Juni-Juli 2020

03.2020 | Juni/Juli |wohninsider.at 97 AM POINT OF SALE WALTER KANDUT RESILIENTE EINRICHTUNGSBRANCHE? Foto: © Kandut Walter Kandut betreibt gemein- sam mit seiner Frau Elisabeth die „agentur für wohnen und mehr“ in Wien. Seine Handelsagentur mit Schwerpunkt auf Service und Kompetenz für den exklusiven Möbel- und Objektfachhandel baut auf über 30-jährige Erfahrung im Verkauf und als Agentur. D ie letzten Mo- nate waren für uns in der Mö- belbranche eine echte Heraus- forderung, zumindest lt. den aten, die die einzelnen Händ- ler veröffentlichen. Die KMU Forschung Austria erhebt re- gelmäßig Daten der einzelnen Branchen. Im April 2020 hatte der Einzelhandel mit Möbel ein reales Umsatzminus von -62,3 % (als Vergleich der stationäre Ein- zelhandel -21,6 %), seit Jahresbe- ginn – Jänner bis April -28,8 % (als Vergleich der stationäre Ein- zelhandel -8,7 %). Es stellt sich hier die Frage, warum der Mö- belhandel so stark betroffen war (ist)? Sind wir am linken Fuß er- wischt worden, haben wir so ein Ereignis nie für möglich gehalten oder einfach ignoriert, sind wir nicht resilient? Oder ist zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit ein so großer Unterschied. Die Welt besteht zu einem großen Teil aus unserer Wahrnehmung die so individuell wie die Unter- schiede der einzelnen Persön- lichkeiten sind. Das ist die eine Seite, die „nach außen hin sichtbare Seite“ unse- rer Branche. Die andere Seite, die Wirklichkeit vor Ort ver- mittelt mir was anderes, so hat es den Anschein. Sehr viele Händ- ler und Verkäufer haben (jetzt) genug bis zu viel Arbeit, die wenigsten beklagen sich, das galt auch in der kritischen Phase der Corona Krise. Natürlich gibt es nach wochenlanger Schließung der Geschäfte einen enormen Nachholbedarf, keine Frage. Wir können aber auch fest- stellen, dass durch die lange Isolierung eine Rückbesinnung auf das Wesentliche stattfindet. Das soziale Bedürfnis nach be- wussterem Einkaufen, nach So- lidarität und nachhaltigem Ein- kaufserlebnis bekommt einen wesentlich höheren Stellen- wert. Je kleiner die Strukturen des Handels, der Läden, desto leichter kann auf diese Entwick- lung eingegangen werden. Der Schluss, den man daraus ziehen kann, der Einzelne schafft es wesentlich leichter sich anzupas- sen als größere Einheiten. Da die Unterschiede zwischen innerer und äußerer Wahr- nehmung so weit auseinander klaffen sollten wir uns näher damit befassen. Stellen wir uns als Branche die Frage – sind wir auf Krisen, egal welcher Art, genügend vorbereitet? Sind wir resilient genug, um in Zukunft besser auf Veränderung vorbe- reitet zu sein? Eine spannende Frage, die uns intensiv beschäf- tigen soll und muss. So vielfältig unsere Strukturen sind, so unter- schiedlich sind die daraus entste- henden Fragen und letztendlich auch Antworten. Wenn es nach einer Krise genau so weitergeht wie vorher, dann war es keine Krise. So ein Ereignis wie Co- vid 19 zerlegt alles Dagewesene in Einzelteile und wird danach wieder neu zusammengemischt? Es liegt an uns wie wir es wieder neu mischen (wollen). Eines ist eindeutig, so wie es vorher war kann, aus meiner Sicht „darf“, es nicht mehr weitergehen. Das betrifft auch die zukünftige Kommunikation zwischen Her- steller und Händler bzw. Kunden in Form von Messen. Wie gestal- ten wir solche Veranstaltungen? Große Massenveranstaltungen werden bis auf weiteres vom Kunden gemieden. Die Angst vor einer Ansteckung mit einem Virus, egal welchem, sitzt immer noch tief in den Knochen. Wir alle sind Kämpfer und können sehr kreativ werden, oftmals erst unter Druck. Diese Gabe sollten wir ausnutzen und in unsere Überlegung einbeziehen, aber immer mit genügend Respekt vor der allgegenwärtigen Selbst- überschätzung. Auch unsere Art der Ausstellung in den Geschäften muss sich unter diesen geänderten Bedin- gungen anpassen. Wir wissen alle noch nicht welche Verän- derungen im Kaufverhalten der Kunden sich durchsetzen wer- den. Wie wird sich der geänderte Informationsbedarf, sprich Erst- information via Internet oder Onlineberatung, auf das um- fangreiche Gebiet der wichtigen Kundenbindung auswirken. Wir können uns zurückleh- nen und abwarten wie sich die Kunden und deren Verhalten entwickeln und dann reagieren. Besser wäre es aber wir agieren, gestalten aktiv mit und sind bei Veränderungen involviert. Einer Entwicklung nachzulaufen ist ein wesentlich größerer Aufwand als ein Teil davon zu sein. Jetzt hätten wir die einmalige Gele- genheit daran mitzuwirken, in der Vergangenheit sind wir leider oft genug hinten nachgelaufen. Es gibt aber auch eine Negativ- entwicklung, eine ernstzuneh- mende Gegenreaktion in der Krise. Einige Kunden haben die Einschränkungen durch das Vi- rus satt, akzeptieren keine Ver- zögerung, verursacht durch die eingeschränkte Lieferkette. Se- hen nicht ein, dass die Hersteller im Spätsommer Betriebsurlaub machen (müssen), die Produk- tionen haben anscheinend in der Lockdown Phase nicht gearbei- tet, deshalb steht ihnen auch kein Urlaub zu. Es ist auch schwer zu verstehen, dass eigentlich unter beschwerten Bedingungen viel- fach intensiv gearbeitet wurde. Allein aus diesen Gründen müs- sen wir aktiv agieren. Man kann nicht in die Zukunft blicken oder voraussagen, aber man kann aus der Vergangen- heit und Gegenwart lernen und seine Schlüsse daraus ziehen. Zukunft entsteht im Kopf jedes einzelnen. Nutzen wir die fachli- che Kompetenz der unterschied- lichsten Experten, nutzen wir dieses vorhandene Wissen über globale Zusammenhänge, über Megatrends und psychologische Veränderung für die eigene Ent- wicklung, es rentiert sich allemal. Wir werden die Zukunft nicht al- lein bewältigen können. www.agentur-kandut.at

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