Mut zu mehr

Den Trends ist Alina Schartner nicht nur auf der Spur, sondern gut und gerne einen Schritt voraus und sieht bei Polstermöbeln spannende Entwicklungen. Im Talk verrät die internationale Trendexpertin & Design Consultant, warum mit der Farbgestaltung des „Herzstücks des Wohnbereichs“ das Interior Design steht und fällt, plaudert über aktuelle Tendenzen, die Power von Farben und Mustern – und warum sich mehr Mut zu beidem auszahlt.

Welche Rolle spielt das Polstermöbel im Wohnbereich und speziell die Farbe von Sofa & Co?

Polstermöbel sind nach wie vor meist das Herzstück des Wohnbereiches. Häufig ist die Farbe von Sofa, Sessel und Co. einer der ersten Fixpunkte bei der Erstellung eines Gesamtfarbkonzeptes, um den herum alles weitere geplant und gestaltet wird. Das macht Sinn. Deshalb automatisch auf übliche Farben zurück zu greifen wäre jedoch schade.

 

Welche Entwicklungen zeigen sich im Polstermöbelbereich?

Viele Bezugsstoffe werden immer strapazierfähiger, so dass sich mehr Menschen für andere Farben entscheiden, als dies vielleicht noch vor einigen Jahren der Fall gewesen wäre. Diese Entwicklung wird unter anderem durch textile Outdoor-Innovationen vorangetrieben. Stoffe für drinnen und draußen sind auf den ersten Blick oft kaum noch zu unterscheiden, auch das haptische Erlebnis nähert sich immer mehr an.

 

„Wer nur das bekannte, zurückhaltende Farbspektrum präsentiert, ist austauschbarer.“

 

Seit einiger Zeit ist auch wieder eine Zunahme an gemusterten Bezugsstoffen zu beobachten. Seien es Blockstreifen, biophile Designs, vom Art Déco Inspiriertes oder auch Karos aus mehrfarbigen Kett- und Schussfäden. Die Vielfalt der Möglichkeiten ist begrüßenswert. Mit Möbeln abseits des Bekannten ist es leichter, einen besonderen Raum zu schaffen.

Kritischer sehe ich den Trend zu mehr Nubukleder. Das ist nicht per se weniger langlebig, aber es liegt in der Verantwortung des Handels, die Käufer dahingehend zu schulen, dass Patina kein Mangel ist. Satinbezüge, wie wir sie verstärkt auf der Milan Design Week 2024 gesehen haben, halte ich unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit für schwierig. Auch wenn sie mittlerweile höhere Scheuertouren aufweisen, erreichen sie nie die Fleckbeständigkeit von stärker strukturierten Stoffen.

 

Bei Messeauftritten wird oft stärker auf Farbe gesetzt, bei der Präsentation im Geschäft und von Kund:innen meist auf das bekannte, zurückhaltendere Farbspektrum. Was spricht für (mehr) Farbe bei Polstermöbeln?

Wer nur das bekannte, zurückhaltende Farbspektrum präsentiert, ist austauschbarer. In vielen Ländern außerhalb des DACH-Raumes werden in den Geschäften auch mehr außergewöhnliche Farben gezeigt und damit auch viel häufiger verkauft. Die meisten Menschen brauchen Inspiration, bevor sie etwas Neues ausprobieren.

 

„Mit Möbeln abseits des Bekannten ist es leichter, einen besonderen Raum zu schaffen.“

 

Ein anthrazitfarbenes Sofa wird auch viel seltener in Social Media geteilt. Und kaum jemand wird spontan vor einem beigen Schaufenster stehen bleiben. Marketingfarben können und sollen durchaus vom Durchschnitt abweichen. Das muss ja nicht gleich kunterbunt bedeuten. Ein schilfgrünes, rostfarbenes oder jeansblaues Sofa ist beispielsweise für viele Menschen eine gute Option, wenn sie es vorab live sehen können. Und manche trauen sich dann doch auch an etwas in Orangerot, Sonnengelb oder Meertürkis und lieben es umso mehr.

 

„Wer selbst aus Unwissenheit Angst vor Farbe hat, wird es schwer haben, Mut zur Farbe zu wecken. Das ist verschenktes Potenzial.“

 

Die Mischung macht's. Generell können zukunftsorientierte Marken mehr lebendige (Trend)farben einsetzen, während traditionelle Marken ihre Kollektionen oft besser mit ausgewählten Farbakzenten aktuell halten. Da jedoch Grau, Beige und Creme den Massenmarkt dominieren, sollten Premium- und Luxusmarken unbedingt mehr bieten.

Wie lassen sich mehr Lust auf und mehr Mut zu Farbe wecken?

Ganz einfach, indem wir mit gutem Beispiel vorangehen. Ich hatte viele Jahre ein mauvefarbenes Sofa mit einem leicht gesprenkelten Schurwollbezug. Viele wollten mir davon abraten und dann waren alle begeistert, wie toll es aussah und noch begeisterter, dass es sich in mehrere Wohnungen und Farbkonzepte wunderbar einfügte. Das Sofa habe ich zum Kaufspreis weiterverkauft als ich in ein anderes Land zog und meinen kompletten Haushalt auflöste.

 

„Farben haben einen enormen emotionalen Wert. Und was könnte besser sein, als Polstermöbel, die eine individuelle Wohlfühlatmosphäre schaffen.“

 

Raumausstatter und Fachhandel sollten sich zum Thema Farbe weiterbilden und ihre Vorurteile abbauen. Wer selbst aus Unwissenheit Angst vor Farbe hat, wird es schwer haben, Mut zur Farbe zu wecken. Das ist verschenktes Potenzial. Farben haben einen enormen emotionalen Wert. Und was könnte besser sein, als Polstermöbel, die eine individuelle Wohlfühlatmosphäre schaffen.

 

alinaschartner.com