Oktober/November 2020
22 wohninsider.at |Oktober/November | 05.2020 BRANCHENTALK wohninsider: Wie entwickelt sich der Möbelhandel 2020? Andreas Kreutzer: In unserer soeben aktualisierten Marktstudie zu privaten Haushaltsausgaben in Österreich 2020, bei der u.a. Wohnungseinrichtung erhoben wurden, zeigt sich, dass es bei Wohnaccess- soires wahrscheinlich ein kleines Minus von einem Prozent gegenüber dem Vorjahr, bei Möbel allerdings ein leichtes Plus von 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr geben wird. Das Plus bei Wohnmöbel ist insbe- sondere im Bereich Betten und Matratzen sowie bei Küchenmöbel mit jeweils rund 2 Prozent durchaus signifikant, bei Sofas und Sitzgarnituren sind es 1,5 Prozent und bei „Sonstige Möbel“ zirka 1,1 Prozent. Überrascht das starke Wachstum in einigen Bereichen? Möglicherweise zeigen sich kleine Corona- Auswirkungen bei Küchenmöbeln sowie Betten und Matratzen. Es mag sein, dass Konsumenten dadurch, dass sie verstärkt daheim sind, merken, dass ihre Matratzen endlich getauscht werden sollten, weil sie im Privathaushalt ja durchschnittlich nur alle 15 Jahre gewechselt werden und da- mit deutlich später als von den Herstellern empfohlen. Bei Küchenmöbeln könnte auch die steigende Anzahl an Fertigstellun- gen ein Grund für das Umsatzwachstum sein. Angesichts der Umsatzeinbußen in vielen Bereichen unserer Wirtschaft, nicht zuletzt weil der private Konsum heuer um rund sechs Prozent einbricht, ist das kleine Plus für den Möbelhandel ein durchaus ak- zeptables Ergebnis. Kommt auch der Bereich Homeoffice im Wachstum der Möbel zum Tragen? Stichwort: Arbeitsplatz zuhause. Das fällt bei uns unter die Kategorie „Sonstige Möbel“ und auf den Möbel- markt hatte die Krise sicher weniger Ein- fluss als auf den Absatz von Notebooks und Tablets. Wir können nicht nachvollzie- hen, dass signifikant mehr Drehstühle oder Arbeitsplätze für das Homeoffice gekauft wurden. In den meisten Fällen wird Ho- meoffice ja bekanntlich am Wohnzimmer- oder Esstisch umgesetzt, weil kein eigener Raum zur Verfügung steht. Ich gehe davon aus, dass das Thema Homeoffice mit der Normalisierung der Lage von selbst abflaut und auf Vor-Corona-Niveau zurückgeht, weil die Produktivitätsdefizite im Homeof- fice einfach zu groß sind. Hat der Möbelhandel grundsätzlich von der Krise profitiert? Das ist die spannende Frage. Im Jahr 2019 investierten die privaten Haushalte in Möbel und Wohnaccessoires knapp vier Milliarden Euro. In Summe lag das Umsatzplus bei 1,9 Prozent, alleine bei Möbeln 1,8 Prozent und im Jahr 2020 sind es bei Möbeln plus 1,4 Prozent. Ein positiver Corona-Effekt sieht anders aus. Dass die Geschäfte mit der Wiederöffnung nach dem Lockdown ge- stürmt wurden, ist naheliegend, gab es doch einen großen Nachholbedarf aus acht Wo- chen Schließzeit. Wenn sich dies nicht aus- gewirkt hätte, wäre es traurig gewesen. Der Möbelhandel steigt heuer mit einem Plus von etwa einem Prozent echt gut aus, berücksichtigt man, dass sich die Sparquote vom verfügbaren Einkommen bei nahezu konstanter Kaufkraft vermutlich von 7,5 auf 15 Prozent verdoppelt. Deshalb aber von einem Corona-Effekt im Einrichtungs- bereich zu sprechen, finde ich übertrieben. Wenn sich etwas durch Corona wirklich geändert hat, dann nicht dass Konsumen- ten mehr kaufen, sondern sich Anbieter unterschiedlich entwickeln, je nachdem ob ihr Fokus auf privaten oder gewerblichen Kunden liegt, wie Unternehmen positio- niert sind. Was wir jetzt schon messen ist, es kommt zu riesigen Verwerfungen in den Anbieterstrukturen. In unseren aktuellen MAG. ANDREAS KREUTZER „DER MÖBELHANDEL STEIGT GUT AUS“ Lockdown und Homeoffice haben dem Möbelhandel offenbar nicht wirklich geschadet. Der Umsatz könnte 2020 trotz Corona wachsen, einige Bereiche sogar signifikant, wie eine brandneue Markt- studie von BRANCHENRADAR.com Marktanalyse zeigt. wohninsider hat bei Andreas Kreutzer, Geschäftsführer Kreutzer Fischer Partner, genauer nachgefragt. V on S ylvia P ilar „Die Unternehmen sind gut beraten, sich darauf einzustellen, dass der richtige Aufschwung erst 2022 kommen wird.“ Mag. Andreas Kreutzer Fotos: David Bohmann, Tabelle: Branchenradar
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