Februar-März 2020
26 wohninsider.at | Februar/März| 01.2020 BRANCHENTALK wohninsider: „Das ganze Leben ist Verkauf“, sagen Sie in Ihrem Buch. Was meinen Sie damit? Marcus Kutrzeba: Verkaufen … das kann nicht jeder. Viele wollen es auch gar nicht können, weil sie der Meinung sind, es gar nicht zu brauchen. Tatsächlich bin ich der festen Überzeugung, dass jeder verkaufen können sollte, weil wir alle Ver- käufer sind und das ganze Leben Ver- kauf ist. Jeder verkauft jedem permanent irgendwas, ganz einfach weil wir ständig kommunizieren. Das beginnt damit, dass ich eine Meinung habe und jemand ande- ren davon überzeugen möchte. Oder all- tägliche Beispiele: Meiner Frau verkaufe ich, dass wir eine Pizza essen gehen könn- ten. Meine Tochter verkauft mir, dass sie Fahrradfahren möchte. Der Bewerber verkauft dem Vorgesetzten, dass er der Richtige für die freie Stelle ist. Verkaufen ist eine verschüttete Kunst, ein Handwerk, das jeder erlernen sollte. Dass viele Menschen dieses überaus wertvolle Handwerk nicht beherrschen, merkt man daran, wie erfolgreich oder eben nicht erfolgreich sie damit sind, ihre Meinung oder ihren Standpunkt zu vertreten, das heißt zu verkaufen. Verkaufen ist wie Lesen und Schreiben. Es ist deshalb so elementar, weil sehr viele Konflikte und Reibungspunkte im Berufs- wie auch im Privatleben niemals aufkommen würden, wenn jeder verkaufen könnte. Viele Verkäufer verstecken ihre ei- gentliche Tätigkeit – also Verkäufer – zum Beispiel in der Berufsbezeich- nung auf der Visitenkarte. Da liest man dann Consulter, Berater, Mar- ketingchef oder sonst was. Warum ist das so? Die Identifikation des Berufsstandes Ver- käufer ist nicht da. „Verkaufen ist böse“. Das kommt aus der Zeit als Staubsau- gervertreter an Haus- oder Wohnungs- tür klopften und mit diffusesten Angebo- ten das Blau vom Himmel versprachen und dem Konsumenten ein Loch in den Bauch redeten. Dieses negative Berufsbild gehört geändert. Wie könnte man das Image ändern? Man muss als Verkäufer ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln. Ich sage es ganz frech. Die Klappe halten. Zuhö- ren und nicht zwanghaft versuchen eine Beziehung herzustellen, sondern selbst- bewusst auftreten. Wie oft habe ich als angestellter Verkäufer und später als Be- rater von Firmenchefs gehört: „Du musst eine Beziehung herstellen.“ Wie soll das bitte gehen, künstlich die Beziehungs- phase spielen? Es gibt zahlreiche Metho- den, die man künstlich lernen, trainieren und dann im Kundengespräch umsetzen kann. Sorry, wenn ich da jetzt vielleicht in langjährige Arbeitsweisen hineingrät- sche und diese kaputt mache. Für mich sind diese aufgesetzten Phrasen und Vor- gangsweisen absoluter Blödsinn, weil der Kunde das merkt. Die Menschen sind ja nicht blöd. Wenn mich ein Verkäufer fragt: „Wie geht es der Familie?“ und da- bei auf sein Handy schaut, dann weiß ich doch, was die Uhr geschlagen hat. Vor diesem künstlichen, typischen Verkäufer- gehabe rennt doch jeder Kunde davon! Wer will denn solche aufgesetzten Ver- käufertypen? Jetzt gibt es aber in Firmen gewis- sen Regeln, wie die Kunden ange- sprochen werden, wie man das Ver- kaufsgespräch führt und wie man zum Abschluss kommt und der Verkäu- fer steht auch unter einem gewissen Druck, weil er soll ja Umsatz bringen. Verkaufen ist individuell. Wenn ein Chef ein erfolgreicher Verkäufer ist und seinen Verkäufern genau sagt wie sie etwas ma- chen sollen und von mir aus eine Checklist oder sonst was dafür ausarbeitet, dann wird das nicht funktionieren. Er geht nämlich nach seinen Kriterien vor. Er hat andere Werte, Erfahrungen, Bedürfnisse und ist ein ganz anderer Typ. Ich behaup- MARCUS KUTRZEBA „Das ganze Leben ist Verkauf“ „Best Seller“ heißt das Buch von Marcus Kutrzeba und der gebürtige New Yorker hat das Thema „Verkauf“ zu seinem Lebensinhalt gemacht. Er zeigt einen kompletten Perspektiven- wechsel vom Verkäufer zum Kunden. wohninsider traf ihn zu einem Gespräch. V on G erhard H abliczek Fotos: Uwe Klössing „Verkaufen ist eine verschüttete Kunst, ein Handwerk, das jeder erlernen sollte.“ Marcus Kutrzeba, Autor und Vertriebstrainer „Vor künstlichem, typischen Verkäufer- gehabe rennt doch jeder Kunde davon!“
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