wohninsider August/September 2018

wohninsider.at 123 TRAINING : WISSEN WALTER KANDUT DER PRANGER DES 21. JAHRHUNDERTS! AM POINT OF SALE Walter Kandut ist Absolvent der HTL Vil- lach, war jeweils mehrere Jahre tatig in Kal- kulation und Verkauf einer Großtischlerei, Verkauf von exklusiven Wohnmobeln und Objekteinrichtungen im Innen- und Außen- dienst, Einkaufsleiter im Studiobereich und einem Einkaufsverband. Seit 2000 betreibt er die „agentur fur wohnen und mehr“ in Wien fur Studios und Handelsvertretungen. Foto: Walter Kandut D ie Welt und damit auch die Gesell- schaft verän- dert sich radi- kal, schneller als uns lieb ist. Die nicht mitkommen bleiben un- weigerlich auf der Strecke, so ist zumindest mein oberflächlicher Eindruck. Aber ändern wir uns wirklich, ist es nicht ein Trugbild, dem wir verfallen? „Früher“ war alles analog, jetzt ist es halt „digital“, das Prinzip bleibt aber gleich. Der Umgang mit dem vermeint- lich „Anderen“ war immer schon besorgniserregend, gegenwärtig ist es nicht besser, wenn man sich in der Welt umschaut, nur weil die Welt digital wird. Jetzt ster- ben Menschen halt mit anderen Methoden. Die digitale Revolution hat uns total verändert, wir kommuni- zieren quasi in Echtzeit mit un- terschiedlichsten Personen. Die- ser gesellschaftlichen Gruppe vertrauen wir mehr oder weni- ger blindlings. Die gebotene Vor- sicht und das Vertrauen auf die unterbewussten Gefühlen in ei- nem persönlichen Umgang ist uns quasi in der virtuellen Welt ab- handen gekommen. Ich bezweif- le, dass sich die Abgründe unserer Seele entsprechend zum positiven verändert haben. All die negati- ven Eigenschaften unserer Psyche können jetzt ohne nennenswerte Konsequenzen verbreitet und be- dauerlicherweise auch ausgelebt werden, halt nur digital. Flucht in die Online- Bewertung Da uns der persönliche Umgang mit anderen immer mehr abhan- denkommt, wir aber von unse- rem Naturell den persönlichen Kontakt benötigen, den trösten- den Zuspruch oder auch den ei- nen oder anderen Disput, flüch- ten immer mehr in die Welt der Online-Bewertung. Wenn wir ein Hotel buchen sehen wir uns die individuellen Bewertungen an, oder wenn wir uns ein neues Re- staurant suchen verlassen wir uns auf Bewertungen anderer, die wir nicht kennen. Denn unser Un- terbewusstsein kann das Visavis nicht checken, da ja der persönli- che Umgang fehlt. Dass bei diesen Kommentaren zu einem inzwischen beträchtli- chen Teil nur virtuelle Menschen, also Maschinen, dahinter stehen, ist vielen nicht bewusst. Die Algo- rithmen des Programmierers ent- scheiden, was geschrieben und verbreitet wird, und wie im wirk- lichen Leben gibt es hier auch sol- che und solche. Zwischen unsach- licher Manipulation und echter Meinung kann schwer unterschie- den werden, sowohl im guten als auch im schlechten Bereich. Der Daumen der Masse entscheidet über Leben und Tod Erschreckend sind Soziale Medi- en und Plattformen wo es bewusst um die Bewertung anderer geht. Nichts für schwache Nerven. Vor allem junge Leute suchen sich hier eine Bestätigung für ihr per- sönliches Verhalten oder auch erstrebtes Aussehen. Die Schät- zungen gehen dahin, dass bis zu einem Viertel der unter 17-Jäh- rigen solche Plattformen freiwil- lig nutzen. Bewerten kann dann jeder, der in diesen zweifelhaften Apps angemeldet ist. Da die meis- ten anonym oder unter einem Sy- nonym agieren, fallen bei vielen die Schranken eines fairen zwi- schenmenschlichen Umgangs. Labile Persönlichkeiten sind hier sehr stark gefährdet, bis hin zum ausweglosen Selbstmord. Das zur Schau stellen, im Mit- telalter der Pranger, findet hier meistens auf freiwilliger Basis statt. Wenn aber der unfreiwil- lige, virtuelle Pranger kommt, wird das ein noch größeres Pro- blem. Der Schutz der Namenlo- sigkeit zeigt hier seine Blüten. Das manchmal verharmloste Mob- bing im Freundeskreis oder in der Schule gehört auch zu dieser Sor- te. Es entsteht eine Illusion von Macht, eine vermeintliche Macht über den anderen. Wie bei den Gladiatorenkämpfen der Römer vor 2000 Jahren, der Daumen der Masse entschied über Leben und Tod. In der Einrichtungsbranche So wie es aussieht sind wir in un- serer Branche noch die Insel der Seligen. Vieles passiert noch auf der Ebene einer persönlichen Empfehlung. Wir werden uns vor der digitalen Veränderung aber nicht mehr lange wehren können. Schon jetzt gibt es viele, für die die Suche nach einem, sagen wir mal Spezialisten, eine echte He- rausforderung ist. Wenn ich kei- ne Massenware will, wo findet man den geeigneten Professionis- ten, der mein Problem löst? Auf die Straße gehen bringt keinen Erfolg, zu viele sind in den letz- ten Jahren verschwunden. Not- gedrungen weicht man dann aus und sucht im Internet, da aber eine natürliche Skepsis und ne- gative Erfahrungen vorhanden sind, sucht man nach Gleichge- sinnten oder besser nach deren Kommentaren und schon ist man in einer Situation wie oben be- schrieben. Wohin die Reise geht zeigt Chi- na, inzwischen der digitale Vor- reiter, wo alles und jeder bewer- tet wird. Darauf sollten wir uns rechtzeitig einstellen, wenn das zu uns kommt. Gut für alle „Su- chende“, dann hat man ein zent- rales Register mit all den kleinen Fehlern und Marotten jedes ein- zelnen, privat oder Firma. Der Mensch wird dann wie eine Ma- schine beurteilt. Dass dann Ma- schinen besser abschneiden, weil sie länger als 12 Stunden arbeiten können oder leistungsfähiger sind und dadurch eine andere Bewer- tung bekommen muss uns klar sein. Wer diesen Druck und digitalen Pranger nicht aushält, was ge- schieht mit dem? Spätestens wenn wir Politiker bewerten wird es eine gesetzliche Regelung geben, wenn es dann nicht schon zu spät ist. Wir hätten es in der Hand, mit unserem Verhalten gegenzu- steuern, berücksichtigen wir die Achtsamkeit. wk@agentur-kandut.at

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