„Die Königsklasse des Designs“

Nina Schulmeister weiß um die Kunst hochwertiger Polstermöbel aus vielen Perspektiven. Als Mitglied der Geschäftsleitung bei Leo Schulmeister in Innenarchitektur und Handel verwurzelt, kreiert sie zusätzlich mit ihrer Design- und Möbelmanufaktur „Handwerk.“ individuelle Lösungen, und stellt sich immer auf‘s Neue der Herausforderung, nicht bloß ein, sondern das maßgeschneidert perfekte Möbel zu gestalten. „Polstermöbel sind sehr komplex“, so die kreative Tausendsasserin und verrät, warum „one fits all“ gerade bei Sofa und Stuhl nicht gelten kann, Funktion die große Frage und Gefühl das wahre Entscheidungskriterium ist.

Von Sylvia Pilar

 

Was zeichnet ein gutes Polstermöbel aus?

Nina Schulmeister: Bei „Handwerk.“ gestalte, entwickle und fertige ich mit meinen Partnern alles selbst und habe im Rahmen der Design- und Produktentwicklung festgestellt, dass Polstermöbeln die Königsklasse des Designs sind. Ein Stuhl war eines der ersten Produkte, die ich entworfen hatte, und keines hat mich vor so große Herausforderungen gestellt. Es braucht nirgendwo ein so gleiches Verständnis mit dem Produzenten, in diesem Fall dem Polsterer, wie bei Polstermöbeln.
Bei „Handwerk.“ liegt alles in meiner Hand, beginnend beim eigenen Schalenbau und schon hier entscheiden bei Längen, Winkel, Kurven, Radien Millimeter, ob ein Polstermöbel bequem ist oder nicht. Ich habe lange getüftelt und werde meine ‚Serie‘ an Polstermöbeln noch weiter entwickeln. Es ist ein langwieriger Prozess bis zur Perfektion, auch weil es ganz individuell ist, wie Kunden sitzen und liegen möchten, wo und welche Unterstützung der Körper braucht. Polstermöbel sind sehr komplex.

Welche Sitzqualität suchen Österreicher:innen? Gibt es länderspezifische Vorlieben?

Deutsche Konsumenten sitzen gerne kompakt und aufrecht, in Italien versinkt man gerne fast im Sofa, die österreichischen Kunden wollen das Beste aus beiden Welten, sprich weich, aber gut gestützt sitzen, aber auch liegen und lümmeln können. Natürlich sind auch Funktionen gefragt und ästhetisch reizvoll muss es ohnedies sein. Bei Stühlen kommt noch das in Österreich oftmals wichtige Kriterium hinzu, dass sie unter den Tisch schiebbar sein müssen.

Welche Herangehensweise verfolgst du beim Polstermöbel-Design?

Ich habe mich von allen Konventionen gelöst und verfolge einen individuellen Ansatz. Ich fertige für jeden Kunden eigene Muster mit unterschiedlichen Sitzqualitäten an, um Wünsche und Bedürfnisse zu eruieren. Komfort ist etwas ganz Persönliches. Daher wird erst wenn das Sitzgefühl beim Kunden passt das Möbel auch optisch der Persönlichkeit und dem Wohnraum entsprechend gestaltet.

 

Komfort ist etwas ganz Persönliches.“

 

Design tritt hinter Komfort zurück?

Im ersten Schritt kommt Komfort vor Design. Im Endprodukt sind beide gleichgestellt. Bei Kunden steht im Privatbereich ja der Wunsch ganz oben, lange gemütlich mit Familie und Freunden zusammen zu sitzen, zu genießen und Stühle zu haben, von denen sie gar nicht wieder aufstehen wollen. Im Gastronomiebereich ist dies etwas anders. Auch hier zeigt sich die Bandbreite an Wünschen und Anforderungen, die der Markt stellt. Aus der Perspektive des Handels gesprochen braucht es ein enormes Portfolio an Herstellern, Stühlen und Sofas, um für Kund:innen das richtige Polstermöbel zu finden. Es ist also auch für den Handel die Königsdisziplin.

Wohin entwickelt sich das Polstermöbel-Design? Lassen sich Trends ausmachen?

Ich bin von dem Trend-Begriff komplett abgekommen und finde ihn schwierig. Konsument:innen kleiden sich, wie sie sich fühlen, und diese Individualität bei Mode färbt auch auf das Wohnen ab. Individualität und Flexibilität sind heute angesagt.

 

Individualität und Flexibilität sind heute angesagt.“

 

Wie viel Funktion braucht ein Polstermöbel?

Das ist die große Frage, eine, die ich oft mit meinen Produzenten diskutiere, und die sich auch Kunden immer bewusster selbst stellen. Am deutschsprachigen Markt hatte sich das Credo etabliert, dass ein Möbel viele Funktionen benötigt um gut anzukommen. Gleichzeitig wollen viele Kunden keinen Elektrosmog und kein Metall im Sitz- oder Liegebereich. Der kurz aufflammende Trend der vielen Funktionen geht wieder zurück. Es entwickeln sich zwei Richtungen, einerseits Kunden, die viel Funktion und Flexibilität wollen, andererseits Kunden, die größtmögliche Natürlichkeit und ein Minimum an Störfaktoren schätzen.

Viele Qualitäten sind bei Polstermöbeln nicht sichtbar. Worauf kommt es an?

Gerade bei Polstermöbeln geht es um Perfektion bis ins Detail. Es braucht Partner mit derselben Leidenschaft dafür.In Polstermöbeln steckt viel Handarbeit, gleichzeitig kann viel Schindluder getrieben werden wie beim Unterbau, bei Schaumstoffen oder Klebematerial. Es liegt an uns Produzenten, auf die Qualität des Materials und Nachhaltigkeit zu achten und das Vertrauen der Kunden nicht zu hintergehen.

 

Wie gelingt es, diese Qualitätsunterschiede bei aller Preissensibilität zu vermitteln?

Das Geheimnis ist immer die Sichtbarmachung, Einblicke in das eigene Produkt zu gewähren, Kunden „behind the scenes“ mitzunehmen, und Unterschiede zu erläutern. Wir Produzenten stehen in der Verantwortung, dass Kunden darauf vertrauen können, bei uns ein qualitativ hochwertiges Produkt zu kaufen.

 

Ein Polstermöbel ist Gefühlssache.“

 

Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind große Themen und Polstermöbel mit ihren vielen Komponenten ein herausforderndes Produkt. Achtest du besonders darauf?

Absolut. Mir ist es wichtig, die Wege kurz und den ökologischen Fußabdruck gering zu halten. Ich denke auch schon am Anfang des Designprozesses mit, was am Lebensende des Produkts mit den Materialien passiert, ob Bezüge wasch- und sogar auswechselbar sind, achte darauf, welche Materialien ich einsetze, und habe einen hohen Anspruch an Qualität und Langlebigkeit. Die drei Kernkriterien bedingen sich: Nachhaltigkeit spiegelt sich in der Qualität und Qualität im Sitzgefühl.

Welche Rolle spielt das Polstermöbel in der Innenarchitektur?

Polstermöbel sind wie die Küche ein zentrales Element des Wohnens. Mit dem Verschmelzen von Küche und Wohnzimmer sind auch diese zwei Produktsegmente noch enger miteinander verwachsen. Auf Polstermöbeln wird genossen, gelebt, gefeiert, geschlafen, geliebt. Hier findet viel menschliche Nähe statt, daher ist es auch so wichtig, Polstermöbel real zu fühlen und zu erleben. Ein Polstermöbel ist Gefühlssache.

 

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