Michael Mehnert: Die besten acht Jahre meines Lebens

Nach acht Jahren kehrt der langjährige BSH-Österreich-GF Michael Mehnert in seine Wahlheimat Bayern zurück, um die Nachfolge von Roland Hagenbucher als Geschäftsführer der SEG Hausgeräte (Siemens) anzutreten. Mit wohninsider sprach er über den Vorteil von Rennbooten in der Krise, der Sorgsamkeit für Mitarbeiter und den wohl besten Wein von Wien.

 

Von Lilly Unterrader

Die Zeit des Übergangs ist immer eine besondere, im Alten nicht mehr dabei, im Neuen noch nicht angekommen, lebend in zwei Parallelwelten, die für eine kurze Periode vereinbart werden müssen. Wohninsider traf Michael Mehnert eben in der Zeit des Abschieds von Österreich, ehe sich der Manager Anfang April seinen neuen Agenden als Geschäftsführer der SEG Hausgeräte zuwendete, zu einem durchaus persönlichen Gespräch.

Herr Mehnert, wie war das vergangene Jahr für die BSH?

Rein wirtschaftlich gesehen war es ein sehr gutes Jahr, wir sind über dem Markt gewachsen (+15%) (siehe auch Kasten BSH Bilanz) und haben Marktanteile dazugewonnen – und das vor dem Hintergrund der Lieferproblematik, die ja die gesamte Branche betroffen hat und noch immer betrifft.

An dieser Stelle möchte ich aber auch gleich eine Botschaft an unsere Partner senden, dass wir uns bedanken für den wahnsinnigen Einsatz und gleichzeitig auch entschuldigen. Die Prognosen werden JEDEN EINZELNEN TAG aufs Neue auf eine Probe gestellt. Das bringt sicher einige zur Verzweiflung. Und ich verstehe auch jeden Endkonsumenten, der aufgeregt ist, weil sein Gerät noch nicht angekommen ist. Wichtig ist – und das dürfen Sie uns glauben – wir haben alles in die Waagschale geworfen, um die Situation zu beherrschen. Jedoch: Wir sind auch jetzt noch nicht über dem Berg. Bitte noch um etwas Geduld!

Aber es gibt auch eine positive Botschaft: Die Nachfrage nach Küchen ist ungebrochen!

Wann gibt es Ihrer Ansicht nach Entspannung?

Vor der Ukrainekrise dachten wir, dass es ab Q4 2022/Q1 2023 Entspannung geben könnte. Wir rechnen für das laufende Geschäftsjahr, dass wir in etwa die gleiche Menge liefern werden wie 2021.
Für uns stellt sich jedoch die Frage: Reicht das? Und welche weiteren Themen kommen auf uns zu?
Die Energiepreise steigen stark, die Sparquote wird weiter steigen, viel wird in Sicherheit investiert …

Können Sie vor diesem Hintergrund für Ihre Marken den Trend zu hochwertigen Marken bestätigen?

2021 war das erfolgreichste Jahr für Gaggenau bislang. Aber es sind auch alle anderen Marken gut gewachsen. Wir hatten keine Ausreißer.

Also sind auch die Durchschnittspreise gestiegen?

Ja, der Kassenbon ist gestiegen. Das lag an der Struktur und auch an der notwendigen Preiserhöhung. Vielleicht kam hier auch das Thema Vernetzung ein bisschen stärker zum Tragen, weil sich die Menschen mehr damit auseinandergesetzt haben. Definitiv ist es aber so, dass wir eher die höherwertigen Baureihen verkauft haben.

Stichwort Preiserhöhung: Wie ist die aktuelle Situation aus Sicht des Herstellers?

Wir erleben noch immer eine Warenknappheit, Vorlieferanten haben Verträge aufgekündigt und die verfügbare Ware höherpreisig verkauft.
Sie müssen bedenken, wenn wir eine neue Baureihe launchen, müssen wir schon zwei Jahre im Voraus die Verträge verhandeln. Plötzlich wurden diese kurzfristig aufgelöst und man muss auf die höheren Preise eingehen, weil man sonst nicht an die Materialien kommt.

Was hat die BSH aus der Situation der vergangenen zwei Jahre gelernt?Wie hat man reagiert?

Die Situation war für ja für alle mehr oder weniger die gleiche. Wir haben natürlich im März 2020 alle Mitarbeiter ins Home Office geschickt. Dabei hat man sicherlich gemerkt, dass vieles auch digital geht und die Effizienz sich enorm steigern lässt. Trotzdem bleibe ich dabei, der persönliche Kontakt ist durch nichts zu ersetzen.
Was sich jedenfalls gezeigt hat, ist, dass es hier hilfreich ist, wenn Mitarbeiter eine lange Firmenzugehörigkeit haben, sich die Leute schon gut kennen, dann kann man auch unter solchen Bedingungen gut zusammenarbeiten.
Auf der anderen Seite hat die neue Situation auch viel Positives zu Tage gefördert: Viel Kreativität – auf Social Media haben wir etwa Kochshows etabliert, wir sind wesentlich stärker in das Thema Digitalwerbung eingestiegen, haben die Digitalisierung in allen Bereichen vorangetrieben. Und wir haben den guten Geschäftsverlauf genutzt, um mehr Endkonsumentenwerbung zu betreiben. Unter dem Strich haben wir noch nie so viel TV-Werbung gemacht, wie in den vergangenen zwei Jahren.

Was hat man unternommen, um die Liefersituation abzufangen?

Wir waren kreativ, haben teilweise kurzfristig neue Geräte ohne Home Connect auf den Markt gebracht. Hätten wir das nicht gemacht, wären wir in einer Fabrik zeitweise auf 50% Auslastung zurückgefallen. Man musste viel improvisieren und kreativ und flexibel sein. An dieser Stelle möchte ich den Leuten in der Produktion und Entwicklung meine Hochachtung und meinen Dank aussprechen.

Wie lautet nun Ihre persönliche Bilanz?

Es waren acht tolle Jahre, auch wenn ich am Beginn als Deutscher hier schon eine längere Eingewöhnungsphase brauchte. In Deutschland muss ich mich wieder an einer anderen Arbeitsweise orientieren. Und das meine ich nicht negativ, sondern, dass die Hierarchien hier einfach viel flacher sind und es in Deutschland einen größeren Abstimmungsbedarf gibt.


Was hat Ihnen besonders gefallen, bzw. was werden Sie am meisten vermissen?

Was mich wirklich beeindruckt hat, ist der Zusammenhalt – die Verbundenheit der Österreicher zum Land und zu regional produzierten Produkten. Das war neu für mich. Dass man aufeinander achtet und wie man miteinander Geschäfte macht, das ist wirklich sehr toll.

Fehlen wird mir sicherlich auch die Gastronomie. Jedes Lokal hier in Wien hat seinen Charme, es gibt Top Gastronomie und Top Qualität, hervorragende Wiener Küche (übrigens ist Wien die einzige Küche, die nach einer Stadt benannt ist, Anm.) Ich mag z.B. sehr Plachutta oder das Steman im sechsten Bezirk.

und Ihre berufliche Bilanz?

Für mich war das schon ein Sprung in etwas Neues. Ich war noch nie Geschäftsführer und hatte in Wien ein breites Spektrum zu verantworten. Ich konnte auch sehr viele schöne Projekte realisieren.
Wir haben in dieser Zeit die neue Konzernstrategie mit Fokus auf „consumer centricity“ eingeführt, sind dadurch näher an den Endkonsumenten gerückt, haben die Marken stärker differenziert und im Zuge dessen wurde 2016 auch die Stilarena gebaut. Das war für mich ein Riesenprojekt und wenn ich heute durchgehe, bin immer noch sehr stolz darauf, das gemeinsam mit meinem Team realisiert zu haben. Weil es einfach ein schöner, inspirierender Platz geworden ist.
Zu den größten Herausforderungen in meiner Zeit hier zählte zweifelsohne, als Horst Neuböck aus dem Mittelstandskreis ausgestiegen ist. Wir mussten damals in kurzer Zeit einen neuen Hafen für die angeschlossenen Händler finden und haben den österreichischen mit dem deutschen Mittelstandskreis fusioniert. Rückblickend war diese Entscheidung goldrichtig, weil wir in den Jahren darauf den Umsatz vervielfacht haben mit MK-Ware. Ebenso ist die Zahl der angeschlossenen Händler von 230 im Jahr 2017 auf aktuell 340 gestiegen.

Und natürlich war auch das Thema D2C in Form des Bosch-Stores, den wir als ersten Piloten europaweit auf der Mariahilfer Straße eröffnen durften, eines der Highlights.

Ein Schritt, der von vielen Händlern nicht unbedingt goutiert wurde …

Wir sind damals nicht mit dem Ziel gestartet, das Konzept auszurollen, sondern die Ambition war, zu lernen, wie das D2C-Geschäft funktioniert. Und natürlich wollen wir dort die gesamte Breite der Marke Bosch präsentieren, wie es sonst eigentlich nicht möglich ist.
Nach fünf Jahren können wir sagen, wir haben in der Tat sehr viel gelernt und unser Verständnis und Respekt vor der Leistung der Handelspartner sind jetzt noch größer.

Mittlerweile gibt es ja schon fünf Stores … Sind weitere geplant? Und wie sieht es mit Deutschland aus?

Es sind keine weiteren mehr in Österreich geplant. Wir sind u.a. mit unseren Mittelstandskreis-Partnern so gut aufgestellt, dass wir den österreichischen Markt sehr gut abdecken. Mit unseren Exklusivsortimenten für den Mittelstandskreis und den Küchenhandel bieten wir dem Fachhandel ein eigenes Geräteprogramm, welches wir im D2C Bereich nicht nutzen. Auf der anderen Seite gibt es einige Produkte, die vorrangig über Ambassadors und unsere eigenen Kanäle vertrieben werden, wie etwa der Bosch Cookit.
Für Deutschland gibt es derzeit keine konkreten Pläne, aber perspektivisch gesehen wird es sie sicher geben. Das wesentliche Konzept der Stores ist ja: Das Erlebnis so gut und den Kauf so bequem wie möglich für den Endkonsumenten zu machen.

Zurück zum Mittelstandskreis. Der war ja vor einigen Jahren Trendsetter in Sachen Vermietung von Hausgeräten. Wird das seitens der BSH wieder forciert (z.B. mit BlueMovement), bzw. sehen Sie darin einen Zukunftsmarkt?

Einige Händler nutzen das noch über den Club Weiß, den Horst Neuböck nach wie vor betreibt. In Deutschland und den Niederlanden betreiben wir Geräte-Vermietung unter dem Namen „Blue Movement“ selbst. Wir wissen heute auch, dass das Thema Besitzen für jüngere Generationen eine geringere Bedeutung hat, aber gegenwärtig überwiegt deutlich das Interesse am Kauf. Ich bin daher skeptisch, ob es derzeit weiterer Systeme bedarf um die Vermietung auszubauen.

Können Sie eine Einschätzung treffen, wie viel Umsatz in Zukunft über D2C gehen wird?

Meiner Ansicht nach etwa 5-10%. Wir verfolgen mit unserem D2C-Geschäft einen Omnichannel-Ansatz. Schwerpunkt unserer Vermarktungsstrategie bleibt aber, dass wir schwerpunktmäßig unsere Geschäfte mit dem Fachhandel machen möchten.

Wie sehen Sie die Zukunft? Was raten Sie einem etablierten Studio um weiterhin erfolgreich zu sein?

Dass sie Planer und Monteure pflegen! Wir sehen, dass es zu Engpässen aufgrund des Fachkräftemangels kommen wird, denn die werden in Zukunft noch mehr gefragt sein. Auch wird es eine Konzentration im Handel geben, weil es bei vielen Unternehmen keine Nachfolge gibt. Daher darf man die Themen des demografischen Wandels nicht aus den Augen verlieren. Und Employer Branding wird eine große Rolle spielen. Nicht nur für die Mittelständler, sondern auch für die Hersteller.
Daher rate ich jedem, für ein gutes Betriebsklima zu sorgen, um die erste Adresse zu sein für jeden, der in der Branche arbeiten möchte.

Wo sehen Sie die Stärken des Küchenfachhandels?

In der Flexibilität. Das hat sich insbesondere in der Coronazeit gezeigt. Die Kleinen haben immer weitergearbeitet. Und die Gewinner der Krise sind auch die KMU. Ich glaube nicht, dass es eine „Normalität“ wie vor drei Jahren wieder geben wird, sondern dass volatile Zeiten eher zur Regel werden und dann ist die Frage, wie man damit umgeht. Auf unerwartete Situationen muss man mit der notwendigen Flexibilität und Kreativität zugehen. Und da sehe ich die KMU klar im Vorteil. Da haben Rennboote einen Vorteil gegenüber großen Tankern.
Was noch eine Rolle spielt: Corona hat dazu geführt, dass den Menschen das Zuhause wichtiger geworden ist. Und mehr Home-Office bedeutet mehr Platz, bedeutet mehr Möbel, bedeutet: Ich nutze es öfter und intensiver.
Insgesamt denke ich, dass die Geschäftsaussichten für die Zukunft eher sehr gut sein werden. Denn wir reden hier immerhin über den Lieblingsplatz der Menschen – und das ist ihr Zuhause.
Darüber hinaus haben wir meiner Ansicht nach eine Überkapazität an Flächen. Einerseits wird mehr online gekauft, und das wird auch so bleiben. Der Fachhandel hat aber viel auffangen können.
Die Großflächen hatten alle mit Frequenzverlust zu kämpfen. Wir selbst haben auf der Mariahilferstraße jetzt 30 % weniger Frequenz als vor Corona. Somit gehe ich davon aus, dass wir eine Flächenreduktion erleben werden.

Zu Ihrer persönlichen Zukunft, welche Herausforderungen warten auf Sie im neuen Job?

Neben der bereits erwähnten anderen Arbeitsweise freue ich mich auf das Team, das ich übernehmen werde. Ich habe zudem das Glück, einen neuen Markenauftritt einführen zu dürfen. Die Marke Siemens bekommt im Laufe des Jahres ein neues Gewand, wir werden menschlicher und anfassbarer. Gleichzeitig bleiben fortschrittliche Technik und intelligente Innovationen als Kernwerte. Das finde ich toll. Das passt gut in die Zeit.Und ich übernehme eine riesige Verantwortung: Wir sind in Deutschland Marktführer als Einzelmarke mit großem Abstand. In 2021 hat die BSH nochmals zugelegt. Da habe ich großen Respekt davor, das zu halten. Und es kommen einige sehr interessante und für die Marke wesentliche Produktreihen in den nächsten Monaten und Jahren.

Abschließend, was möchten Sie unseren Lesern noch mitteilen?

Rückblickend waren es die besten acht Jahre meines Lebens – bislang – das kann ich sagen, weil ich noch nicht weiß, was auf mich zukommt. Lacht
Ich möchte mich bei meinen Vorgesetzten für die Freiheit und das in mich gesetzte Vertrauen bedanken.
Unser jüngstes Baby „Refurbished“ ist ja gerade angelaufen und das sind alles Dinge, die wir – meine Kollegin Alexandra Dietmair als kaufmännische Geschäftsführerin und ich – uns erarbeitet haben. Denn das Projekt hätten wir nie bekommen, wenn wir nicht gezeigt hätten, dass wir D2C beherrschen.
Und wie erfolgreich „Refurbished“ ist, und dass wir am richtigen Weg damit sind, zeigt, dass wir am ersten Wochenende ausverkauft waren. Aus diesem Grund haben wir auch schon angekündigt, dass wir uns gut vorstellen können, den Handel mit einbinden zu wollen. Derzeit läuft das ja nur über unseren Bosch Online-Shop. Die Schwierigkeit besteht aktuell darin, brauchbare Ware zu bekommen. Wir haben für viele Jahre Ersatzteile. Aber wir bekommen derzeit so wenig brauchbare Geräte für die Wiederaufbereitung, obwohl wir in ganz Deutschland sourcen.

Wie lautet Ihre Prognose: Wie werden wir in 10-15 Jahren leben? Und wie wird sich der Handel gestalten?

Der Demografische Wandel wird sich fortsetzen, das schlägt sich nieder im Thema Pflege, aber auch bei anderen Dienstleistungen. Die individuelle Mobilität, Stichwort autonomes Fahren, Elektromobilität, auch auf zwei Rädern, wird sich verändern. Am spürbarsten wird das alles wahrscheinlich im urbanen Bereich werden.
Hinsichtlich unserer Branche glaube ich nicht, dass sich der Trend umkehrt und die Leute ihr Zuhause wieder weniger mögen werden. Der Trend zu den eigenen vier Wänden bleibt ungebrochen. Und da wird die Vernetzung neue Möglichkeiten der Bedienung bieten, die wir auch mit Home Connect und anderen digitalen Services abdecken können. Bei unseren neuen Backöfen gibt es neue Möglichkeiten für Kocherlebnisse, dass z.B. externe Rezepte zugespielt werden können.
Auch wenn die Skepsis heute noch groß ist, alle Hersteller werden Geräte zunehmend vernetzen und irgendwann erwartet der Konsument das einfach.
Ein weiteres Beispiel ist die Ferndiagnose: 15-20% unserer Kundendienst-Einsätze sind nur auf Bedienungsfehler zurückzuführen. Bei vernetzten Geräten können wir Probleme oft aus der Ferne, ganz ohne Anfahrt eines Kundendienst-Technikers lösen. Diese Dinge werden wir alle im Alltag spüren. Autos sind schon jetzt Computer auf Rädern. Wir werden uns noch mehr auf digitale Produkte verlassen. Was wir heute schon verbaut haben in den Geräten ist nur der Anfang. Aber ich habe keine Angst davor, ich bin neugierig und ich versuche mir diese Neugierde zu erhalten.
Das ist auch ein Tipp, den ich allen Lesern mitgeben kann: Bleiben Sie neugierig und werfen Sie den Blick nicht zu stark zurück, sondern in die Zukunft, mit dem Willen, diese mitgestalten zu wollen.

Was werden sie am meisten vermissen?

Mir war nicht bekannt, dass Österreich so eine gute Weinqualität hat. Und dass sogar mitten im Stadtgebiet Wein angebaut wird. Einfach toll! Ganz besonders mag ich den Roten Veltliner vom Weingut Fritz. Aber unter uns: Mein Weinkeller ist mittlerweile überwiegend rotweißrot. Nicht nur so bleibe ich auch künftig mit Österreich in vieler Hinsicht verbunden. lächelt