mit Polstermöbeln, dem Bereich Dining und und und.“ Und er zog aus der Geschichte ermunternde Schlüsse: „Seit ich den Job übernommen habe, habe ich schon mehrfach Höhen und Tiefen miterlebt, jedes Mal hat sich gezeigt, dass es ein Zurück zur kleinen Struktur bringt, zu den Verbindlichkeiten des Vertrauens, zum inhabergeführten Betrieb vor Ort.“ Wahr sei auch, dass viele aufhörten, aber auf lange Sicht die Guten überblieben. Und so sei es die Aufgabe eines Verbandes wie des MZE, die Mitglieder an der Hand zu nehmen und nicht zuletzt am Beispiel von Leuchtturmprojekten Betrieben Mut zu machen und eine Richtung zu geben. In der Praxis seien viele Betriebe nämlich überfordert, weil sie nur IN statt AM Unternehmen arbeiteten. Was die Kunden wollen Neuböck fand indes einen Lösungsansatz auch woanders begründet: „Wir beschäftigen uns viel mit Kundenbindung. Neurologische Studien besagen, dass der Kunde bereits im Moment, wo der Bedarf entsteht, zu 80% die Entscheidung fällt, wo gekauft wird.“ Daher sei es so wichtig, im Kopf der Menschen drinnen zu sein. – „Oder eben online gefunden zu werden“, ergänzte an dieser Stelle Alexander Frantes. „Denn viele jungen Leute in ländlichen Regionen haben nicht mal eine Idee, wohin sie gehen sollten im Bedarfsfall. Und wenn sie dann im Web suchen, finden sie keine aktuellen Öffnungszeiten usw.“ Hemetsberger pointierte einmal mehr: „Digitale Sichtbarkeit ist wichtiger denn je. In Wahrheit musst du wissen, was wünscht deine Zielgruppe, wo kauft sie ein, wie will sie umworben werden. Ich glaube, dass sich viele mit der eigenen Zielgruppe nicht genügend auseinandersetzen. In dem Förderwahnsinn und Digitalisierungshype – hat so mancher eine schicke Website, die eine Riesen-Erwartungshaltung suggeriert, und der Kunde kommt und findet das dann nicht wieder.“ Und er brachte ein aktuelles Beispiel: „Ich war bei einem Mitglied, lese ihm gerade die Leviten, weil die Auslage verschmutzt ist, das und das nicht passt. Und er meint, er weiß das eh alles, gleich komme aber ein wichtiger Kunde. Kurz darauf fährt ein Maserati vor, der Fahrer steigt aus, geht zur Tür, dreht wieder um und geht. Im Anschluss läutet das Telefon, und der wichtige Termin lässt sich entschuldigen. Conclusio: Da wurde nicht eingehalten, was der Online-Auftritt versprochen hat.“ Die Hürden der Bürokratie Als Klumpfuß in der Branche und im Unternehmertum wurde darob auch die Bürokratie ausgemacht, die nicht selten auch Grund für einen fehlenden Nachfolger sei. Hubert Kastinger, in seiner Funktion als Gremialobmann, hat hier eine lange Liste an Herausforderungen, mit denen er als Interessenvertretung tagtäglich zu kämpfen habe. „Einerseits machen uns die Gewerbeberechtigungen, die Ausführungsrichtlinien zu schaffen, dann steht die Entwaldungsverordnung an, wenn die so umgesetzt wird, ist das für uns alle ein Megagau.“ Nicht zuletzt kämpfte er auch jahrelang für einen neuen Lehrberuf in der Branche und scheiterte schließlich an einer starken Gewerkschaft. Ein weiteres Thema aufs Tapet brachte Franz Toman. „Man darf nicht vergessen, in den letzten Jahren sind ja 40 Möbelhäuser Horst Neuböck: „Es ist Zeit, an neue Vertriebskonzepte zu denken. – Der Durchschnittspreis einer Waschmaschine liegt aktuell über alle Vertriebskanäle bei etwa 580 Euro. Wir haben bei Waschen mit den Mietverträgen einen Durchschnittspreis von 1.380 Euro.” Franz Toman: „Man darf nicht vergessen, in den letzten Jahren sind ja 40 Möbelhäuser gestorben. Der Umsatz muss sich ja aufteilen auf die anderen. – Aber warum muss der Handel immer die Melkkuh sein?”
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