AprilMai2019

02.2019 | April/Mai |wohninsider.at 125 MESSEN : EVENTS Fotos: Lilly Unterrader/wohninsider, Portrait Piritta Törrö: © Piritta Törrö Kontrastiert Wie es mir heute geht? So oft, wurde ich das in jenen Tagen, die ich Anfang März in Chicago verbringen durfte, noch nie gefragt. Zugegeben, es ist schon ein bissl gewöhnungsbedürftig, die Umstellung vom grantelnden Wiener zum immer freundli- chen Chicagoer, der scheinbar alles an mir mag. „I like your earrings“, hieß es da aller- orts – ob ich welche trug oder auch nicht, war dabei fast Nebensache. Anlässlich der International Houseware Show lud die Messe Anfang März heuer erstmals wohninsider ins Land der – so sagt man – unbegrenzten Möglichkeiten. Tat- sächlich scheint hier einiges grenzenlos, wie das mannigfaltige Programm, das die EK Servicegroup liebevoll zusammenstellte, anschaulich näherbrachte. Wolkenkratzer – für die die Stadt ebenso bekannt ist, wie für die Mafia und Al Bun- dy – stehen dort Mauer an Mauer neben neugotischen Kirchen. Glamouröse Ein- kaufstempel neben Hotels in Ziegelstein- Bauweise. Ein Erlebnis für sich: der Besuch des Einkaufshauses Marshall Fields in der Lake Street. Fast hat man das Gefühl, eine Zeitreise anzutreten. Die historischen Fo- tos des traditionsreichen Touristenmagnets sind bewusst im ganzen Haus platziert. An der Decke ein beeindruckendes Mosaik. Doch damit nicht genug: Fährt man in den fünften Stock, steht man – so mag es Ci- neasten erscheinen – vor dem Restaurant des Overlook Hotel aus Stanley Kubricks Shining. Eingebettet in schweres Nussholz, mächtige Samtvorhänge rahmen die Mau- ern, knarrende Tische allerorts, die Atmo- sphäre hat einiges zu erzählen. Ebenso der Shop-Manager: Hier hätte schon sehr früh Emanzipation und innovative Bedürfnis- befriedigung stattgefunden. Ende des 19. Jahrhunderts, als es noch als unchic galt, wenn frau auswärts alleine speiste, wurden die Shopping-Trips der betuchten Ehegat- tinen nicht selten durch den aufkommen- den Hunger unterbrochen. Eine findige Sales Managerin fand Abhilfe, bot ihrer hungrigen Kundin kurzerhand – schwer gegen jegliche Hausregel – im uneinsich- tigen Nebenraum Omas Chicken Pie an. Die Idee schlug ein, was daraus entstand war das erste frauenexklusive Restaurant... Viele moderne Shopkonzepte stehen hier im Kontrast zu klas- sischen Waren- häusern, die man in unseren Breiten so nicht (mehr) findet. Freilich, die Struktur ist anders gewach- sen, wie es Jura-Chef Probst formulier- te. 50% Online-Anteil beim Business ist keine Seltenheit. Interessant, mit welchen Konzepten die Amerikaner diesem sich fortsetzenden Trend begegnen. Da gibt es auf der einen Seite Tesla-Chef Elon Musk, der zeitgleich ankündigte, sämtliche Shops weltweit schließen und nur mehr online verkaufen zu wollen. Auf der anderen Seite etwa Amazon Go: Selbst scannen, wie es hierzulande immer beliebter wird, ist da Schnee von gestern. Automatisch wird via Sensoren und Kameras erfasst, was im rea- len Warenkorb landet und die Summe wird sogleich automatisch von der Kreditkarte abgebucht. Kein Anstellen, kein Bargeld, kein Schummeln nötig – oder möglich. Mehr als interessant erscheint mir auch das Shopkonzept b8ta. Dem Schreckgespenst „Beratungsdiebstahl“ nimmt man hier den Wind aktiv aus den Segeln. Denn die Shops wollen aktiv der Beratung dienen, das Kaufen ist optional. Hier wird ausge- stellt, beraten, zum Angreifen und Erkun- den der Produkte eingeladen. Kaufen ist Nebensache. Die Shops haben keine Lager, die Angestellten nennen sich selbst bewusst nicht Verkäufer. Für die ausgestellten Pro- dukte, die regelmäßig wechseln, zahlen die Hersteller Miete. Interessantes Detail: Aus- gerechnet Macys hält daran eine Minder- heitsbeteiligung (mehr über die Shopkon- zepte in Chicago lesen Sie in wohninsider Ausgabe 3, Anfang Juli). Wo geht es also hin mit dem Handel X.0? So genau weiß das wohl niemand, aber nach aufmerksamen Wandelns durch Chi- cago und seine Messe kann man es zumin- dest erahnen... Meint Ihre Lilly Unterrader Kommentar von Lilly Unterrader nehmen, das seit nunmehr 40 Jahren in den USA mit einer eigenen Tochtergesellschaft vertreten ist, ist der US-Markt äußerst be- deutend. Riedel-Chef Maximilian Riedel sagt: „Die USA sind für uns der bei weitem wichtigste Exportmarkt, wo wir 40% un- seres Umsatzes machen.“ Man habe dort eigene Läger und einen Showroom, aber keine eigenen Geschäfte. Geschätzte 45% des lokalen Umsatzes (50 Mio. Euro in den USA) macht man Online. Zwar gäbe es viele Hybriden, wie etwa Williams Sonoma, der auch etwa 50% Online macht, die Ten- denz ist jedoch da wie dort klar. In einem Punkt unterscheidet sich der amerikani- sche Markt vom europäischen deutlich, so Riedel: „Hier spielen Hochzeitslisten noch eine große Rolle. Das gibt es bei uns fast gar nicht mehr.“ Zudem ortet auch Riedel den Trend der Trink-Experience. Mit der unlängst präsentierten Barserie – entwickelt mit einem Mixologist – betritt man äußerst erfolgreich neues Terrain. Riedel: „Kein einziger Händler, der das nicht in sein Sor- timent aufgenommen hat.“ Warum das Ge- schäft mit dem Zubehör im Möbelhandel trotzdem nicht so richtig anspringe, dafür findet er harte Worte: „Da sind die Händler selbst schuld. Man muss den Kunden Erleb- nis bieten, wir haben in diesem Zusammen- hang schon seit vielen Jahren eine Koope- ration mit Miele geschlossen.“ Noch weiter geführt hat man das Erlebnis-Konzept in Japan, wo man den ersten Wein und Glas- Shop im japanischen Ginza eröffnet hat... Die nächste Messe findet von 14.-17. März 2020, dann jedoch unter neuem Namen als die „Inspired Home Show“ amMcCormick Place, Chicago USA statt. www.housewares.org Zum 20. Mal ist Riedel bereits auf der Chicagoer Messe.

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