wohninsider Juni-Juli 2019
03.2019 | Juni/Juli |wohninsider.at 69 NETZWERKE Reality-App, die das Produkt virtuell in die eigenen vier Wände bringt, bis hin zum Vir- tual Store, mit dem die Verkaufsfläche des Handels grenzenlos erweiterbar wird. So lebensnah wie möglich Kataloge werden dynamisch. Und der Kun- de nimmt die Einrichtung virtuell mit nach Hause, um sie vor dem Kauf „auszupro- bieren“. Wie das geht? Über die genannte AR-App. Der Kunde erhält einfach einen Link oder QR-Code, mittels derer er das Produkt über die Wohnumgebung legt. Gemäß dem Premium-Ansatz liegt hoch- wertige Optik im Fokus. Der verblüffende Effekt bei den VR-Lösungen: Je näher man an Details heranzoomt, desto realistischer wird der Gesamteindruck. Fast glaubt man, die Lederoberfläche der Couch unter den Fingerkuppen zu spüren. Das Licht der tief stehenden Abendsonne wirft Schatten an die Wand. Oder vielleicht treiben Schnee- flocken am Fenster vorbei. Arcware geht noch einen Schritt weiter und richtet ganze Geschäfte ein – virtuell, versteht sich. Entwickelt wurde der „Retail Virtual Store“ gemeinsam mit dem indi- schen Möbelfilialisten Hatil. Der betreibt als Vollsortimenter Geschäfte mit Verkaufsflä- chen von lediglich 200 bis 300 Quadratme- tern. Verkäufer entführen ihre Kunden da- für mit Hilfe von Touchscreen und Monitor in virtuelle Verkaufsräume. „Wir haben die Räume entworfen, möbliert werden sie von Hatil“, erklärt Mistetski. Was für reale Pro- dukte gilt, ist auch hier möglich: Schubläden können geöffnet werden, Dampf steigt aus dem Topf am Kochfeld auf, der Filterwech- sel an der Dunstabzugshaube wird Schritt für Schritt demonstriert. Individuelle Produkte, kurze Liefer- zeiten In Österreich stößt Newcomer Arcware auf Platzhirsch roomle. Mistetski stört sich nicht an der Konkurrenz: „Wir sind Spezialist für hochwertige Visualisierung, roomle legt den Schwerpunkt auf Konfigurierbarkeit.“ In ei- nem Punkt würden die beiden Unternehmen sogar zusammenarbeiten: „Für nachhaltige Geschäftsmodelle braucht es standardisierte Prozesse und kompatible Dateiformate. Das geht nur gemeinsam.“ „Individualisierung wird zum Standard“, meint roomle-Chef Albert Ortig kurz und bündig zur Zukunft des Möbelmarkts. Er verweist dabei auf Tylko: Der polnische Anbieter begann vor fünf Jahren mit dem Verkauf konfigurier- barer Regalsysteme und macht inzwischen 20 Millionen Euro Umsatz – mit einem einzigen Produkt. „Erwartet wird heute schnellste Lieferung von Produkten höchster Qualität – und diese sollten so individuell wie möglich sein.“ Auch Convenience ist gefragt. Weshalb für Ortig klar ist: „Eine VR-Brille ist nicht praktisch, Bestellen übers Handy hingegen schon.“ Das belege der Er- folg einer roomle-App, die darauf ausgelegt ist, Wohnumgebungen abzubilden. „Ganz ohne Werbung kommen wir auf 130.000 Downloads im Monat.“ Automation sichert Arbeitsplätze Ziel müsse sein, die Komplexität des Ver- kaufs zu verringern, ohne dass die Kunden- orientierung der Produkte darunter leidet. Möglich wird dies durch die Erstellung eines digitalen Zwillings, der das Produkt eins zu eins abbildet. Eine geschlossene Kette von der Konfiguration zur Produktion lässt sich so umsetzen. Ist das Produkt konfiguriert, werden Kalkulation und Produktliste er- stellt. Mit Abschluss des Bestellvorgangs er- hält der Hersteller die Produktdaten. Es folgt die – in naher Zukunft – vollautomatische Produktion in Losgröße 1. Bis 2025 werde es möglich sein, einen Kü- chenkorpus innerhalb von 24 Stunden aus- zuliefern, sagt Ortig. Die Automatisierung werde keine Arbeitsplätze kosten, sondern im Gegenteil Beschäftigung sichern. „Derzeit sinkt die Verfügbarkeit von Arbeitskräften im Möbel- und Baubereich. Das gefährdet diese Branchen insgesamt, weil Kapazitäten ins Ausland wandern.“ In China etwa wür- den pro Woche um fünfmal mehr Losgröße 1-Werke fertig gestellt als in Österreich in einem ganzen Jahr. Aus Sicht des roomle- CEOs steht fest: Innovationen im virtuellen Raum sichern Umsatz und Arbeit in der re- alen Welt. www.arcware.com www.roomle.com Fotos: roomle „Eine VR-Brille ist nicht praktisch, Bestellen übers Handy schon.“ Albert Ortig, roomle-CEO
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NDA0NA==