wohninsider Februar/März 2021

20 wohninsider.at | Februar/März| 01. 2021 BRANCHENTALK hat sich in die Fänge der Großfläche begeben und es wird kaum noch in Publikumswerbung investiert.“ Die Nachfrage nach Fast-Moving- Gütern wird aktiv emotional stimuliert, auch die Automobil-Branche mache etwa Lust aufs Fahren, bei Wohnen und Einrichten laufe alles hingegen über Preisaktionen. „Die Ein- richtungsbranche ist zu weiten Teilen jetzt dort, wo der Lebensmittelhandel in den 80er- Jahren war.“ Wie sieht es aus mit dem Online- Handel? Kreutzer schickt voraus: „Hierbei ist wichtig, dass man festhält, dass Click & Collect nicht zum Distanzhandel gerechnet werden darf. Denn ein wesentlicher Punkt – nämlich die Zustellung, und die damit im Reklamationsfall verbundene Rücksendung – wird hierbei nicht erfüllt.“ Betrachtet man unter diesen Voraus- setzungen die Zahlen, ergibt sich für das Jahr 2019 ein Anteil in Sachen Online-Handel von 9,6 % oder 6,5 Mrd. Euro. Einbezogen sind da alle einzelhandelsrelevanten Ausgaben ohne KFZ, aber inklusive Lebensmittel. Für das abgelaufene Jahr 2020 dürfte dieser Anteil den Prognosen zufolge auf 12 % angewachsen sein, wobei hier hauptsächlich die Big Player à la Amazon, Zalando und Konsorten profi- tieren konnten, ist sich Kreutzer sicher. Die UNITO-Gruppe gar meldete im Vorjahr ein Plus von 66 % in Sachen Distanzhandel. Die heimischen Anbieter, die jetzt auch schnell einen Webshop aufgebaut hätten, sehen al- lerdings nach seiner Analyse kaum etwas von dem neu aufgeteilten Kuchen. Und wie geht es weiter mit der Entwicklung? Kreutzer: „Ich denke nicht, dass das Wachs- tum im Distanzhandel so weitergeht. Wenn die Geschäfte wieder offen haben, werden die Anteile wieder sinken, weil dieses hohe Niveau nicht gehalten werden kann. Vermut- lich würde es dann erst im Folgejahr wieder zweistellig wachsen.“ Nachsatz: „Das ist aber alles sehr spekulativ!“ Denn, so Kreutzer, würde die Regierung die Geschäfte in Öster- reich bis Ostern geschlossen halten (Anm. der Red.: zu Redaktionsschluss war ein Übergang von einem harten in einen soften Lockdown ab dem 8. Februar unter strengen Vorgaben beschlossen worden) , könnte sich der Trend zum Distanzhandel schon verfestigen. Blick nach vorne Weil es „grundlegende Verwerfungen“ in den Branchen gab und gibt und die Wahrneh- mungen extrem unterschiedlich sind, gestal- ten sich Prognosen für die Zukunft zum jetzi- gen Zeitpunkt sehr schwierig. Kreutzer: „Was uns das Jahr 2020 jedenfalls gezeigt hat, ist, dass es den Euro nur einmal zum Ausgeben gibt. Und der wandert eben nicht nur zwi- schen Marken oder Produkten, sondern auch zwischen Branchen.“ So würde heuer bis Juni vermutlich das Thema Neuwagen-Zulassung aufgrund der neu gestalteten NOVA sicher- lich noch einen extremen Zulauf haben. Auf die allgemeine Wirtschaftslage gemünzt: „Derzeit ist die Arbeitslosigkeit noch in einem gewissen Rahmen, die Kurzarbeit hat einiges abgefangen. Aber wenn man etwa wirklich, wie von einigen gefordert worden war, daran denkt, die gesamte Wirtschaft runterzufahren und etwa auch Fabriken schließen würde, hätte das mit Sicherheit fatale Folgen. Denn damit würden gesamte Lieferketten unter- brochen, mittelfristig Verträge gekündigt und der Arbeitsmarkt würde wohl komplett zusammenbrechen. Schlussfolgernd fehlten dann die privaten Haushaltsausgaben noch mehr … und auch eine Pleitewelle nachdem die Stundungen auslaufen, ist zu erwarten.“ In Summe ist die derzeitige Situation eine sehr schwierige, weil wirtschaftliche Faktoren auf ethische prallten. Während aktuell alles darauf ausgerichtet ist, jedes Leben zu be- wahren und zu verlängern, werde man sich in Zukunft sicher die Frage stellen, wie weit man hier gehen kann und darf. In „normalen Zei- ten“ hat das Retten von Leben keine negativen wirtschaftlichen Folgen. Doch das sähe nun eben ganz anders aus. Die wirtschaftlichen Restriktionen zur Eindämmung der Covid- Pandemie führten zu einem hohen Kollateral- schaden. Angefangen bei den wirtschaftlichen Folgen für das Land und den Wohlstand der Bevölkerung bis hin zur psychischen und damit wohl auch physischen Gesundheit. Auch einen weiteren Punkt lässt Kreutzer in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt: Die Alterspyramide steht seit Jahren quasi auf dem Kopf. Während 1900 die Lebenserwartung bei etwa 35-38 Jahren lag, liegt sie aktuell bei über 80 Jahren. Kreutzer: „Und wenn man sich die Steuergeld-Flüsse ansieht, muss man ana- lysieren, dass dem Staat ein Pensionist derzeit fast doppelt so viel wert ist, wie ein Kind oder Schüler.“ Ein Punkt, der mit Sicherheit auch in Zukunft zu hinterfragen sein wird. www.branchenradar.com „Ich denke nicht, dass das Wachstum im Distanzhandel so weitergeht. Wenn die Geschäfte wieder offen haben, werden die Anteile wieder sinken, weil dieses hohe Niveau nicht gehalten werden kann. Vermutlich würde es dann erst im Folgejahr wieder zweistellig wachsen.“ Die Maske ist allgegenwärtig... Fotos: David Bohmann, Lilly Unterrader/wohninsider

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