wohninsider April/Mai 2021

16 wohninsider.at | April/Mai | 02. 2021 KOMMENTAR Pfeifen auf alles Kennen Sie den? Der Kunde wendet sich beratungssuchend an einen Verkäufer in einem Möbelhaus, versucht eine Frage zu stellen und wird – unterbrochen! Nicht einmal, zweimal oder dreimal, sondern unentwegt. Klingt nicht unbedingt nach einem Vorgehen nach Lehrbuch oder nach Respekt, der dem Gegenüber entgegenge- bracht wird, oder oder oder – und ist ak- tuell in der Radiowerbung von XXXLutz permanent zu hören. Nervig? – Ja, wohl auch. Irritierend? – In jedem Fall. Der Branche förderlich? – Wohl kaum. Dass man Werbung einprägsam, polarisie- rend machen will oder muss, ist wohl das Thema vieler Marketing-Abteilungen und Werbeagenturen und bis zu einem gewis- sen Grad auch Anforderung. Aber wann geht der Schuss nach hinten los? Wann ist es einfach too much? Wann werden gewisse Grenzen einfach überschritten? Im Falle von XXXLutz sicherlich des öfteren, wenn man die Beschwerden beim Werberat einmal an- sieht. So geschehen auch unlängst, als eine „Beschwerdewelle, die wir nicht oft haben“, wie es Werberat-Geschäftsführerin Andrea Stoidl formuliert, einging. Gegen Mitbewer- ber Leiner und kika übrigens ebenfalls, und zwar pikanterweise in der gleichen Causa: Beide Möbelhäuser hatten mit der Phrase „Lockdown droht“ die Gemüter ordentlich erhitzt. Gleich in mehrfacher Hinsicht sei dies irritierend und „nicht sensibel“ genug, wie der Werberat befand, einerseits ange- sichts des Wordings einer „Drohung“, an- dererseits sei es auch in Zeiten einer Pan- demie fragwürdig, viele Menschen ob einer Preisaktion in ein Geschäftslokal zu locken. Zudem war auch bemerkenswert, dass bei- de Möbelhäuser mit dem exakt gleichen Wortlaut – zufällig oder nicht – auftraten. Lutz-Pressesprecher Thomas Saliger meinte dazu im Ö1 Mittagsjournal: „In der Form machen wir das nimmer. [...] Im Nachhin- ein ist es leicht zu sagen, das hätte man sich vielleicht sparen können.“ Der Werberat quittierte das mit einer Aufforderung, „in Zukunft bei der Gestaltung von Werbemaß- nahmen sensibler vorzugehen“. Den Vogel abgeschossen hat XXXLutz aber wohl mit einer Aussendung, die mich Mitte Februar als klassisches mailing per Post erreichte. Der Wortlaut des Schreibens: „Immer wieder schließen leider kleinere und größere Möbelgeschäfte in unseren Be- zirken. Einer der immer für Sie da ist, ist der XXXLutz. Seid [sic!] über 75 Jahren garantiert das österreichische Familien- unternehmen größte Auswahl und besten Preis.“ Viel schlimmer als die nicht perfekte Rechtschreibung darin ist jedoch der Hohn, der mitschwingt. Der Möbelriese, der im- mer da ist, während andere kleine Geschäf- te „leider“ schließen müssten. Geht’s noch? Wo ist wohl eine Ursache für das Sterben von kleineren inhabergeführten Geschäf- ten zu suchen, wenn nicht zu einem Gutteil bei einem der größten Möbelhäuser der Welt, das wöchentlich Unsummen in die Werbung buttert, um praktisch ausschließ- lich noch mehr und noch größere Rabatte zu bewerben. Mehr noch, ist dieses Schrei- ben auch noch eine Aufforderung, nicht bei den „Kleinen“ zu kaufen, denn „wer weiß, wie lange es die noch gibt.“ Eine schallende Ohrfeige für den Mitbewerb und eine un- glaubliche Arroganz, mit der man sich hier gibt, und wohl kaum als das zu verstehen, was man unter fairem Wettbewerb versteht. Und noch eines sei an dieser Stelle ange- merkt. Wie auch Andreas Kreutzer auf Sei- te 22 zu denken gibt, sei es für die gesamte Branche längst höchst an der Zeit, andere Motive als den Preis in den Fokus zu stel- len. Und vielleicht auf die Idee zu kom- men, Wohnen als echte Lust darzustellen, als Freude, die man sich gönnt, als Lifestyle, so wie es etwa die Wohnen&Interieur mit ihren großartig inszenierten „Lust auf...“- Plakaten vorgezeigt hat. Warum also die in den vergangenen 14 Monaten zwangs- läufig sprießende Lust am eigenen Heim sogar nehmen und sich ausschließlich in die Preisspirale zu bewegen, um darin vielleicht unterzugehen. Warum nicht hin zu einem bewussteren und liebevolleren Umgang mit Möbeln, den eigenen vier Wänden, die uns durch die Pandemie ohnehin vertrauter ge- worden sind als je zuvor. Das wünscht sich und wohl auch vielen von uns, Ihre Lilly Unterrader KOMMENTAR von Lilly Unterrader > Tägliche Top-News aus der Wohn- und Einrichtungsbranche unter www.wohninsider.at > Erhalten Sie bequem die aktuellen Top-News wöchentlich per E-Mail – melden Sie sich zu unserem kostenfreien Newsletter an : www.wohninsider.at /anmeldung/newsletter.html > Folgen Sie uns auf Facebook und Linkedin /wohninsider wohninsider online BLEIBEN SIE INFORMIERT! /Gerhard Habliczek Zur Newsletter Anmeldung Foto: privat

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