Februar-März 2020
01.2020 | Februar/März |wohninsider.at 107 AM POINT OF SALE WALTER KANDUT Image einer vermeintlich angeschlagenen Messe Köln Foto: © Kandut Walter Kandut betreibt gemein- sam mit seiner Frau Elisabeth die „agentur für wohnen und mehr“ in Wien. Seine Handelsagentur mit Schwerpunkt auf Service und Kompetenz für den exklusiven Möbel- und Objektfachhandel baut auf über 30-jährige Erfahrung im Verkauf und als Agentur. Z uerst einmal die offiziellen Besu- cherzahlen, einige tausend mehr als das Jahr davor, obwohl kein Küchenjahr war. Die größten Zuwächse brachten die angrenzenden Staaten wie Schweiz, Niederlande und Bel- gien. Soweit alles recht und gut, man könnte aber auch sagen, ein paar Länder haben es verstanden um was es geht. International be- deutet in Köln eindeutig Europa. Das Schielen nach anderen Kon- tinenten steht sichtbar nicht mehr im Vordergrund. Gut für uns, wir können uns gezielt auf unseren Markt konzentrieren. Wollen wir Party? Die zweitgrößte europäische Möbelmesse kämpft an mehre- ren Fronten und auch mit ihrem vermeintlichen Image. Vor allem wir Österreicher raunzen gerne, es ist ja nichts los, es sind im- mer weniger Aussteller, es sind viele Flächen nicht bespielt und es ist im Norden im Jänner ein- fach feucht und kalt. Hallo um was geht es hier eigentlich? An- scheinend sind Möbel auf einer der größten Möbelmessen nicht das Wichtigste. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass die Messe in Köln ein eindeutiges Thema der „Möbel“ ist und im Vergleich zu Mailand keine oberflächliche Inszenierung und keine Massen- hysterie. Wenn man die absoluten Besucherzahlen vergleicht wird einem klar was die Möbelhändler wollen – Party, oder? Massenware Wovon reden wir eigentlich? Vor drei Jahrzehnten war die Messe für 100 % des Marktes zuständig, also auch für die heutige Massen- ware. Jetzt reden wir von ca. 20 % des Marktes und nicht mehr. Manche Regionen haben noch einen größeren Anteil aber diese Entwicklung ist überall zu sehen, mit unterschiedlichen Geschwin- digkeiten. Die Talsohle ist aber aus meiner Sicht schon erreicht. Der Anteil der Käufer, die eine umfassende Beratung und einen angenehmen persönlichen Kon- takt zu dem kompetenten Planer oder kreativen Architekten haben wollen, wird sich nicht mehr gra- vierend ändern. Für dieses Fünf- tel sind für die Möbelhändler eh noch sehr viele Hersteller präsent. Welcher exklusive Händler hat Platz in seinem Laden für hun- derte Produzenten? Eine eindeu- tige Spezialisierung ist das Thema der Stunde. Die IMM bietet hier eine der besten Möglichkeiten für so eine Auswahl. Zugeschnit- ten auf den (mittel)europäischen Raum mit seiner Entwicklung, seiner Art einzurichten. Aber eines muss man auch sagen, die- ser Stil war die letzten Jahrzehnte dem weltweiten Markt das Vor- bild schlechthin. Es ist schon paradox ... wir fah- ren nicht zur Messe, kaufen da- durch auch nichts ein, regen uns aber auf, wenn dadurch Herstel- ler verschwinden oder sich einem anderen Segment, dem Massen- markt zuwenden. Genauso wie im Handel immer mehr Teilneh- mer verschwinden, ist es auch bei den Herstellern. Eine Ketten- reaktion – Kunden kaufen nicht mehr, dadurch verschwinden Händler, zeitversetzt dann die Produzenten. Wenn dann die entnervten Kunden (die Großen halten nicht alle Versprechen) wieder reumütig Spezialisten suchen haben sie ein Problem: Wo finde ich den Händler mei- nes Vertrauens? Irgendwer sollte diesen Kreis durchbrechen. Trends und Mode Dann ist noch das leidige Thema Mode, Trend oder einfach Nach- laufen vermeintlicher Strömun- gen. In der Modeszene ist die Halbwertszeit eines Trends nicht mehr als ein halbes Jahr. Wenn wir dies auf unsere Branche um- setzen, müsste jedes Möbelstudio zweimal im Jahr die Kollektion wechseln. Ich sehe aber im Han- del immer öfter die Überforde- rung mit diesen Entwicklungen. Die meisten Händler haben nicht die finanziellen und räumlichen Ressourcen, um jedes Jahr die Ausstellung zu erneuern. Dazu müssen die „alten“ Möbel erst verkauft werden. Ein leidvolles Unterfangen, das immer schwie- riger wird. In einem Zeitalter wo man Waren online kauft und bei Nichtgefallen einfach zurück- schickt, ist es eine abenteuerliche Herausforderung, den richtigen Käufer zu finden. Neben all diesen Problemen gibt es auch die andere Seite der Me- daille, das Mega-Problem unserer Zeit, das Thema des rasanten Klimawandels, der gesamten Ökologie und ernstzunehmenden Nachhaltigkeit. Es waren zwar schon gute Ansätze in einer Halle zu sehen, aber der gemeinsame geballte Auftritt der Branche lässt zu wünschen übrig. Gerade das langlebige Wohnen hätte noch enormes Potenzial. Es warten alle darauf, dass die Politik was macht und die Politiker warten, was die einzelnen Branchen in einem langwierigen Prozess erarbei- ten. Die Erfahrung zeigt jedoch, freiwillig machen sehr wenige Hersteller und auch der größte Teil des Handels nichts, ein zu- tiefst menschliches Problem. Der Klimawandel wird unser Leben gravierend verändern, je weniger wir dagegen steuern desto größer werden die Probleme. Es gäbe viele Hebel wo unsere Branche ansetzen könnte. Eine Messe wie Köln wäre der ideale Rahmen, um nachhaltige Ideen und zu- kunftsweisende Konzepte zu prä- sentieren. Dazu müssen sowohl Hersteller als auch Händler viel enger zusammenrücken und ein- deutig miteinander arbeiten. Sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen sollte nicht im Vor- dergrund stehen, nicht bei dieser Problematik. Wenn wir alle wichtigen Gele- genheiten verpassen bleibt uns nur reagieren, die Devise sollte aber schnelles Agieren bedeuten – handeln wir jetzt und nicht erst wenn es zu spät ist! www.agentur-kandut.at
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