wohninsider August-September 2019

04.2019 | August/September |wohninsider.at 129 AM POINT OF SALE WALTER KANDUT Das fehlende Personal der Zukunft! Foto: © Kandut Walter Kandut betreibt gemein- sam mit seiner Frau Elisabeth die „agentur für wohnen und mehr“ in Wien. Seine Handelsagentur mit Schwerpunkt auf Service und Kompetenz für den exklusiven Möbel- und Objektfachhandel baut auf über 30-jährige Erfahrung im Verkauf und als Agentur. N eben der Klima- krise haben wir in den nächsten Jahren eine wei- tere gravierende Herausforderung zu bewältigen. Die Überalterung der westli- chen Gesellschaft und die Folgen durch fehlendes Personal. In den nächsten Jahren gehen schät- zungsweise 40 Prozent der Hand- werker und letztendlich auch des Verkaufspersonals in Pension, so- fern sie nicht angehalten werden weiterzuarbeiten. Wenn sie schon mal versucht haben geeignetes (abgesehen vom guten) Personal zu finden, werden sie ein Lied davon sin- gen können. Quer durchs Land das gleiche Bild – im Westen vielleicht noch etwas besser, im Osten ist es mehr oder weniger ganz schlimm, obwohl die offi- zielle Arbeitslosenstatistik was anderes zeigt. Personalman- gel erzeugt einen ungünstigen Druck auf das bestehende Perso- nal mehr zu arbeiten als üblich. Die allgemeine Unzufriedenheit wächst dadurch, das spricht sich herum und man geht lieber in andere Branchen wo es (schein- bar) besser ist. Diese Thematik ist umfassend, ein Teufelskreis, der sich mit herkömmlichem Denkmuster nicht mehr lösen lässt. Neue Ideen, neue Anreize müs- sen geschaffen werden. Schön langsam zeichnet sich immer mehr eine Trendwende ab – zu- mindest in unserer Branche, wo Kreativität und umfassendes All- gemeinwissen gefragt sind. Wir müssen versuchen die absolute Leidenschaft und Freude zu unse- rer Brache, zu unseren Berufen zu wecken, erst dann werden wir wirklich mehr Zugänge als Ab- gänge haben. Kreativität ist gefragt Früher war der Arbeitnehmer „Bittsteller“, jetzt hat sich das Blatt gewandelt. Wenn begab- tes Personal benötigt wird, muss man schon sehr kreativ werden und neue Wege der Personalsu- che beschreiten, um überhaupt Personal zu finden. Die Entwick- lung der letzten Jahre zeigt, dass sich immer mehr alteingesessene Möbelhändler auf die eigene Person reduzieren oder aufgeben und zusperren. China ist und wäre hier kein Allheilmittel, das müssen wir schon selbst vor Ort hinbekommen. In manchen Ge- bieten ist es jetzt schon eine echte Herausforderung, Handwerker zu bekommen. Wartezeiten von Monaten sind keine Seltenheit, falls Sie überhaupt wen finden. Wenn Sie diese Situation nicht kennen, sind Sie auf einer Insel der Seligen. Der allgemeine Eindruck ist, dass vor allem junges Personal nur 20-25 Stunden pro Woche arbeiten will und nicht am Frei- tag und Samstag. Der Verdienst ist Nebensache, die persönliche Freizeit, das gute Leben und der intensive Kontakt mit Freunden ist wesentlich wichtiger, dies höre ich immer wieder. Zeichnet sich hier ein Gegentrend zu den ver- einsamenden Social Media Kon- takten ab? Keine fixen Öffnungszeiten Natürlich gibt es auch bei der Jugend ausgezeichnetes Personal, das effizienter und produktiver arbeitet als die Etablierten. In der Summe werden es zu wenige sein, wenn sich nicht die Einstellung ändert. Die logische Konsequenz daraus: Immer öfter gibt es keine fixen Öffnungszeiten mehr, schon jetzt haben einige Möbelhändler Samstag geschlossen. Das ist auch ein Grund warum vor allem große Unternehmen verstärkt auf den Onlinehandel setzen, man kann dadurch das fehlende Personal ausgleichen oder sogar ersetzen. Der Kunde geht durch die Ausstellung, kann dann in jeder Koje an einem Terminal seine Bestellung selbst schreiben (wie im Onlinehan- del), gezahlt wird per Kredit- karte oder an der Kassa. Die bisher vorhandene Individualität wird leider noch mehr leiden, ein Einheitsbrei, zumindest für den Großteil der Menschen, wird entstehen, eine Herausforderung auch für Raumplaner und Archi- tekten, geeignete Räumlichkei- ten zu kreieren. Selbstständige Interieur Designer werden einen enormen Zuwachs bekommen, aber die zweite Seite der Medail- le ist zu beachten, es werden sich immer weniger diese leisten kön- nen. Richtig teuer werden aber dann die Notdienste (z.B. Auf- sperrdienste oder Installateure bei einem Wasserrohrbruch), man wird sich den Personal- mangel sehr, sehr teuer abgelten lassen. Für den Möbelhandel bedeutet dies, dass Personal das in HTLs und Einrichtungsschulen aus- gebildet wurde, für den Gesamt- bedarf nicht ausreicht. Da die Branche viel zu wenig selbst ausbildet, wird die Zukunft von sogenannten Quereinsteigern oder Branchenfremden abhän- gen. Einen Lichtblick gibt es allerdings: Waren noch vor 20 Jahren überwiegend Männer im (Möbel-)Verkauf, so haben die Frauen inzwischen massiv auf- geholt und zählen inzwischen zu den besten in der Branche, da sehen manche M nner „alt“ aus. Es bleibt uns nichts anders übrig, wir müssen auf Teufel komm raus rationalisieren und unsere Produktivität laufend und vor allem gewaltig steigern, sofern dies noch möglich ist. Oder wir nutzen Maschinen mit künst- licher Intelligenz, mit allen den Vor- und Nachteilen. Nach dem Motto „die Geister, die ich rief, werde ich nicht mehr los“. Die Alternative ist, wir überden- ken unser gesellschaftliches Bild, verabschieden uns vom ständigen Wachstum (was im Übrigen auch der Umwelt guttun würde) und entwickeln neue Gesellschafts- modelle. So oder so, diese He- rausforderung ist und wird ein- schneidend sein. www.agentur-kandut.at

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