wohninsider Oktober-November 2025

05.2025 | Oktober/November | wohninsider.at 97 BETRACHTET MIT NINA SCHULMEISTER EINE TODSÜNDE, DIE MAN SICH LEISTEN KANN Liebe Leser, Liebe Kollegen, es gibt einen Satz, den man im Leben viel zu selten hört: Ich bin stolz auf dich! Und genau diese Worte möchte ich heute an jeden Einzelnen von euch richten. Ich bin stolz auf eure Leistung! Vielleicht denkt ihr, dass dieser Satz aus meiner Feder keine große Bedeutung hat. Doch vielleicht bewirkt er genau in diesem Moment etwas: Ihr lest diese Zeilen, lehnt euch zurück und lasst die letzten Jahre, Monate, Wochen und Tage Revue passieren. Ihr erinnert euch an die Corona-Zeit – an die Angst, die Ungewissheit, das tägliche Improvisieren zwischen Verordnungen und Verantwortung. An die Freude über den plötzlichen massiven Umsatzanstieg; die vollen Auftragsbücher. Euch kommt der Ukraine-Krieg in den Sinn, die Handelssperren, die Auflagen, die Inflation, die explodierenden Zinsen, die schwindende Kaufkraft. Ihr denkt an die Stimmen in eurem Umfeld die besagen, dass unser schönes Land den Bach runter geht, dass man keine Kinder mehr in diese Welt setzen sollte. Ihr denkt an Insolvenzen, Negativschlagzeilen, an die unzähligen eigenen Herausforderungen – jene, die sichtbar waren, und jene, die ihr still in euch getragen habt, ohne dass jemand es bemerkte. Und trotzdem seid ihr hier. Heute. An diesem Punkt. Ihr habt nicht aufgegeben. Ihr seid gewachsen – stärker, erfahrener, widerstandsfähiger als je zuvor. Ich bin stolz. Auf jeden Einzelnen – und auf diese Branche, die manchmal so still wirkt – und doch so unendlich kämpferisch ist. Wenn ich mit Möblern spreche, ist die Stimmung momentan erstaunlich stabil. Keiner versetzt Berge, aber es schaufelt auch keiner sein eigenes Grab aus. Ganz anders die Gespräche mit Immobilienmaklern in den letzten Wochen: dort spürt man Niedergeschlagenheit, Müdigkeit, oft sogar Resignation. Ich bin stolz darauf eine Möblerin zu sein – Teil einer Gemeinschaft so unterschiedlicher Persönlichkeiten, die eines eint: Wir geben nicht auf. Wir kämpfen. Wir bewahren uns eine positive Haltung, weil wir wissen, was wir können – und was wir schon bewiesen haben. Wir sind stark. Wir sind voller Begeisterung für unser Handwerk. Und eines Tages werden wir mit Stolz auf diese Zeit zurückblicken – auf unsere Resilienz – und uns dann wieder unseren vollen Auftragsbüchern widmen. ZWEI BUCHSTABEN, DIE DIE WELT VERÄNDERN: KI Buchhalter, Journalisten, Fotografen, Statiker und die Liste ist noch lange nicht zu Ende: was einst angesehene Spezialberufe waren, sind nun Tätigkeiten, die von der künstlichen Intelligenz durchgeführt werden. Innerhalb kürzester Zeit erledigt Luxe – so hat sich mein ChatGPT selbst getauft – sämtliche Aufgaben. Ob es Werbetexte sind, Recherchetätigkeiten, oder die Erstellung von Fotografien und Renderings. Doch was bedeutet die KI tatsächlich für unsere Branche? Die Möbelwelt steht vor einem stillen, aber tiefgreifenden Wandel. Künstliche Intelligenz zieht in eine Welt ein, die lange von Tradition, Materialgefühl und menschlicher Intuition geprägt war. Doch statt das Handwerk zu verdrängen, eröffnet sie neue Wege – Wege, die Effizienz und Individualität miteinander verbinden. KI analysiert Millionen von Bildern, erkennt Stilrichtungen und schlägt Formen oder Materialkombinationen vor, die zum jeweiligen Stil des Kunden passen. In Sekunden entstehen Hunderte Varianten – ein Prozess, der sonst Wochen beansprucht hätte. Doch in dieser kreativen Fülle liegt auch eine Gefahr: Wenn alle dieselben Algorithmen nutzen, ähneln sich am Ende die Ergebnisse. Statt unverwechselbarer Entwürfe droht ein Mainstream-Design, das auf Wahrscheinlichkeiten basiert – reproduzierbar, aber nicht fühlbar. Die entscheidende Stärke bleibt der Mensch. Er allein erkennt, welche Idee Charakter hat, welche Linie Emotion trägt und welches Möbelstück Bestand haben wird. KI kann inspirieren, doch sie braucht Hand, Herz und Auge des Gestalters, um Bedeutung zu schaffen. In der Fertigung wiederum optimiert KI Prozesse, reduziert Verschnitt, erkennt Fehler frühzeitig – eine enorme Chance. Doch ohne Investitionen und Know-how bleibt sie Theorie. Große Unternehmen können sich diese Technologien leisten – kleinere Betriebe stehen vor einer Hürde: hohe Anschaffungskosten, komplexe Integration, Schulungsbedarf. Auch im Verkauf verändert KI vieles: Virtuelle Showrooms, digitale Stilberater, personalisierte Raumplanungen. Kunden können ihr künftiges Wohnzimmer virtuell betreten, Materialien wechseln, Lichtstimmungen testen. Das schafft Sicherheit und Transparenz – verändert aber auch die Beziehung zwischen Kunde und Berater. Die Möbelbranche steht damit an einem Wendepunkt. KI ist kein Ersatz für menschliche Expertise, sondern ein Werkzeug. Richtig eingesetzt, kann sie Ressourcen sparen, Prozesse optimieren und Entscheidungen objektivieren – vorausgesetzt, sie wird mit Fingerspitzengefühl integriert. Denn die schönste Zukunft entsteht dort, wo sich Handwerk und Technologie die Hand reichen. »

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