wohninsider Juni-Juli 2018
140 wohninsider.at RAUM : OBJEKT G egründet wurde Kaindl im Jah- re 1810 und somit vor mehr als 200 Jahren. Seitdem hat sich das Unternehmen von einer Weiß- gerberei und Lederhandlung zu einem Fachbetrieb für Raumausstattung samt angeschlossenem Großhandel entwickelt. Auch wenn die Mitarbeiterzahl zuletzt schrumpf- te: Mit dem Einzelhandel in der Linzer Innen- stadt auf 600 Quadratmetern Geschäftsfläche und dem Großhandel in Leonding auf 4.000 Quadratmetern gehört Kaindl zu den Gro- ßen der Branche. In der Linzer Dametzstra- ße werden Möbelstoffe und Tapeziererzubehör an Endkunden verkauft – hauseigene Näherei und Rollo-Fertigung inklusive. In der Leondin- ger Salzburger Straße kaufen Großkunden so- wie Kunden aus dem verarbeitenden Gewer- be ein. Beide – Groß- wie Privatkunden – tun dies aber offenbar immer weniger. Im April in- formierte Christoph Kaindl daher die Beleg- schaft, dass die Familie die Raumausstattung als Geschäftsfeld gänzlich aufgibt. Leicht wird sich der 37-Jährige die Entscheidung nicht ge- macht haben, führt er doch den Traditionsbe- trieb in mittlerweile achter Generation. Sein 78-jähriger Vater Klaus war bis vor zwei Jah- ren noch aktiv im Unternehmen tätig und trägt die Entscheidung mit. Immobilien statt Raumausstattung Bis Ende September läuft der Räumungsabver- kauf, dann soll endgültig Schluss sein. Warum? Kaindl sieht keine Zukunft. Das Direktgeschäft habe den Großhandel überflüssig gemacht, kurze Lieferzeiten der Hersteller ersetzen die Lagerhaltung. Im Privatkunden-Bereich hät- ten zunächst die Möbel-Großflächen und da- nach auch noch die Internetshops die Umsät- ze abgegraben. „Zusperren mit einer Insolvenz kam für uns nicht in Frage“, meint Christoph Kaindl gegenüber den OÖN. Ein geordneter Rückzug hingegen schon. Die Familie Kaindl tut sich insofern leichter, da sie zwei weitere, er- folgreichere Standbeine hat: Da ist einerseits die Immobilien-Entwicklung und -Verwaltung, auf die sich Christoph Kaindl künftig konzent- rieren will, und andererseits der Technische In- dustriebedarf Kaindl, nach eigenen Angaben mit Abstand Marktführer für technische Pro- dukte in Oberösterreich. Am mangelnden En- gagement der zuletzt 17 Mitarbeiter – zur Spit- zenzeit war’s ein Vielfaches davon – kann es jedenfalls nicht liegen. In Online-Foren äußern sich Stammkunden betrübt über die Schlie- ßung: „Das ist echt traurig! Die Mannschaft war immer super und hilfsbereit“, heißt es da etwa. Und ehemalige Mitarbeiter erinnern sich nostalgisch an eine „tolle Lehrzeit“. Ist’s tat- sächlich die Branche, die dahinsiecht? „Qualität statt billiges Klumpert“ „Mit seinen Großhandelsaktivitäten ist Kaindl ein Sonderfall“, ist Georg Franz Winklmayr sicher. Als oberösterreichischer Landesin- nungsmeister für Tapezierer und als solcher auch für die Raumausstatter zuständig, kennt Winklmayr die Situation seiner rund 250 Mit- glieder. Und die ist so schlecht nicht. „Die Zahl der Betriebe war konstant während der letz- ten fünf Jahre. Das Geschäft läuft, wenn die Umsätze auch nicht steigen.“ Die Branche sei schwieriger geworden. Die Anforderungen an Positionierung, Beratung und Dienstleistung steigen gerade im Mittelstand. „Mit der fix- fertigen Sitzbank von der Großfläche um 300 Euro kann ich nicht mithalten. Wir müssen RAUMAUSSTATTER KAINDL SPERRT ZU 200 JAHRE SIND GENUG! Ist die Raumausstatter-Branche ein Auslaufmodell? Mit dem schwierigen Branchen-Umfeld begründet Kaindl die Schließung von Einzel- und Großhandel. In der Innung sieht man das Ende des Traditionsbetriebes als einen Sonderfall. V on R einhard E bner „Das Geschäft läuft, wenn die Umsätze auch nicht steigen.“ Innungsmeister Georg Franz Winklmayr sieht in Kaindl einen Sonderfall. So richtig taufrisch wirkte der Standort des Geschäfts in der Linzer Dametzstraße zu- letzt nicht mehr. Derzeit läuft der Abverkauf beim Kaindl, in Kürze ist hier ganz Schluss. Fotos: Reinhard Ebner, INKU, Winklmayr © WKOÖ
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NDA0NA==