Februar-März 2020
80 wohninsider.at | Februar/März| 01.2020 WOHNEN „Bitte berühren“ steht auf der massiven, geölten Kommode im Eingangsbereich des Schauraums von Roman Lechner. Denn die Sinne spielen bei ihm eine wesentliche Rolle. So werden auch keine Spanplatten und syn- thetischen Lacke in der Tischlerei in Gföhl, im südlichen Waldviertel, verarbeitet. Name ist Programm in seinem Betrieb und der Wald rund um ihn einer seiner Hauptlieferanten. Die massiven Kunstwerke, die sein Unter- nehmen seit nunmehr 35 Jahren verlassen, stammen zum Großteil aus regionalem Holz. So wie der edle 3 m lange Massivholz-Tisch, ebenfalls im Eingangsbereich. Lechner er- zählt: „Der Nussbaum stand bei der Familie im Garten und musste zu ihrem Leidwesen gefällt werden. Ich habe kurzerhand vorge- schlagen, daraus einen Tisch zu machen...“ Ein bisschen wirkt es, als wäre hier die Zeit stehen geblieben. Oder sie hat jegliche Wer- tigkeit verloren, oder eigentlich alles gewon- nen. Lechner: „Die Leute gehen an unserem Schaufenster vorbei und fragen mich, ob wir nichts mehr machen, weil die Küche schon seit zehn Jahren da stünde. Ich antworte dann immer: ‘Nein, die steht schon seit zwanzig Jahren da.’“ – Kurz: In der Tischlerei Lech- ner geht nichts außer Haus, dessen Lebens- zeit unter zwanzig Jahren ist. Viel mehr noch sind die meisten Werkstücke gemacht für ein Leben, erzählt er stolz. „Meine Kunden sind hauptsächlich Zweiteinrichter. Die warten auch schon mal ein oder mehrere Jahre auf einen Tisch.“ Und sie bekommen bei ihm u.a. auch – damit ist er einer der wenigen An- bieter überhaupt – luftgetrocknete Zirbe: Das braucht halt Zeit. Lechner: „Das Holz muss pro Zentimeter ein Jahr reifen. Da gehen die Spannungen raus und die ätherischen Öle bleiben drinnen.“ Aber, setzt Lechner nach: „Das ist gegen unsere Zeit, denn da muss alles schnell, schnell gehen.“ Ein Tempo, das teil- weise in Absurdität endet: Wenn dann in der Trockenkammer getrocknetes Holz im An- schluss beduftet wird, damit es wieder nach dem riecht, was es eigentlich war. Es liegt in der Natur des Menschen Dabei liegt so vieles auf der Hand und schon in unseren Genen, ist er überzeugt. So wie der Goldene Schnitt, der sich nicht nur in den menschlichen Proportionen wiederfin- det, sondern etwa auch im Verhältnis, wie die Pyramiden zueinander stehen. Selbiger ist zu- dem ein grundlegendes Maß, nach dem der Kreative lebt und seine Werke erschafft. „Das alles ist bereits in unserer DNA vorhanden, die Fibonacci-Sequenz beschreibt die Spirale, die den Goldenen Schnitt ebenfalls beinhaltet.“ (Der Goldene Schnitt beschreibt das Tei- lungsverhältnis zweier Größen zueinander und wird vom menschlichen Auge als sehr harmonisch empfunden. Die Zahl Phi 1:1,618 beschreibt dieses Teilungsverhältnis und lässt sich durch die so genannte Fibonacci-Se- quenz beschreiben: 1+2=3, 2+3=5, 3+5=8 usw.; Anm. d. Red.) Lechner führt uns weiter in das getischlerte Schlafzimmer. Die Blume des Lebens ist hier immer wieder zu finden, ebenso die berühmte Mensch-Zeichnung von Leonardo da Vinci. Beide unterliegen dem Goldenen Schnitt, so wie auch der gesamte Raum, wie wir er- fahren: „Ich habe den Goldenen Schnitt hier so umgesetzt, jedes Maß steht zum anderen ebenso.“ Die Wirkung: Man fühlt sich einfach wohl. Weiter hinten sind gerade eine weitere Schauküche und ein Badezimmer sowie ein WALDVIERTLER VOLLHOLZTISCHLEREI LECHNER Hundertwasser hatte Recht Irgendwo sind wir falsch abgebogen, ist Roman Lechner überzeugt. Wenn die Esote- rikerin die Plastikkaraffe aus taiwanesischen Fabriken mit ausgependeltem Wasser auf eine maschinell gefertigte Blume des Lebens stellt, passt etwas ganz und gar nicht, meint er. In seinem Sechs-Mann-Betrieb in Gföhl lebt er eine völlig andere Philosophie ... V on L illy U nterrader und G erhard H abliczek Fotos: Lilly Unterrader/wohninsider „Ich will gar nicht größer, sondern nur besser werden“, sagt Roman Lechner. Mit allen Sinnen, für alle Sinne sind seine Werkstücke. „Angreifen“ ist daher auch ausdrücklich erwünscht, genauso wie Schnuppern am Holz... wohninsider im Unternehmen
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