August-September 2021

04. 2021 | August/September |wohninsider.at 123 AM POINT OF SALE Foto: © Kandut „Endlich ein Sommerloch“ – solche ußerungen habe ich in den letzten Tagen des Öfteren gehört. Die vergangenen Monate waren für viele sehr heftig, für manche zu viel. Eine zwiegespal- tene Situation: auf der einen Seite übervolle Auftragsbücher und auf der anderen Seite viel zu wenig Personal um alles abzuarbeiten. Schon seit Jahren haben ich und viele andere von dem Wegbre- chen der „Mitte“ gewarnt oder darauf hingewiesen. Jetzt wo die Situation eingetreten ist, ist der Katzenjammer groß. Weder die öffentliche Hand noch die Stan- desvertretungen haben dagegen Konzepte entwickelt (zumindest sind keine erkennbar). Jeder ist auf sich alleine gestellt und muss zusehen wie er zurechtkommt, dabei wäre ein gemeinsames Vor- gehen das Gebot der Stunde. Wo bleiben gute hand- werkliche Fachkräfte? Neben einer nicht zu stoppenden Pandemie brechen solche gesell- schaftlichen Fehlentwicklungen und eigene Versäumnisse mit einer Wucht zu Tage, wie es sich die wenigsten vorstellen konnten. Das allerschlimmste ist aber das in allen Bereichen fehlende Personal. Gute handwerkliche Fachkräfte werden die Spitzenverdiener der nächsten Jahre sein. Das Prob- lem ist nur woher nehmen. Auf der einen Seite ist die notwendi- ge Ausbildungsoffensive, von der Politik immer wieder angekün- digt, schlichtweg ausgeblieben, auf der anderen Seite haben sich Klein- und Kleinstunternehmen auf andere verlassen und gehofft, der Markt wird es schon regeln. Den Kopf in den Sand stecken war noch nie gut. Die bevorste- hende Pensionswelle wird die Sa- che leider noch verschlimmern. Neben dem Kampf um erforder- liche Ressourcen, wird es einen Kampf ums verfügbare Personal geben. Neid und Missgunst, vor allem durch offene oder indirekte Abwerbungen, werden noch zu- sätzlich Öl ins Feuer gießen. Geld alleine, sprich höchstbezahlte Jobs, wird nicht reichen. Andere Werte sind gefragt: So errichten Hotels oder Gastronomen inzwi- schen „Luxuswohnungen“ für die Mitarbeiter. Fragen wie Sinnhaf- tigkeit und authentische Werte, Vernetzung, Transparenz oder Selbstbestimmung werden ein wichtiger Bestandteil sein. Es geht um die Kohle Ehrlich gesagt, regelt der Markt nur die Gewinnmaximierung. Unsere Gesellschaft, unsere Unternehmenskultur hat sich von LEISTUNG zum ERFOLG verändert. Es ist nicht wichtig welche Leistung ich für die Allge- meinheit, für den Markt, für das Unternehmen oder auch für die Familie erbringe. Es geht schlicht- weg nur mehr darum, was ich ver- diene. Was schaut unterm Strich für mich heraus, welchen Gewinn erziele ich? Krasses Beispiel ist die Entwicklung am Finanzmarkt. Spekulationen treiben die Preise unverhältnismäßig in die Höhe, zusätzlich zu den bekannten Lie- ferschwierigkeiten, nur um den Gewinn der Stakeholder zu maxi- mieren. Wer das bezahlen soll ist zuerst einmal unwichtig. Eine Geisteshaltung die sich breit gemacht hat, allgegenwärtig sichtbar im unverblümten Posten- schacher der Politik und das ohne schlechtes Gewissen. Weite Krei- se der Bevölkerung sind wegen der anhaltenden Covid-19 Situa- tion und den mitunter massiven Lieferverzögerungen gereizt, reagieren unverhältnismäßig bis unverschämt. Verstärkt durch die Sozialen Medien sind Egoisten und offensichtliche Selbstdarstel- ler absolut im Vormarsch. Eine Entwicklung die nichts Gutes ver- heißt, für alle Seiten. Es kommt noch dicker Dabei haben wir noch viel grö- ßere Herausforderungen vor uns: Wer nach diesem Sommer immer noch glaubt es gibt keine Kli- makrise, der ist schlichtweg ein Realitätsverweigerer. Der aktu- elle IPCC (Weltklimarat) Bericht hat dies sehr deutlich gezeigt. Der notwendige gesellschaftliche Umbruch und die zwingend er- forderliche nderung unseres Kaufverhaltens muss in einer Ge- schwindigkeit erfolgen, die sehr viele überfordern wird. Wenn wir das nicht mit unserer gesamten Kraft durchziehen, werden wir und die nächsten Generationen, also unsere Kinder und Enkel, die Suppe auslöffeln müssen und diese wird sehr salzig sein. Schon jetzt sehen sich viele Ju- gendliche nicht an den Gene- rationsvertrag gebunden, die Finanzierung unserer Pensionen wird deshalb immer schwieriger. Warum sollen sie unseren Ru- hestand finanzieren, wenn wir über unsere Verhältnisse gelebt haben und ihnen das Leben auf der Erde extrem verschlechtert haben? Diejenigen die privat Vorsorge treffen konnten wird es weniger stören, wie immer werden es dann die unteren (und jetzt mittleren) Einkommens- schichten zu spüren bekommen. Eine absurde Situation, diese 15- 20 % verursachen doppelt so viel Umweltzerstörung (pro Kopf ge- rechnet) wie der Rest. Wenn die Wirtschaft glaubt, die Verände- rung geht ohne Verzicht, nur mit Technologie, dann sind es die, die schon vorgesorgt haben. Bis geeignete Technologien massen- tauglich sind werden Jahrzehnte vergehen, bis dahin werden un- zählige Wetterkapriolen Verwüs- tung, Zerstörung und vor allem den bitteren Verlust von Men- schenleben bringen. Unsere Branche Der österreichische Möbelhandel und die österreichischen Pro- duzenten können aus der Not eine Tugend machen. Radikale Neuordnung der Wertschöp- fungsnetzwerke würden die ver- lorengegangene Jugend wieder mit ins Boot holen, also junges Personal bringen, würde den vorherrschenden „Cocooning“- Effekt nachhaltig beeinflussen bzw. lenken. Es muss eine ge- wisse Vorbildwirkung mit einem eindeutigen Lenkungseffekt ent- stehen. Wenn dies mit Verstand und mit Herzblut erfolgt wird, ist es schon der halbe Weg. Gerade in unserem Land ist genügend Vermögen vorhanden, um diese zwingende Umwälzung voran- zutreiben. Das Wissen und die Kompetenz sind vorhanden, set- zen wir es entsprechend ein und gemeinsam mit der jungen Gene- ration um. www.agentur-kandut.at WALTER KANDUT Sommerloch oder Ruhe vor dem Sturm Walter Kandut betreibt gemein- sam mit seiner Frau Elisabeth die „agentur für wohnen und mehr“ in Wien. Seine Handelsagentur mit Schwerpunkt auf Service und Kompetenz für den exklusiven Möbel- und Objektfachhandel baut auf über 30-jährige Erfahrung im Verkauf und als Agentur.

RkJQdWJsaXNoZXIy NDA0NA==