Oktober/November 2020
32 wohninsider.at |Oktober/November | 05.2020 DESIGN : TRENDS SERDAL KORKUT AVCI Vom ge’hack’ten Hirn wohninsider: Herr Avci, praktisch Ihr ganzes Berufsleben be- gleitet Sie schon das Unternehmen Arçelik. Ausbildungs- seitig kommen Sie von einem sowohl kaufmännischen als auch technischen Hintergrund. Wie hat diese Tatsache Ihre Herangehensweise in Sachen Produktdesign allgemein und speziell in Bezug auf Hausgeräte beeinflusst? Serdal Korkut Avci: Im Grunde war ich schon von Kindes- beinen an in die Technologieentwicklung verliebt, war in den vergangenen Jahren in verschiedenen Bereichen in der Produkt- entwicklung des Unternehmens tätig. Während dieser Zeit war ich stets im Austausch mit dem industriellen Produktdesign. Ich denke, dass die Erschaffung und Realisierung eines Produkts heute ein Prozess ist, der eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Design, Forschung & Entwicklung sowie Consumer Insight-Teams erfordert. Zusätzlich wurde es in den vergangenen fünf bis sechs Jahren immer bedeutender, die Marktforschung miteinzubeziehen. Auf jeden Fall hat mir mein Background sehr geholfen, etwa auch in Bezug darauf, was in der Herstellung überhaupt möglich ist und welche mechanischen Lösungen dazu erforderlich sind, wo wir möglicherweise verlangen, dass z. B. Fertigungsteams nacharbeiten. Kurz: Produktentwicklung ist für uns bei Arçelik ein hybrides und kooperatives Modell aus alledem. Wie würden Sie Ihre Arbeit bezeichnen? Sind Sie im Herzen ein Künstler oder Techniker oder...? Ich sehe mich als Künstler, arbeite immer aus dem künstlerischen Blickwinkel, aber reduziere es eben nicht darauf. Mein Team und ich bieten Lösungen an, die wirtschaftliche als auch künstlerische, ergonomische und aktuelle Inhalte haben, die den Möglichkeiten und Fähigkeiten unserer Produktion nahe kommen. Was mich persönlich betrifft, liebe ich alle Zweige der klassischen bis modernen und zeitgenössischen bildenden Kunst. Ich male auch und versuche auf dem Laufenden zu bleiben, was die Entwicklung der Künste betrifft. Das ist wahrscheinlich ein weiterer Vorteil, den ich in meinem täglichen Geschäft auch umsetzen kann. Anders formuliert: Ist “reines Design”, ohne Konnektivität, technische, wirtschaftliche oder wissenschaftliche Zusam- menhänge zu bedenken (Stichwort Neuro-Eye-Tracking, etc.) in diesem Bereich überhaupt noch möglich? Für mich stellt sich da die Frage: Was ist pures Design überhaupt? Was ist es, dass die Sinne der Menschen berührt, ihre Gefühle und damit auch Entscheidungen? Die Menschen wollen, dass die Tech- nik für sie eine Lösung bietet, aber gleichzeitig haben sie Angst vor der möglichen Komplexität der Technologie. Ziel ist es, eine Ver- bindung zwischen dem Produkt und dem Benutzer herzustellen und gleichzeitig eine klare Nutzengeschichte zu liefern. Man muss eine Lösung anbieten, denn wir verkaufen schließlich keine Skulpturen. Wie sieht es mit Österreich und der ganz speziellen Marke elektrabregenz aus? Ja, die Marke elektrabregenz ist wirklich einzigartig. Und der österreichische Konsument vertraut sehr stark auf bekannte Werte und Tradition. Daher ist es sehr schwierig in diesem Markt eine neue Marke zu etablieren. Österreicher vertrauen auf Authentizität, Qualität, und auch versteckte Werte, wie Service. Im Falle des Falles muss einfach ein Ansprechpartner da sein. Zudem zählen hier Funktionalität und zeitgemäße minimalistische Ästhetik. Die Geräte müssen leicht verständlich und bedienbar sein und ich denke, die Österreicher mögen nicht zu viele Kurven (lacht). Meiner Meinung nach hängt das auch sehr stark mit dem nordeuropäischen Einfluss zusammen, Stichwort Bauhaus, Form folgt Funktion, usw. Welche Ziele verfolgt Arçelik in Europa und Österreich und wie möchte man diese erreichen? Serdal Korkut Avci ist ein Allround-Talent. Der Industrial Design Director von Arçelik, Mutter-Konzern von Beko, elektrabre- genz und Grundig, verfügt nicht nur über eine technisch und wirtschaftlich fundierte Ausbildung, sondern auch noch über einen künstlerischen Hintergrund. Im Video-Interview mit wohninsider- Redakteurin Lilly Unterrader verrät er, warum Produkt-Design heute ein hybrider und kooperativer Prozess ist, was Künstliche Intelligenz in der Waschmaschine zu suchen hat und warum das Hacken (engl.) des menschlichen Hirns unvermeidbar ist... Von Lilly Unterrader Serdal Korkut Avci ist Künstler, Techniker und Wirtschafter in Personalunion. Sein Zugang zu Industriedesign ist breit aufgestellt. Fotos: Arçelik, Elektra Bregenz AG Gesamtes Interview online lesen: bit.ly/33zfIu7
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