„Hotels sind Benchmarks und Schauräume“

Ulrike Nachbargauer erzählt Geschichten. Mit maßgeschneiderten Innenarchitektur- und Interior Design-Konzepten bereitet sie die Bühne für einzigartige Hotelstories. Hotels sind Inspirationsquelle wie Trendsetter, so die CEO von UNA plant und Innenarchitektin Bo:Ia, und „Hotels und Hotelgestaltung dürfen gerne mutiger sein.“
Von Sylvia Pilar

Gestaltung im Hotel hat viele Facetten. Wie gehen Sie an ein Hotelprojekt heran?

Ulrike Nachbargauer: Zunächst ist das Gespräch mit dem Hotelier entscheidend: Welches Thema soll das Haus prägen, wohin soll die Reise gehen?

Ich komme aus dem Theater und für mich ist Innenarchitektur immer eine Form des Geschichtenerzählens. In der Hotellerie geht es genau darum: eine Geschichte zu entwickeln, die das Haus positioniert und es von anderen unterscheidet.

Diese Geschichte erarbeite ich gemeinsam mit dem Auftraggeber und übersetze sie in maßgeschneiderte Raumkonzepte. Während größere Hotelketten oft mit Standards und vorgegebenen Katalogen arbeiten, eröffnet sich bei kleineren, persönlich geführten Häusern die Möglichkeit, ein ganz eigenes Branding zu entwickeln – das macht die Arbeit besonders spannend.

Wie viel Individualität ist in einem Hotel möglich?

Bei einem Hotelprojekt wirken viele Akteur:innen mit. Gestaltung ist daher nie Selbstzweck, sondern muss mit Funktionalität, Bestimmungen und Auflagen Hand in Hand gehen. Die Kunst liegt darin, diese unterschiedlichen Anforderungen zu verbinden und aus rein funktionalen Raumbüchern ein visuell stimmiges Gesamtkonzept zu schaffen. Genau an dieser Schnittstelle ist das künstlerische Auge gefragt.

 

Wie viel kreativer Spielraum ist gegeben?

Ich halte Kreativität in der Innenarchitektur für etwas anders, als man oft denkt. Viele stellen sich darunter reine Gestaltung vor – in Wahrheit ist das nur ein kleiner Teil. Ein Prozent ist Form und Farbe, der große Rest ist Management, Umsetzung und Problemlösung. Ein Hotel ist ein Betrieb und muss in erster Linie funktionieren. Das Design ist das i-Tüpfelchen, das dem Ganzen Charakter verleiht.

Kreativität bedeutet daher vor allem, funktional durchdachte und zugleich ästhetisch überzeugende Lösungen zu finden, die den Gästen ein besonderes Erlebnis ermöglichen.

Wie gestaltet sich Ihre Produktauswahl? Arbeiten Sie viel mit Tischler:innen für Individuallösungen zusammen? Gestalten Sie eigene Designs?

Hotelgestaltung unterscheidet sich auch in der Produktauswahl stark vom privaten Bereich. Neben strengen Vorschriften, etwa im Brandschutz, spielen vor allem Budgets und Lieferzeiten eine zentrale Rolle. Es geht um große Stückzahlen, Ausschreibungen und Preisvergleiche – und trotzdem muss ein Hotel sich mit seiner Einrichtung repräsentieren und von anderen abheben. Deshalb kombiniere ich Industrieprodukte mit eigens entworfenen Stücken. Gerade bei Bestandsobjekten oder im Altbau braucht es maßgeschneiderte Lösungen, die oft nur mit Tischler:innen und Handwerker:innen realisierbar sind. Viele Möbel entwerfe ich selbst, inspiriert von Reisen oder Messen. In der Hotellerie ist Zeitdruck ein ständiger Begleiter, daher spielen kurze Lieferzeiten eine große Rolle – noch ein Grund, warum das Handwerk unverzichtbar ist.

Spricht das für europäische Hersteller?

Ja, durchaus. Allerdings habe ich darauf nicht immer direkten Einfluss, da oft Generalunternehmer mit dem Innenausbau beauftragt werden. Sie koordinieren die Gewerke und setzen meine Planung um. Manchmal braucht es viel Überzeugungskraft, damit ein Entwurf nicht verwässert wird. Hier konsequent zu bleiben, ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit.

 

Gibt es Einrichtungs- oder Gestaltungselemente, auf die spezieller Wert gelegt wird?

Für mich ist das Wow-Erlebnis zentral. Wenn Gäste einen Raum betreten, soll er etwas auslösen – Staunen, Freude, Neugier.

Ein Hotel darf mutiger sein als das private Zuhause. Es setzt Benchmarks und inspiriert seine Gäste. Oft nehmen Menschen Ideen mit nach Hause, die sie später in ihren eigenen vier Wänden umsetzen. Insofern sind Hotels auch Schauräume für Interior Design. Und sie sind die beste Werbung für sich selbst, wenn das Design so besonders ist, dass Gäste es weitererzählen.

 

Sie kommen aus dem Theater und Bühnenbild. Wie viel Inszenierung steckt in der Hotelgestaltung und wie viel „Home away from home“-Feeling braucht es?

Bei einem Hotel geht es immer um Inszenierung. Ganz ähnlich wie im Theater: Ein gutes Stück lebt von seinen Schauspielern und dem Bühnenbild – und auch im Hotel verstärkt der Raum die Emotionen. Es lebt von den Menschen, die darin arbeiten und wohnen, und von der Rauminszenierung, die Atmosphäre schafft.

Ob ein Hotel ein Zuhause sein kann? Für mich ist ein Zuhause ein Ort, an dem man sich geerdet fühlt und das die eigene Persönlichkeit widerspiegelt. Das kann ein Hotel nicht leisten und es soll auch kein Zuhause ersetzen. Aber es lässt sich durchaus ein „cosy home“-Gefühl gestalten – ein „Zuhause auf Zeit“, in dem sich Gäste wohl und aufgehoben fühlen. Mit wenigen, gezielten Eingriffen lässt sich dieses Gefühl atmosphärisch erzeugen.
Räume und Möbel können das unterstützen, doch entscheidend sind immer die Menschen. Erst wenn Service, Herzlichkeit und echte Zuwendung stimmen, ist ein Haus wirklich beseelt – und dann wird es zu einem echten Home away from home.

Gilt das auch für den Privatbereich? Worin liegt der Unterschied bei der Gestaltung?

Hotellerie und Privatbereich sind zwei völlig unterschiedliche Welten. Der Planungsprozess läuft ganz anders ab: Während Hoteliers emotionsloser an die Gestaltung herangehen und mir als Profi voll vertrauen, ist das private Zuhause sehr viel persönlicher geprägt.
Hotels erfahren in der Regel nach sieben bis zehn Jahren ein gestalterisches Refresh – deutlich häufiger also als im Privatbereich. Das eröffnet mehr Spielraum für kreative Lösungen.

Die Hotellerie folgt dabei keinen Trends, sie ist vielmehr Trendsetter, gerade weil hier so oft neu gedacht und gestaltet wird. 

Im Gegensatz dazu soll ein privates Zuhause über viele Jahre, oft Jahrzehnte, gefallen und Bestand haben. Zeitlosigkeit spielt daher eine größere Rolle. Das bedeutet aber nicht, dass alles dezent bleiben muss – auch im Privaten setze ich bewusst Farbe und Muster ein, allerdings in ruhigeren, langfristig verträglicheren Varianten. Spannend ist, dass sich der Zugang derzeit verändert: Kund:innen sind viel offener geworden für akzentreichere Gestaltung.

Das richtige Gespür dafür, was funktioniert und was dauerhaft Freude bereitet, ist dabei die eigentliche Kunst.

 

una-plant.at