Juni-Juli 2020
03.2020 | Juni/Juli |wohninsider.at 27 BRANCHENTALK Branche hätte dabei den großen Vorteil, dass „unsere zwei Hauptkonkurrenten Urlaub und Auto schwächeln.“ Aber, setzt er nach: „Mei- ner Einschätzung nach, und all jener, mit denen ich in letzter Zeit telefoniert habe, wird uns die Krise wesentlich stärker treffen als nur durch Corona alleine, wenn die Auto-Industrie im Oktober oder November nicht in Schwung kommt.“ Und zieht er für die Branche den Schluss: „Es wird auch einen deutlichen Rück- gang an Händlern in unserer Branche geben.“ Marktbereinigung wie Anfang der 2000er? Ist daher eine Marktbereinigung, wie sie An- fang der 2000er stattgefunden hat, jetzt wieder zu befürchten? – „Nein“, ist hier die Antwort, zumindest nicht in Österreich. Einerseits hätte der Markt sich 2001 bereits bereinigt, zudem profitiere Österreich von der Händlerland - schaft und Struktur, in Deutschland könnte die Situation daher gravierender werden. Am wenigsten zu befürchten hätten jedenfalls jene, die „schon vor der Krise ihre Hausaufgaben gemacht haben.“ Denn jetzt zählt wie davor und noch mehr: eine eindeutige Positionierung am Markt und im Netz. Um diesbezüglich je- doch dem Dämon Online-Handel etwas den Schrecken zu nehmen, fällt dann noch eine Zahl. Nur etwas mehr als ein Prozent hätte der Onlinehandel am verlorenen Branchen- Umsatz gemacht. Conclusio für den Bundes- Obmann: Die Onlinepräsenz und virtuell gefunden zu werden ist ganz wichtig, der On- line-Shop aber eher hinten anzustellen. Andreas Hemetsberger sieht die Situation durch die Verbandsbrille sehr ähnlich, wie er berichtet: „Viele unserer Mitglieder haben uns gleich nach dem Lockdown kontaktiert, mit der Bitte um schnelle Umsetzung eines tollen Online-Shops. Wir haben das den Mit- gliedern aber wieder größtenteils ausgeredet. Denn ein Shop verkauft ja nicht sofort.“ Pri- mär ginge es vielmehr darum, online gefun- den zu werden. Hemetsberger: „Das Kauf- verhalten der Konsumenten oberhalb der preislichen Mitte hat sich in den vergangenen Jahren drastisch geändert. Das belegen meh- rere Studien. 70-75 % dieser Käufer trifft eine Kaufvorentscheidung bereits online.“ Wenn man hier als regionaler Anbieter auffindbar ist, hat man schon vieles richtig gemacht. Hemetsberger rät daher: „Für die inhaber- geführten Betriebe ist es jetzt wichtig, klein- teilig ins Marketing zu investieren und zwar nachhaltig und ordentlich.“ Zu viele Schnell- schüsse und unseriöse Angebote wären ihm in den vergangenen Wochen untergekommen, Troubleshooting das Gebot der Stunde. Auch für den MZE-Chef zählt daher eine gute Sortimentsstrategie, perfekte Inszenierung und modernisierte Schauräume. „Der Kunde sucht fertig gedachte Bilder und Lösungen. Wenn er da online einen regionalen Partner findet, schlägt sich das auch in den Zahlen nieder. Meine Devise ist immer: Das Produkt in Verbindung mit dem Anbieter!“ Und wie geht es den Händlern? Aktuell sei die Stimmung extrem positiv, so Hemetsberger, 95 % seiner Mitglieder wären derzeit wieder im Plus. Für den Verbands- chef liegt das aber auch in der Größen- und Unternehmensstruktur der MZE-Mitglieder begründet. Hemetsberger: „Kleine Unter- nehmen mit eigener Tischlerei haben es jetzt sicher leichter als größere, die nur von Handelsware leben.“ Dabei mutete schon der Jahresbeginn sensationell an, der Shutdown brachte die Wende: „In der 1. Woche nach der Öffnung hat sich kein einziger Kunde in die Läden verirrt.“ Ab der zweiten Woche hätte das dann aber sukzessive zugenommen. Auch Georg Uher, Inhaber eines 200 m 2 gro- ßen Möbelstudios in Wien Landstraße und langjähriges DER KREIS-Mitglied beschreibt Ähnliches: „Nach dem Shutdown ist die Fre- quenz komplett abgebrochen. Die Verunsiche- rung war groß, die Leute haben sich nicht aus- gekannt. Erst als Friseure geöffnet haben, ist es bei uns auch besser geworden.“ Auch er sieht eine deutliche Bewegung zur Wohnraum-Er- neuerung und die Investitionsbereitschaft mit etwa 10.-15.000 Euro begrenzt. Kastinger wirft ein: Insgesamt hätte auch der extreme Werbedruck durch die Großfläche der gesamten Branche extrem geholfen. „Da haben sich die Leute wieder mehr getraut.“ – Nachsatz: „Aber es waren auch viele Kon- sumenten froh, dass während dem Shutdown keine Lutz-Werbung zu sehen war. Das habe ich oft gehört, wie genervt viele von der pene- tranten Werbung waren.“ Wie geht es dem Handwerk? Für die Tischler war Innungsmeister Ing. Andreas Distel vor Ort. Auch seiner Ein- schätzung zufolge neigen viele dazu, das Geld, das sie sich einsparen, in die eigenen vier Wände zu investieren. Das ginge sogar soweit, dass frühere Anfragen teilweise vor- gezogen oder aufgestockt wurden. Gleich- zeitig jedoch hätten jene, die Einbußen etwa durch Kurzarbeit oder Jobverlust hinneh- men mussten, derlei Projekte auf die lange Bank geschoben. Für seine Mitgliedsbetriebe bilanziert er so: „ Jene, die breiter aufgestellt sind, können da besser jonglieren. Jene, die auf Hotels, Gastronomie spezialisiert sind, die schreien.“ Unter dem Strich meint Distel, könne man nur abwarten, die große Verän- derung sei noch nicht angekommen. Von Industrieseite berichtet Erich Scheit- hauer, Markenchef von Siemens, dass auch hier das Geschäft bei jenen, die gut aufgestellt wären, weitergelaufen ist. Einiges wurde in dieser Zeit abgearbeitet. Scheithauer Andreas Hemetsberger, MZE- Österreich (li.): „Der Kunde sucht fertig gedachte Bilder und Lösun- gen. Wenn er das online findet, schlägt sich das auch in den Zahlen nieder. Meine Devise ist immer: Das Produkt in Verbindung mit dem Anbieter zu finden.“ Ing. Andreas Distel, Tischler- Innung: „Was mir wichtig ist, in die Köpfe der Tischler reinzubekom- men, dass wir jetzt regional aufzei- gen müssen.“ Und: „Das ist auch eine große Chance für uns alle. Und zwar, dass wir nicht immer diese Rabattschiene fahren!“ »
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