„Bad ist ein riesiger Markt“

Wie läuft es am Bad- und Badmöbelmarkt? Mit fünf Studien hat die Unternehmensberatung Titze hineingehört und zeigt spannende Entwicklungen wie Erkenntnisse auf. Wir haben bei Winfried Titze, Geschäftsführender Gesellschafter, genauer nachgefragt und im Gespräch mehr zu Status quo, Herausforderungen und Potenzial im Fachhandel erfahren.
Von Sylvia Pilar

Wie entwickelt sich der Badmöbelmarkt, speziell in Österreich?

Winfried Titze: Der Bad- und Sanitärmarkt ist 2024 in ziemliche Unruhe geraten, zumindest in einigen europäischen Ländern. Wir arbeiten bei unseren Marktstudien einheitlich für zehn europäische Länder, sprich Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande, Belgien, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien und Polen. Diese Länder zusammen sind mit 416 Millionen Menschen im Moment ein deutlich größerer und kaufkräftigerer Markt als der amerikanische mit 336 Millionen Menschen.

Deshalb ist es verwunderlich, dass sich die Europäer so schwach darstellen. Wenn sie stärker zusammenhalten würden, sähe es deutlich anders aus.

Bis 2022 ging es am Bad- und Sanitärmarkt auch tatsächlich dynamisch aufwärts. Nach dem schwachen Jahr 2020, bedingt durch den Anfang der Corona-Pandemie, zeigten sich in 2021 und 2022 sehr positive Entwicklungen. Im Jahr 2023, ungefähr zur Halbzeit, kippte das ganze Thema. Das hing mit der Zinsentwicklung, der Beschaffungsproblematik und den großen Schwierigkeiten im gesamten Bauwesen zusammen. In weiterer Folge sind die Zahlen in 2023 in einigen Warengruppen gesunken und diese Entwicklung hat sich 2024 fortgesetzt.

Dabei gibt es natürlich Unterschiede zwischen den einzelnen Warengruppen. Beispielsweise hat der Armaturenmarkt mit einem knappen Plus deutlich besser abgeschnitten als die anderen Segmente im Bad- und Sanitärbereich, die, zumindest in den deutschsprachigen Ländern, ein Minus verzeichnen. Der Hintergrund ist die eindeutige Kaufzurückhaltung, die 2024 eingesetzt hat. Übersetzt bedeutet dies, dass die Umsätze insgesamt zurück gehen und deutlich geringere Stückzahlen verkauft werden, obwohl die Produkte teurer, teilweise sogar erheblich teurer geworden sind.

 

Lässt sich eine Aufwärtstendenz, eine Konsolidierung erkennen?

Wir erwarten die Konsolidierung schon im zweiten Halbjahr 2025.

Das hängt in einigen Bereichen auch mit politischen Entwicklungen in den Ländern zusammen zusammen, in Deutschland beispielsweise mit den Abschreibungsmöglichkeiten im Neubau, aber auch der Zinsentwicklung, die auch mit der Trump‘schen Zollpolitik zusammenhängt. Auch in Österreich gibt es Veränderungen, hier hat im Gegensatz zu Deutschland aber zuletzt zumindest der soziale Wohnungsbau ein bisschen funktioniert. Ein Zahlenbeispiel: Von den im Jahr 2021 anvisierten 400.000 Wohnungen, die 2024/2025 fertiggestellt werden sollten, wurde zuletzt gerade mal die Hälfte realisiert.

 

Ist angesichts dieser Marktentwicklungen Licht am Ende des Tunnels erkennbar?

Wir gehen definitiv davon aus. Die Bevölkerung wächst ja weiter und damit wird die Nachfrage automatisch größer. Das ist ein Fakt. Die Frage ist nur, wie schnell es den Gesellschaften gelingt, die wachsende Bevölkerungsanzahl in die Prozesse, auch in die Arbeitsprozesse einzubinden, dass sie das nötige Geld haben, um beispielsweise auch Anschaffungen zu machen.

Das Geld sei durchaus da, wie oft betont wird, aufgrund der Unsicherheiten wird es aber nicht ausgegeben.

Dass das Geld da ist, steht außer Frage. Das Problem ist, dass es aktuell wieder in erheblichem Maße für Reisen ausgegeben wird. Inzwischen wird wieder genauso viel verreist wie 2020, es gibt bei Konsument:innen einen deutlichen Nachholbedarf, die derzeit lieber zwei, drei Mal auf Urlaub fahren als Anschaffungen in die eigenen vier Wände zu tätigen.

 

Sie haben mit insgesamt fünf Studien im Badbereich den Markt abgeklopft. Welchen Stellenwert haben Badmöbel, insbesondere auch im Verhältnis zu Badewanne, Dusche & Co.?

Grundsätzlich sind Bade- und Duschwannen ein klassisches Thema des Bad- und Sanitärmarkts.

Badmöbel und Spiegelschränke sowie Lichtspiegel sind ein Einrichtungsthema, das auch in erheblichem Maß von den Einrichtungsmärkten bedient wird.

Der Anteil des Marktvolumens von Badmöbel ist im Verhältnis zu anderen Badprodukten relativ gering. Der Anteil von Badmöbeln, Spiegelschränken und Lichtspiegel am gesamten österreichischen Bad- und Sanitärmarkt vor der Wand beträgt 14 Prozent. In Ländern mit großflächigen Möbelmärkten wie den deutschsprachigen Ländern werden Badmöbel in erheblichem Maße auch von diesen veräußert. Die Großfläche ist ganz klar der Treiber im Bereich Badmöbel. Dort gibt es beispielsweise Verkaufsflächen für Badmöbel, Spiegelschränke und Lichtspiegel, die von 1.500 bis 2.000 Quadratmeter umfassen, wodurch eine breitere Zielgruppe angesprochen wird. Das macht schon etwas aus. Das Thema Einrichten spielt bei Konsument:innen immer eine große Rolle. Es gibt aber nur zwei von sieben Produktgruppen im Badmöbelbereich, die stark im Möbelhandel verkauft wurden: Badmöbel und Badaccessoires. Die spannende Entwicklung ist, dass sich der Markt in diesem Bereich verschoben hat, weg vom Sanitär- hin zum Möbelhandel, aber auch zum Onlinehandel. Bei Letzteren gibt es neben bekannten großen Namen, die viel Umsatz machen, zudem Spezialisten für den Multichannel-Handel und hier haben wieder Großflächen-Anbietet und große Baumärkte die Nase vorne.

 

Woher kommt das?

Bei der Produktauswahl müssen wir immer im Blick haben, wo sich Konsument:innen informieren und wo sie die Produkte kaufen.

Das Problem des Bad- und Sanitärhandels ist die Dreistufigkeit. Endkund:innen können zwar Ausstellungen besuchen und erhalten Beratung, können ohne Architekt:in oder Installateur:in nicht kaufen. Das ist ein signifikantes Problem und gerade bei Badmöbeln ein noch größeres als bei klassischen Bad- und Sanitärprodukten wie einem Spiegel, der ohne Handwerker aufgehängt werden kann.

Das Angebot im Badmöbelbereich ist bei den Badmöbelherstellern klar gespreizt. Ein Großteil der Hersteller vertreibt über den Kanal Möbelhandel, teilweise und vor allem in der Schweiz auch über den Küchenhandel, es gibt aber auch reine Spezialisten, die über den Bad- und Sanitärhandel verkaufen. Was man nicht vergessen darf: Alle verkaufen mittlerweile auch online.

Es gibt also viel Potenzial für den Möbel- und Einrichtungsfachhandel im Badbereich? Das Interesse an Bad ist bei den Konsument:innen ja offensichtlich gegeben.

Das Interesse am Thema Bad ist sehr groß.

Bad hat einen deutlich größeren Gesamtmarkt als Küche.

Natürlich alle Badprodukte zusammengenommen, von der Dusche über die Armatur und Toilette bis zu den Accessoires. Bad ist ein riesiger Markt und ein Markt, der über viele Jahre den Bad- und Sanitärhandel einerseits und den DIY-Handel andererseits überlassen worden ist. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass für eine Badrenovierung mehrere Gewerke gebraucht werden, noch mehr als in der Küche. Renovierung ist ganz klar der entscheidende Faktor. Der Neubau bildet die Spitze und wenn sie sich halbiert, ist das am Gesamtmarkt spürbar, aber das eigentliche Volumen liegt in der Renovierung. Der Badrenovierungsmarkt wächst wenn Familien in eine neue Lebenssituation kommen, also die Kinder ausziehen, aber noch rasanter wenn die Menschen älter werden, so ab 60 Jahren, weil dann viel frei verfügbares Geld da ist und sie sich Gedanken machen, dass sie möglichst lange in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben wollen.

 

Stichwort: Barrierefreie Badgestaltung!?

Absolut. Das ist auch einer der Gründe, warum zum Beispiel bodenebene Duschen eine solche Entwicklung genommen haben.

Die bodenebene Dusche verdrängt ja in ganz erheblichem Maße alle anderen Duschsysteme, aber auch die Badewanne, weil es einfacher und gefahrloser für Menschen ist.

Das ist im Sanitärbereich ein ganz großes Marktfeld. (Mehr zur Studie zum Bade- und Duschwannenmarkt hier)

Ein Badmöbel zählt eigentlich nicht in diese klassische Badrenovierung, weil es meist früher ausgetauscht wird, immerhin reden wir dabei über eine Investition in einer Größenordnung von 1.000 und 5.000 Euro und nicht von einer Komplettbadrenovierung, die zwischen 20.000 bis 50.000 Euro oder darüber liegt. Das hängt, wie in der Küche, mit vielen Themen zusammen, beispielsweise mangelndem Stauraum. Dazu kommt das spannende Thema Lichtspiegel, also Spiegel mit Beleuchtungskonzept, das für Bewegung gesorgt hat. Es ist Produkt, das eine deutliche Innovation dargestellt und einen gewissen Umbruch im Markt angestoßen hat. Sie haben eine Lücke, die sich durch den Rückgang von Spiegelschränken aufgetan hat, geschlossen. Gleichzeitig sind auch Spiegelschränke wieder aufgekommen, weil viel Innovation stattgefunden hat und sie in besserem Design und Outfit zurückgekehrt sind. Das ist ein überaus interessanter, spannender Markt.

Sie haben Onlinehandel und Multichannel-Vertrieb angesprochen. Muss sich der stationäre Handel hier besser aufstellen? Ist Multichanneling der Schlüssel?

Die Multichannel-Händler sind klar im Vorteil. Man muss sich gut aufstellen. Der Vorteil, den stationäre Händler:innen haben, bleibt.

Sie können Konsument:innen mit ihrer Ausstellung ansprechen und mit der Präsentation überzeugen, die aber meistens leider nicht so gut ist. Hier gibt es noch viel Potenzial. Außerdem zählt die Beratungsqualität, mit der der stationäre Handel punkten kann. Es tut dem Handel sicher nicht weh, wenn Konsument:innen in den Laden kommen, sich informieren und dann zuhause bei diesen Profis online bestellen. Allerdings lassen sich Kund:innen oft beraten und schauen dann zuhause online, zu welchen Preisen das Produkt woanders bezogen werden kann. Das ist natürlich problematisch, Stichwort Beratungsdiebstahl. Daher sollten stationäre Händler:innen versuchen, das Geschäft auch wirklich stationär zu machen, und Kund:innen so zu begeistern, dass es zum Abschluss kommt.

 

Das Zukunftsfeld heißt bessere Präsentation und Positionierung?

Ich glaube, die Zukunft im Bad wird deutlich anders aussehen. Händler:innen werden nicht mehr nur die Badmöbel in die Ausstellung stellen und dort eine gewisse Anzahl an Badlösungen präsentieren, sondern viel mehr mit Virtual oder Augmented Reality arbeiten, um Kund:innen zu zeigen, wie das Bad mit neuen Badmöbeln und Produkten aussieht. Das ist ein Punkt, wo der Handel viel besser werden muss. Hier ist der Küchenbereich deutlich weiter, ebenso Spezialist:innen bei Badrenovierungen. Das Problem ist ja, dass Konsument:innen das Vorstellungsvermögen fehlt.

Moderne Technologien wie VR sind ja auch bei weitem nicht neu, sondern schon in anderen Bereichen gang und gäbe, und müssen auch im stationären Handel eingesetzt werden.

Es gibt ehrlicherweise aber auch zu wenig qualifiziertes Verkaufspersonal. Ohne kompetente Profis und gute Beratungsleistung ist es egal, welche Tools genutzt werden, sondern es geht nur um den Preis und es kann nur in den zwei untersten Preisklassen, Preiseinstieg und untere Mittelklasse, verkauft werden. Kompetenz ist immer ein wesentlicher Faktor, vor allem beim Verkauf von erklärungsbedürftigen Produkten. Wenn Händler:innen die Möglichkeiten und Vorteile qualitativ hochwertiger Produkte und Lösungen nicht vermitteln können, werden die Kund:innen diese auch nicht kaufen.

 

www.titze-online.com


→ Die komplette Studie kann bei der Unternehmensberatung Titze GmbH bezogen werden. Mehr Infos und Kontakt online auf der Website.