Februar-März 2020

01.2020 | Februar/März |wohninsider.at 23 BRANCHENTALK eine Möbelproduktion.“ Hackl hat dadurch ein substantielles Problem: „Ich könnte jedes Jahr fünf bis sechs Lehrlinge ausbilden. Aber ich habe keinen einzigen mehr.“ Nachsatz: „Gleichzeitig ist es aber praktisch unmöglich, qualifiziertes Personal zu finden.“ Kampf gegen Windmühlen Schon seit nunmehr 20 Jahren tritt Hackl für eine Reform der Lehrlingsausbildung ein: „Früher habe ich mich auf die Wirtschafts- kammer verlassen, dass die aktiv wird. Aber das ist leider nicht passiert.“ Seine Forderun- gen hat er jedenfalls klar formuliert: „Erstens sollte es den eigenen Lehrberuf des Möbel- bauers geben. Zweitens ist eine Verkürzung der Lehrzeit auf zwei Jahre sinnvoll (mit entsprechend qualitativer und zielgerichteter Ausbildung), denn nur so könnten wir schnel- ler gut ausgebildetes Personal bekommen. Drittens hat sich in unserem Berufsbild die Berufsschule vollkommen überholt. Ich trete daher für die ersatzlose Streichung derselben ein. Und viertens, so Hackl: „wäre ich dank- bar, wenn auch im Zusammenhang mit der Verkürzung der Lehrzeit ein Mindestlohn von 1.000 Euro im ersten Lehrjahr Lehre und Be- ruf attraktiv machen würde.“ Oftmals nicht mehr zeitgemäß Aus eigener Erfahrung weiß Hackl: „Unsere Sachverständigen stützen sich meines Wissens auf Lektüre aus dem Jahr 1969...“ Dabei ist das Thema eines, das nicht nur auf den Holz verarbeitenden Bereich beschränkt ist. So würde auch etwa die Gastronomie in alten Vorschriften festhängen, die jedem Koch- Lehrling etwa das Panieren von Schnitzeln vorschreibe. In Zeiten von Vegan, Vegetarisch und Ethnischer Küche ebenso wenig zeitge- mäß wie der Hobel bei Gerhard Hackl. Hackl erinnert sich: „Die Metaller hatten die Thematik ja auch vor einigen Jahren. Die haben sich dann auch aufgesplittet in ver- schiedene Gewerke.“ Gleichzeitig kritisiert er auch die oftmals übertriebene Beharrlichkeit und Schikane mancher Vertreter des Arbeits- inspektorats. Er erinnert sich: „Ich hatte einen EDV-Lehrling und unser EDV-Lager war im Keller. Über eine Treppe begehbar. Der Arbeitsinspektor kam zur Überprüfung und meinte damals, ich müsse ein Geländer installieren, sonst dürfe der Lehrling unter 18 nicht die Stiegen benutzen. Nachdem ich das gemacht hatte, kam der gleiche Mann wieder und meinte, „Das ist fein, aber jetzt ist die Stiege zu wenig breit“, sodass der Lehrling diese auch nicht mehr verwenden dürfe...“ Manchem Unternehmer sind derlei Vorge- hensweisen sicher nicht unbekannt. Hackl jedoch hat dafür kein Verständnis und noch weniger Akzeptanz. Und er nennt noch ein absurdes Beispiel: „Lehrlinge unter 18 dürfen nicht alleine an Maschinen stehen, obwohl wir 100.000e an Euro in die Sicherheit in- vestieren.“ Hackl: „Ich hab für mich daher die Konsequenz gezogen, unter diesen Vor- aussetzungen keine Lehrlinge mehr auszu- bilden.“ Das ist durchaus eine starke Ansage in Zeiten, in denen qualifizierte Facharbeiter zur Seltenheit geworden sind. Hackl und Richter behelfen sich in ihrem Betrieb derzeit durch Mitarbeiter aus anderen Branchen. „Wir holen uns zum Anlernen Leute aus an- deren Berufen, aus Österreich oder auch aus dem Ausland. Die lernen wir dann an, aber dadurch wird die Arbeitsteiligkeit höher. Wir hätten jedoch gerne flexiblere Arbeitskräfte.“ Die ZIB 2 hat es aufs Tapet gebracht Warum das Thema gerade jetzt wieder aufge- poppt ist? Die aktuelle Bundesregierung hatte Mitte Februar das Berufsausbildungsgesetz Neu präsentiert, in dem insgesamt 31 Lehrbe- rufe überarbeitet und neu geschaffen wurden (Details siehe unten) . Auch in diesem nunmehr zweiten Schritt der Lehrlingsreform wurden je- doch fast nur kaufmännische Berufe behandelt, eine Reform der handwerklichen Berufe steht weiterhin auf der Agenda. Protest folgte auf dem Fuße von den NEOS, weshalb man sich auch in der ZIB 2 des Themas annahm. Hackl kam darin zu Wort und beklagte die derzeitige Situation. Und er erntete dafür nicht nur Bei- fall. „Die Innung ist nicht erfreut, womit ich aber leben kann“, sagt er. Und so geht er, gemeinsam mit Tochter Anna Richter, auch weiterhin seinen eigenen Weg, und das mit großem Erfolg. Immerhin feiert das Unternehmen im April dieses Jahres das 90-jährige Bestehen... www.haka.at WEITERFÜHRENDE INFOS: Die gesamte Rechtsvorschrift für die Tischlerei-Ausbildungsordnung StF: BGBl. II Nr. 195/2000 finden Sie hier: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20000764 | Kurzlink: bit.ly/37Jpico Hier finden Sie den aktuellen Beschluss der Bundesregierung vom 12.02.2020: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/nachrichten-der-bundesregierung/2020/ministerrat-neuerungen-des-foerder- programms-lehre-mit-matura-und-aus-fuer-tempo-140-beschlossen.html | Kurzlink: bit.ly/2Ve5H1o In ihrem 150-Mann-Betrieb in Traun dürfen Gerhard Hackl und Anna Richter nach derzeitiger Gesetzeslage keine Tischler- Lehrlinge mehr ausbilden. Man behilft sich mit angelernten Fachkräften aus anderen Branchen. Foto: HAKA „Unsere Sachverständigen stützen sich meines Wissens auf Lektüre aus dem Jahr 1969...“

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