1. Themen-eBook Mai 2021

Mai 2021 | Nachhal t igkei t als Verkaufsargument | wohninsider.at 13 BRANCHENRADAR.COM | MAG. ANDREAS KREUTZER Nachhaltigkeit ist nicht gleich Umweltbewusstsein Oftmals würde auch der Begriff mit um- weltbewusstem oder ökologischem Handeln gleichgesetzt. Doch das greift zu kurz. Die Verwendung von Stahl, Aluminium oder Kunststoff kann zweifellos bei langlebigen Konsum- oder Investitionsgütern vernünftig sein, diese mit Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen erscheint aber unangebracht. Auch eine lange Lebensdauer ist per se nicht zwingend nachhaltig. „Das ist vielleicht öko- logisch sinnvoll, aber nicht nachhaltig.“ Und Kreutzer setzt nach: „Eher sogar das Gegenteil. Denn wenn die Produktzyklen von ohnehin langlebigen Produkten wie beispielsweise Küchen verlängert oder hinausgezögert werden, dann werden we- niger Produkte produziert. Infolge sinkt die Wirtschaftsleistung und das wiederum bedroht unseren Wohlstand, da weniger Menschen Arbeit haben. Was an Wohl- standsverlust nachhaltig sein soll erkenne ich beim besten Willen nicht. Das können nur Menschen fordern, die heute im Wohl- stand schwimmen.“ Kreutzer: „Der Wohlstand der westlichen Welt basiert auf Konsum und Investition. Ohne Wachstum nehmen die Verteilungs- kämpfe innerhalb der Gesellschaft zu, da nur durch eine wachsende Wirtschaftsleis- tung mögliche „Marktanteilsverluste“ in einzelnen Bevölkerungsschichten abgefe- dert werden können. Wenn die Wirtschaft schrumpft, spitzt sich die sozial ohnehin bereits angespannte Situation weiter zu und wer weiß ob diese nicht dann irgendwann eskaliert. Das wäre dann eine Welt, in der ich nicht leben möchte.“ Wie könne daher eine Lösung aussehen? Kreutzer: „Ich denke, es wäre schon ein Fort- schritt, wenn man die geforderten Dinge zu Ende denkt, also die systemischen Konse- quenzen ebenso berücksichtigt. Zudem wäre mehr Ehrlichkeit und Konsequenz wün- schenswert. Wenn bei der Fridays for Future- Demos für die Klimaziele eingetreten wird, ist das löblich. Aber dann sollten die Teil- nehmer und Unterstützer künftig auch etwa auf Flugreisen und das eigene Kraftfahrzeug verzichten und imWinter die Raumtempera- tur in den eigenen vier Wänden bei 20 Grad Celsius begrenzen.“ Zudem sieht Kreutzer überhaupt bei Fast Moving Consumer Products einen viel länge- ren Hebel als etwa bei Küchen. „Wenn man ökologisch agieren will, dann darf man halt beispielsweise keine Plastikflaschen mehr kau- fen, sondern nur mehr Mehrweggebinde.“ Auch könnte die Politik hier deutlich stärker durchgreifen: „Warum wird nicht einfach wieder ordnungspolitisch auf Pfandsystem oder Glasflaschen umgestellt, die Ministerin hätte ja die Macht dazu. Warum weicht man hier vor der Lobby zurück?“ Der Küchenindustrie ins Stammbuch schrei- ben will Kreutzer jedoch an dieser Stelle, die Kaufzyklen zu verkürzen, denn zu verlän- gern. „Wir haben bei Küchen eine viel län- gere Nutzungsdauer als bei Autos. Und will man die Kyotoziele erreichen, muss sich der Kraftfahrzeugsbestand wohl in den kommen- den Jahren noch viel rascher erneuern, sonst erreichen wir unsere Ziele hinsichtlich E-Mo- bilität mit Sicherheit nicht. Doch wenn es opportun ist, die Autos rascher zu tauschen, warum dann nicht auch die Küchen. Alles andere würde ja nur zu einer weiteren Ver- zerrung der privaten Investitionen führen“. Und er gibt zu bedenken: „Wenn wir bei den Küchen auf eine Austauschfrequenz wie bei den Autos heute kommen würden, dann wäre der Küchenmarkt in Österreich in etwa dop- pelt so groß wie jetzt.“ Was ist also wünschenswert? Kreutzer. „Zum einen wünsche ich mir, dass mit dem Begriff ‚nachhaltig‘ sorgsamer und weniger inflationär umgegangen wird. Dass wir bei der Verwendung wieder stärker des- sen eigentliche Bedeutung berücksichtigen und ihn nicht als ‚Marketingbegriff‘ ver- brennen. Zum anderen sollte die Umwelt- diskussion transparenter und umfassender geführt werden, Partikularinteressen mehr hintan gestellt werden. Die gesellschaftspoli- tischen Konsequenzen kommen mir hierbei bisher nämlich genauso viel zu kurz wie die realen Auswirkungen der in Europa gesetzten Maßnahmen. Denn selbst wenn Europa die CO 2 -Emissionen auf Null reduzierte, würde das am Weltklima nur wenig ändern, solange die beiden größten Emittenten China und die USA auf der Bremse stehen“. Und Kreutzer abschließend: „Am Ende des Tages denke ich, dass die Erhöhung von Wohlstand und Wohl- fahrt auf unserem Kontinent wichtiger für das soziale Klima sind ist als ein Gold-Plating bei der Reduktion der CO 2 -Emissionen.“ www.branchenradar.com 2013 war das Jahr der Nachhaltigkeit. Hans Carl von Carlowitz prägte den Begriff bereits 1713 (!) „Ich wünsche mir, dass mit dem Begriff ‚nachhaltig‘ sorgsamer und weniger inflationär umgegangen wird.“ Fotos: Lilly Unterrader/wohninsider

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