Juni-Juli 2020
BRANCHENTALK hängenlässt.“ Wir erinnern uns: Die Aufbau- arbeiten für die Wiener Wohnen & Interieur (sie hätte vom 18.-22. März stattfinden sollen) waren schon im vollen Gange, als der plötz- liche Stopp kam. Aus den Messehallen wurde ein Notlazarett. Seliger: „Obwohl wir wissen, dass es notwendig und richtig war, war uns da- mals zum Weinen.“ Zwar hätte man mit der Wohnen & Interieur Special Edition – sie soll von 22.-26. Oktober stattfinden– nun einen Ersatztermin gefunden, viele Fragezeichen blieben jedoch. Seliger: „Wir sind jetzt in den Vorbereitungen für die Winter Edition. Wir machen das nicht zuletzt deshalb, weil der Handel, viele Tischlereien an uns herange- treten sind, mit der Bitte: ‘Macht etwas. Wir brauchen eine Plattform, wo wir uns präsen- tieren können!’ Dabei sieht er die Lage in der Branche durchaus durchwachsen. „Wir haben etwa 1.000 Aussteller bei unseren Messen. Die Swimming Pool-Aussteller sind sicherlich einer der Gewinner, aber von anderen hören wir, dass sie schlichtweg nicht wissen, wie es weitergeht.“ Seitens der Regierung fordert er daher Planungssicherheit. „Wir wollen die Plattform für die Branche sein. Aber dazu be- darf es der Rahmenbedingungen, die es mög- lich machen. Die Gespräche mit den Minis- terien stehen unmittelbar bevor.“ Denn eines ist auch klar: „Unsere Messe ist sicher kein Rockkonzert.“ (Während des Redaktionsschluss er- reichte uns bereits die Mitteilung, dass Messen wieder stattfinden dürfen, Anm. der Red.) Wirtschafts- und Bankenkrise steht bevor Auch wenn, und da waren sich die meisten der Teilnehmer einig, die Wirtschafts- und Bankenkrise bevorstünde, so könne man sich trotzdem glücklich schätzen, dies in unserer Branche und in Österreich erleben zu kön- nen. Andreas Hemetsberger: „Wir haben das Glück, in einer der wenigen glorreichen Bran- chen zu sein, wo gerade in schwierigen Zeiten Geld investiert wird. Konkret: „Ich glaube, dass wir einen sehr starken Sommer und Herbst haben werden.“ Und, spricht er wohl vielen das Wort: „Die Dinge, die jetzt folgen, folgen keiner Gesetzmäßigkeit, weil wir so etwas noch nicht erlebt haben. In Wahrheit können wir uns alle nur überraschen lassen.“ Vor dem Hintergrund, dass weit mehr als ein Drittel aller Handelsbetriebe 2018 negativ bilanziert hätten, sei die allgemeine Situation sehr schwierig, jene der Branche dagegen verhältnismäßig gut. Dementsprechend wäre auch, so Hemetsberger, gerade jetzt eine Stundung für viele eine Schuldenfalle. Aber, nennt Kastinger ein konkretes Beispiel, das Hoffnung gibt: „Ich hatte ein Gespräch mit einer lokalen Baubehörde. Die haben derzeit so viele Anträge von Bauten für privat aber auch Gewerbe, wie schon lange nicht mehr. Und das ist natürlich auch gut für unse- re Branche, denn das was da gebaut wird, wird ja irgendwann einmal auch eingerich- tet.“ Generell sieht Kastinger eher die untere Einkommensschichten und den damit ver- bundenen Handel in größerer Gefahr als jene der mittleren und höheren Preissegmente. Glokalisierung – Zeigen, dass es uns regional gibt Ing. Andreas Distel, neben seiner Tätigkeit in der Innung auch Inhaber eines Tischerei-Be- triebs in Wien 16 hat in seinem Betrieb durch die Krise mehr Kunden bekommen. „Meine 20 Leute und ich sind nicht in Kurzarbeit ge- gangen. Wir sind aber auch im Bau- und Mö- belbereich breiter aufgestellt.“ Er sieht jeden- falls in der Krise eine große Chance: „Was mir derzeit wichtig ist, in die Köpfe der Tisch- ler reinzubekommen, dass wir jetzt regional aufzeigen müssen.“ Und, setzt er nach: „Wir müssen unsere Leistung auch verkaufen. Ich habe zu einigen meiner Kollegen gesagt, ‘Gib jetzt keinen Nachlass. Lass die Kunden lieber eine Woche drüber nachdenken.“ Und er hatte damit recht behalten. „Keiner der Kun- den ist nicht wiedergekommen, manche sind sogar mit Angeboten von vor 15 Monaten ge- kommen. Und da haben wir die inzwischen stattgefundene Preiserhöhung angeführt und es ist ohne Probleme zur Kenntnis genom- men worden.“ Gleiches gelte für die Stunden- sätze der Tischler, die im Gegensatz zu jenen der Mechaniker etwa oftmals beäugt wurden. Distel: „Das ist auch eine große Chance für uns alle. Und zwar, dass wir nicht immer diese Rabattschiene fahren!“ Gerhard Habliczek, Herausgeber wohninsider. »
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