„Die formalen Spielmöglichkeiten sind unendlich“

Christian Kroepfl hat schon viele Tische gestaltet. Funktion ist für ihn die oberste Prämisse und findet vielfältig ihre Form. Der Architekt und Designer im Talk über seinen Designprozess, Sinn und Unsinn im Tischdesign und schlummernde Potenziale, für die es nur eines braucht: Mut, quer zu denken.

Von Sylvia Pilar

Wie verläuft der Prozess des Tischdesigns?

Ich gestalte unterschiedlichste Produkte und der Ausgangspunkt ist meist ähnlich. Ich entwerfe Designs, trete mit diesen Entwürfen an potenzielle Produzenten heran und meist nimmt dann alles seinen Lauf. Aktuell stehen wieder mehrere Esstisch-Projekte am Start, die aber noch nicht so spruchreif sind, dass ich schon mehr erzählen kann.

 

Worin liegen in puncto Designentwicklung die Unterschiede bei den verschiedenen Tischvarianten?

Es kommt ganz darauf an, wofür der Tisch gedacht ist. Beim Esstisch sitzen Personen ja höher als an einem „Schreibtisch“, es braucht eine andere Tiefe, sie sitzen sich oft gegenüber, außerdem muss in der Mitte der Tisches, an dem das Familien- und Freundesleben stattfindet, mehr Platz sein, um dort Speisen oder Deko platzieren zu können. Generell geht es stark darum, wie groß der Raum ist, in dem der Tisch positioniert ist, und welche Anforderungen er erfüllen soll.

 

„Bei mir steht im Designprozess immer die Funktion ganz am Anfang.“

 

Gibt also die Funktion das Design vor?

Es geht in erster Linie um die Funktion. Funktion im Design wegzudenken geht nicht. Ansonsten würde es zu Kunst werden, das Kunst-Sein wäre die Funktion, quasi Design sui generis. Der Begriff Funktion hat viele Ausprägungen. Auch Repräsentation kann eine Funktion und ein Tisch ein Statement sein.

Bei mir steht im Designprozess immer die Funktion ganz am Anfang. Die Frage ist, was das Produkt können muss, ob der Entwurf je nach Produzent mehr Schlosser- oder Holz-, also Tischler-orientiert ist, was vor allem für die Realisierung des Untergestells entscheidend ist. Dann geht es an die Oberflächenentwicklung. Know-how und technische Möglichkeiten der Produzenten geben den Takt vor. All das sind entscheidende Punkte, im Endeffekt muss der Tisch ja in die Produktlinie der Unternehmen passen, Verkauf und Kund:innen müssen ihn mögen.

 

„Natürlich ist ein Tisch im ersten Moment eine Platte mit einer geraden Oberfläche, aber Funktionalität und Cleverness liegen in vielen Details.“

 

Ist es angesichts der Fülle an Tischen, die auf dem Markt sind, schwierig, noch einen innovativen Wurf zu landen?

Nein, weil sich die Funktionen ändern und neue Ansprüche und Materialien die Möglichkeiten erweitern. Natürlich ist ein Tisch im ersten Moment eine Platte mit einer geraden Oberfläche, aber Funktionalität und Cleverness liegen in vielen Details. Gewisse Designentscheidungen sind schlichtweg funktionell bedingt, beispielsweise ist der maximale Durchmesser bei einer runden Tischplatte beschränkt, weil sich der Tisch sonst nicht mehr leicht reinigen lassen würde. Es gibt so viele formale Spielmöglichkeiten, die sich ausprobieren lassen. Das ist nicht die Herausforderung, sondern dass das Produkt in gewisse Produktlinien und zum Markt passen muss. Die Märkte sind sehr unterschiedlich. Österreich ist ein sehr konservativer, wenig progressiver Markt. Es braucht länger, bis sich Hersteller wirklich auf ein neues Produkt einlassen , dafür sind die Produkte schon sehr ausgereift, wenn sie in den Verkauf kommen.

 

Tische, so scheint es, sind in den letzten Jahren immer größer geworden. Trügt der Schein?

Dass Tische weiter wachsen kann ich so nicht unterschreiben und halte eine solche Entwicklung auch für Unfug. Viele Möbel sind am Markt vorbei geplant. Die Wohnungen werden momentan ja kleiner, das wird aber oft nicht ausreichend berücksichtigt, sondern Möbel werden für riesige repräsentative Räume entwickelt, dann runterskaliert und schauen daher oft seltsam aus.

 

„Der Tisch ist sicher das Kernelement im Wohn- und Essbereich. Nicht seine Rolle, sondern die Art wie Menschen zusammenleben ändert sich stetig.“

 

Gibt es denn eine optimale Tischgröße?

Das hängt von der Größe des Zimmer ab, vom Raum, von der Anzahl der Personen und der Funktion ab. Kund:innen im deutschsprachigen Raum mögen Auszugsplatten, die damit begründet werden, dass es damit mehr Möglichkeiten gibt. In anderen Ländern ist das hingegen irrelevant. Wenn man nachfragt, wird diese Option nur wenige Male im Jahr wirklich benötigt. Dafür ist das Investment verhältnismäßig hoch. Ökonomischer wäre es, einen einfachen Esstisch zu haben, und wenn sich mehr Personen ankündigen einfach einen zweiten Tisch dazuzustellen, der die restliche Zeit anderswo zum Einsatz kommt und damit quasi immer in Verwendung ist. Die Anschlussplatte hat wiederum das Problem, dass sie viel Zeit ungenutzt herumsteht bzw. Platz wegnimmt, und die Auszugsplatte, dass sie im Tisch ruht und, wenn sie aus Holz gefertigt ist, sich farbliche Unterschiede aufgrund der unterschiedlichen Sonneneinstrahlung ergeben. Diese Lösungen sind für meinen Geschmack viel Aufwand für sehr wenig Einsatz, aber am Ende entscheiden natürlich die Kund:innen, technische Spielereien bzw. Möglichkeiten haben einfach ihren Reiz.

Stichwort Material: Was ist denn aktuell angesagt?

Eine spannende Entwicklung im Bereich Material ist, dass derzeit Nussholz mehr oder weniger wegfällt, weil es schlichtweg zu teuer ist. Wir machen jetzt ein Experiment mit Esche, die farblich behandelt wird. Das könnte eine gute Option sein. Wenn ein Tisch alleine durch das Material so viel teurer wird, dass er unerschwinglich ist, ist das mit Blick auf die Konsument:innen und den Markt sinnlos. Es gibt zwar eine Kund:innenschicht, für die der Preis keine Rolle spielt, grundsätzlich sind Konsument:innen abgesehen vom Luxussegment derzeit aber zurückhaltender und die allen bekannten Herausforderungen schlagen sich natürlich auf die Materialwahl und generell im Konsumverhalten nieder.

 

Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft?

Es gibt natürlich Unternehmen, die zirkuläre Kreisläufe haben. Ich brenne für Kreislaufwirtschaft, es ist in Österreich aber noch ein überschaubarer Markt. Tische sind in der Regel Gebrauchs- und keine Luxusgegenstände, der Preis ist ein entscheidendes Kaufkriterium und entweder gefällt der Tisch oder eben nicht.

 

 „Den Mut, etwas auszuprobieren, vermisse ich etwas, dabei liegen genau darin viele Chancen.“

 

Hat sich die Rolle des Tisches verändert?

Der Tisch ist sicher das Kernelement im Wohn- und Essbereich. Nicht seine Rolle, sondern die Art wie Menschen zusammenleben ändert sich stetig. Familien werden kleiner, genauso die Wohnformen. Bei kleineren Wohnformen ergeben kleinere Einrichtungselemente einfach Sinn. Das betrifft aber bei weitem nicht nur den Esstisch. Ich arbeite seit Jahren zum Beispiel mit Wieland Heinze an kleineren Möbeln für kleinere Wohneinheiten. Die österreichischen Hersteller haben dieses Potenzial zwar erkannt, aber deren Interesse hält sich diesbezüglich in Grenzen.

Wo siehst du Trends und die Zukunft?

Ich glaube, dass sich Tische beispielsweise hervorragend für Upcycling eignen, indem bestehende Materialien wiederverwendet werden, beispielsweise aus einer Tür ein Tisch wird. Da gibt es sehr viele Möglichkeiten, man muss sich nur trauen. Den Mut, etwas auszuprobieren, vermisse ich etwas, dabei liegen genau darin viele Chancen.

 

christiankroepfl.com