Dezember 2020 / Jänner 2021
112 wohninsider.at |Dezember/Jänner | 06.2020 AM POINT OF SALE D ie Möbelbran- che hat ein he- rausforderndes und bewegtes Jahr 2020 hin- ter sich und zählt zweifelsohne zu den „Gewinnern“ der andau- ernden Krise. Quer durch die Bank melden die meisten Unter- nehmen Rekordumsätze, in allen Preislagen, zumindest in Öster- reich. Oberflächlich betrachtet könnte man sagen, der Branche tut ein Lockdown gut, leider ist die ganze Angelegenheit zu kom- plex für eine kurze Kolumne. Trotzdem bin ich besorgt, wenn ich in die Zukunft schaue. Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille. Durch den anhalten- den Kaufrausch steigt zwangs- läufig auch die Wegwerf-Men- talität. Möbel sind teilweise so billig, dass sie nach einer (kur- zen) Zeit einfach weggeworfen werden, um neue zu kaufen. Wie wir es auch von anderen Bran- chen schon leidvoll kennen. Die sogenannten „Sollbruchstelle“ hält auch bei Möbeln Einzug. Das ist keineswegs nachhaltig und geht auf Kosten der weltwei- ten Ressourcen. Der Billig-Preis- Sektor macht hierbei den größ- ten Teil des gesamten Volumens aus. Angefeuert durch den schon fast verbitterten Kampf der in- zwischen Nummer 2 der Welt unbedingt Nummer 1 zu wer- den. Zum erwarteten Wohle der Investoren, zum Leid der ausge- beuteten Umwelt und langfristig auch der Menschheit. Kurzzeiti- ge Trends auch bei Möbeln an- zuwenden ist eine zu hinterfra- gende Entwicklung. Die daraus entstehende Massenproduktion geht auf Kosten unseres einzigen Planeten Erde und somit lang- fristig auf unsere Kosten. Earth Overshoot Day Am 21. Dezember 1971 hat die Menschheit zum ersten Mal mehr Rohstoffe verbraucht als in diesem Jahr erneuerbar ver- fügbar. Der Erdüberlastungstag 2020 (Earth Overshoot Day) ist auf den 22. August gefallen – der Tag an dem unsere Nachfrage nach ökologischen Ressourcen die Menge übersteigt, die die Erde in diesem Jahr regenerieren kann. Wirtschaftliche Einbußen durch die Pandemie haben den Tag zwar um etwa einen Monat nach hinten verschoben, den- noch haben wir ab diesem Tag an mehr Ressourcen verbraucht, als global zur Verfügung standen. Daraus folgt, wenn wir den welt- weiten Ressourcenverbrauch auf dem jetzigen Niveau belassen, dann benötigen wir mindestens 1,3 Planeten. Und da sind der Hunger der Entwicklungs- und Schwellenstaaten nach unserem Lebensstandard noch nicht ein- gerechnet, dann bräuchten wir 2,5 - 3 Erd-Planeten. Wie kann das gehen? Die Verlagerung der Einkäufe ins Internet findet in unserer Branche nur zögerlich statt. Eines sollte uns aber zu denken geben. Im Internet greifen keine langen Texte oder Erklärungen, hier zählt einzig und allein der Preis. Der vermeintliche %-Vor- teil den man über diesen Kanal erhält, scheint ausschlaggebend zu sein. Das zeigt sich auch bei den derzeit vermehrt stattfin- denden digitalen Aktionen (oder Online-Messen). Wie animiere ich die potenziellen Kunden, wie locke ich die Masse hinterm Kü- chentisch hervor? Meist durch kurzfristige Aktionen, durch oberflächliche Preisangebote durch vermeintliche Schnäpp- chen. Das lenkt ab und verschlei- ert das grundsätzliche Problem. Ausschlaggebend ist die breite Masse Es gibt zwar immer mehr gesell- schaftliche Gruppen, die diese Entwicklung hinterfragen, die auch unsere Zukunft im Auge haben, die vermehrt nachhaltig denken, aber ausschlaggebend ist die breite Masse. Es geht auch anders. Langlebige Möbel, hand- werklich in der Region oder zu- mindest in Europa produziert, haben vielleicht noch mehr von der aktuellen Entwicklung profi- tiert als andere. Es zeigt sich auch der absolute „Trend“ nach sicht- barer Qualität, vorausgesetzter Langlebigkeit und nach natürli- chen und regionalen Materialien. Zu groß und zu wichtig sind hier die Vermeidung von verbreiteter Wegwerf-Mentalität und damit verbundenen Verschwendung von natürlichen Materialien. Unser Ressourcen-Verbrauch darf die in der Natur vorhande- nen Möglichkeiten nicht über- steigen. Wenn wir dieses Ziel im Auge behalten dann sind wir auf dem richtigen Weg. Ein wichtiger Bereich ist die „Gier“ in unserer Gesellschaft, sowohl im Kleinen als auch im Großen. Das zeigt sich deutlich in den durch die Decke gehenden Aktienkursen. Der Dow Jones hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht, in Europa haben sich die Werte nur „verdoppelt“. Auf welche Kosten? Wer zahlt diesen Aufschwung? Der Faktor Arbeit hat sich aber nur gering- fügig erhöht, die Krise 2020 noch gar nicht mitberücksichtigt. Das vorhandene Kapital könnte sinn- voll für die Investitionen, in die gewinnbringende Nachhaltigkeit für die Gesellschaft verwendet werden. 2020 hat bei manchen ein Umdenken gebracht. Es sind schon einige Ansätze zu erken- nen, eine Wende ist erkennbar, hoffentlich bleibt es 2021 bei dieser Entwicklung. Qualität und hochwertige Möbel bilden den Gegenpol zum Massenprodukt. Es wäre schön, wenn sich dieser Anteil in Zukunft erhöhen würde. Ein Jahr harter Arbeit, aber ich hoffe auch dennoch eine Zeit mit vielen schönen Momenten mit Fokus auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben, geht mit einer stimmungsvollen und besinn- lichen Adventzeit zu Ende. Das wünsche ich Ihnen zumindest. Der soziale Halt, trotz physischer Distanz, gab meiner Familie und mir vor allem ein Gefühl einer nachhaltigen Verbundenheit, Zuversicht und Rückbesinnung auf das Wesentliche. In diesem Sinne bedanke ich mich, ganz herzlich, für Ihre Treue und wünsche Ihnen ein besinnliches Weihnachtsfest, einen guten Neustart und Gesundheit sowie viel Kraft für 2021. WALTER KANDUT Nachhaltige Möbelbranche? Foto: © Kandut Walter Kandut betreibt gemein- sam mit seiner Frau Elisabeth die „agentur für wohnen und mehr“ in Wien. Seine Handelsagentur mit Schwerpunkt auf Service und Kompetenz für den exklusiven Möbel- und Objektfachhandel baut auf über 30-jährige Erfahrung im Verkauf und als Agentur.
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