Dezember 2021/Jänner 2022

06. 2021 |Dezember/Jänner |wohninsider.at 105 AM POINT OF SALE V or einem Jahr habe ich hier eine Kolumne geschrieben mit der Hoffnung, dass wir aus der Gegenwart lernen, umdenken und mehr an Miteinander und Nachhaltigkeit für die Zukunft mitnehmen. Wenn ich mich so in Branche und Gesellschaft um- schaue, muss ich leider feststellen, es hat sich wenig verändert, viel- leicht sogar verschlechtert. Vordergründing ist alles bestens, die Umsätze im Möbelhandel sind so gut wie nie zuvor. Auf den zweiten Blick sind aber eini- ge riesige Baustellen sichtbar wie z.B. die eklatante Personalsitua- tion oder die außerordentlichen Preissteigerungen der Zulieferer, verursacht mitunter auch durch schonungslose Spekulation. Eine Mentalität „mein Gewinn, meine Meinung steht über alles“, auf Kosten anderer, hat sich breit gemacht, gefühlt mehr als in der Vergangenheit. Wenn wir mit einer Pandemie gesellschaftlich nicht zurecht- kommen, die im Verhältnis noch ein kleineres Problem zu den Auswirkungen einer beginnen- den Klimakrise ist, dann sind wir nicht lernfähig, vor allem nicht zukunftsorientiert. Die Gesell- schaft ist immer nur die Summe aus allen Individuen. Wenn wir keine Kompromisse eingehen, nicht mehr Rücksicht aufeinan- der nehmen, wenn wir immer nur auf den eigenen Vorteil be- dacht sind, wird ein solidarisches Zusammenleben leider nicht funktionieren. Kleinere, „regionalere“ Messen verlieren an Bedeutung und wer- den immer weniger bespielt. Für die bedeutenden Marken ist inter- nationales Image das Maß aller Dinge. Diese haben immer schon ein Problem mit den „Kleinen“ gehabt. 2021 hat sich das weiter fortgesetzt. Ein gutes Beispiel dafür ist die derzeit höchst prob- lematische Situation der großen Möbelmessen. Die „Supersalone“ Mailand war für alle, die in der Stadt einen Schauraum hatten, ein Erfolg, der Messe selbst hat die Veranstaltung eher geschadet. Kurze Wege Die Hoffnung, dass durch eine Krise eine notwendige Trend- umkehr, mehr zu Regionalität, eingeleitet wird, ist derzeit nicht sichtbar. Einer der Schlüssel für die Zukunft liegt aber auch in der Schaffung neuer Kommunika- tionsstrukturen zwischen Händ- ler bzw. Kunden und Hersteller. Ich denke, eine Messe mit einer Ausrichtung auf regionalere Be- reiche ist ein wichtiger Beitrag dazu. Nicht weltweit gleich- geschaltete Trends, wie bisher, sind wichtig, sondern kleinere Produktionen und Ausstellungen vor Ort, wo kürzere Wege zwi- schen Produzenten, Händler und Konsumenten entstehen, sind ausschlaggebend für die Zukunft. Genau hier liegt der riesengroße Vorteil der kleineren Marken aus der Region. Schon jetzt sind sie weitaus erfolgreicher, haben vielleicht nicht so einen Namen, machen aber den Umsatz, den die anderen gerne hätten. Ein dazu erforderliches Um- denken, dass noch nicht in allen Chefetagen angekommen ist, wird auch im nachhaltigen Um- gang mit unserer Natur notwen- dig sein. Nur abwarten und dann zu reagieren wird für viele leider zu spät sein. In der Wirtschaft ist immer noch die Meinung weit verbreitet, dass das brennendste Problem der Zukunft, die Klima- krise, ausschließlich durch Inno- vation zu bewältigen ist. Das wird leider viel zu lange dauern, die Jugend (die zukünftigen Käufer) wird uns abspringen. Ein Um- denken muss jetzt stattfinden, das bedeutet auch sein Verhalten der Umwelt und dem „Anderen“ gegenüber zu ändern. Wir haben keine Zeit, auf Zeit zu spielen. Dieser Lernprozess kann und muss auch Verzicht auf bisheriges Verhalten bedeuten, aber nicht Verzicht auf Lebensqualität. Ver- lassen wir die Komfortzone und begeben uns in eine spannende „mit der Natur Zone“. Wohin soll die Reise gehen? Wir müssen Visionen im Kopf entwickeln, damit wir überhaupt wissen, wohin die Reise gehen soll. Ohne einen konkreten Plan wird jeder Gegenwind zum Or- kan, und wir sehen kein Ziel. Das zwangsläufige „Verirren“ ist dann unvermeidbar. Das aber nicht alle Kunden oder Partner diesen Weg mitgehen können oder wol- len liegt auch auf der Hand. Der Boom im Wohnungsbau ist weiterhin ungebrochen, wird auch 2022 anhalten. Das ist ein gutes Vorzeichen für unse- re Branche. Wohnen allgemein hat einen ungebrochenen hohen Stellenwert in weiten Teilen der Bevölkerung. Wir dürfen aber die Gewitterwolken am Horizont nicht auf die leichte Schulter nehmen. Eine Überhitzung des Marktes wird von vielen Ökono- men vorhergesagt. Das würde na- türlich auch große Auswirkungen auf unsere Branche haben. Auch wenn ein reinigendes Gewitter immer für gut befunden wird, die einschlagenden Blitze werden trotzdem Spuren hinterlassen. Wenn ich also keinen Blitzablei- ter habe, bin ich gefährdet. Preissteigerungen bewältigen Eine der größten Herausfor- derungen der Branche für das nächste Jahr wird aber sein, die durchaus massiven Preissteige- rungen der Materialien zu be- wältigen oder auszugleichen. Die daraus entstandene spürbare Auswirkung auf die Kunden- struktur im Handel ist jetzt schon bemerkbar. Jeder ist herausgefor- dert, diese Situation nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Eine ständige und immer kurzfristigere Anpassung wird uns leider nicht erspart bleiben. Wenn ich einmal den Zugang zum Kundenkreis verloren habe, ist es schwierig, wieder den Anschluss zu finden. Der vierte Lockdown zehrt schon sehr an unseren Nerven. Ver- nachlässigen wir aber nicht die beschauliche und stimmungsvolle Vorweihnachtszeit, auch wenn sie heuer wieder nur im kleinen Rahmen oder im engsten Fami- lienkreis möglich ist. Vergessen Sie nicht: „WIR“ schaffen das. In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Treue und wünsche Ih- nen ein besinnliches Weihnachts- fest und viel Inspiration für neue Ideen im Jahr 2022. www.agentur-kandut.at Foto: © Kandut WALTER KANDUT SIND WIR LERNFÄHIG? Walter Kandut betreibt gemein- sam mit seiner Frau Elisabeth die „agentur für wohnen und mehr“ in Wien. Seine Handelsagentur mit Schwerpunkt auf Service und Kompetenz für den exklusiven Möbel- und Objektfachhandel baut auf über 30-jährige Erfahrung im Verkauf und als Agentur.

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