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Fachverband Matratzenindustrie tagte

14.11.2024 07:10

Der deutsche Fachverband Matratzen-Industrie tagte in Bad Essen beim assoziierten Mitglied AGRO International. Höhepunkt des Treffens: die Diskussion „Temu & Co – gleiche Chancen für alle?“.


Der FMI-Vorstand

Absatzentwicklung Matratzentechnologie im 1. HJ 2024; Foto und Grafik: FMI

Den Auftakt der Veranstaltung bildete die interne Mitgliederversammlung, an der erstmalig auch die neuen Mitglieder Femira Bettensysteme, vertreten durch Frank Janaschek, Schwarzwald Schlafsysteme, vertreten durch Diana von Fircks und Ivan van Duysen sowie Neveon Germany, vertreten durch Antje Burger, teilnahmen. Im Mittelpunkt stand die in diesem Jahr turnusmäßige Vorstandsneuwahl, bei der alle Vorstandsmitglieder in ihren Ämtern bestätigt wurden. Dirk Olefs von Auping Germany ergänzt das Team als weiterer Beisitzer.

Anschließend folgte der Bericht über die Verbandsarbeit des zurückliegenden Jahres und die strategische Ausrichtung für das kommende. Bei den Vorträgen „KI erfolgreich nutzen“ vom Institut für angewandte Arbeitswissenschaft und „Biofidel Dummies zur Bestimmung der Liegehärte“ der cts dummy-solution wurde deutlich, welche enormen Möglichkeiten der Einsatz von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz in der Praxis bietet.

Nach einem Besuch im AGRO Federkernmuseum trafen sich Mitglieder und Gäste zum Get Together und Branchentreff im Hotel Höger’s, um den Tag in lockerer Atmosphäre stimmungsvoll ausklingen zu lassen. Am Folgetag fand der öffentliche Teil der Jahrestagung statt. Vorstandsvorsitzender Thomas Bußkamp ging in den Eröffnungsworten auf das erneut schwierige Geschäftsjahr der Branche und aktuelle Herausforderungen ein und zeigte anschließend die Erfolge des Verbands bei zukunftsweisenden Entwicklungen wie der Erweiterten Herstellerverantwortung und dem Matratzenrecycling sowie bei der Mitgliedergewinnung auf.

„Temu & Co. – gleiche Regeln für alle?“


Höhepunkt der Veranstaltung war die Podiumsdiskussion „Temu & Co. – gleiche Regeln für alle?“. Dabei ging es um den Einfluss, den Onlineplattformen wie Temu und Shein auf den deutschen Markt nehmen und welche Wettbewerbsnachteile dies bei deutschen Händlern nach sich zieht. Die Diskussionsrunde war mit Experten aus Politik, Forschung, Handel und Wirtschaft hochkarätig besetzt. Es diskutierten Prof. Dr. Georg Gesk von der Universität Osnabrück, Fachgebiet chinesisches Recht, Alien Mulyk, Leiterin Public Affairs Europa & International beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh), Dr. Constantin von Selasinsky, Referent Nachhaltige und zirkuläre Wirtschaft beim Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW sowie Thomas Bußkamp, CEO Euro Comfort Holding GmbH und Vorsitzender des Fachverband Matratzen Industrie e.V. Moderiert wurde die Diskussion von Tatjana Hetfeld, Geschäftsführerin bei RDN. Dem Publikum bot sich die Möglichkeit, sich mit Fragen und Statements einzubringen.

Die Diskussionsteilnehmer stellten die Forderung auf, Handelsplattformen wie Temu und Shein einen Sonderstatus beim Zoll zu verleihen, um sie dadurch zu zwingen, Verantwortung für die von den Händlern verkauften Produkte zu übernehmen. Aktuell ist die Rechtslage so, dass Temu und Shein lediglich den Online-Marktplatz stellen, auf dem die chinesischen Hersteller ihre Waren anbieten und diese anschließend direkt an die Kunden versenden. Dabei muss nach Ansicht der Diskutanten das Gesetz über digitale Dienste (DSA) konsequent angewendet werden, laut dem Onlineplattformen Informationen über die Händler/Produzenten liefern müssen, um Verstöße ahnden zu können.

Europaweite, übergeordnete Zollbehörde gefordert


Da die Zollbehörden der einzelnen EU-Länder aufgrund der Schwemme an Paketen mit der Kontrolle überfordert sind, wird zwingend eine europaweite, übergeordnete Zollbehörde mit permanentem Informationsaustausch und Datenabgleich sowie die Vernetzung der zuständigen Behörden erforderlich. Weiter wird gefordert, die Abschaffung der 150 Euro Zollfreigrenze zu forcieren, damit diese Lücke jetzt geschlossen wird, nicht erst im Jahr 2028. Zudem müssen Investitionen in digitale Systeme und digitales Wissen beim Zoll sowie bei Clearing-Systemen getätigt werden, bei denen Produzenten und Zoll Hand in Hand zusammenarbeiten. Letztlich muss ein fairer Wettbewerb sichergestellt werden, um die deutsche Wirtschaft zu stärken und einen nachhaltigen Konsum zu fördern. Dabei gilt es, Plattformen wie Temu und Shein in die Pflicht zu nehmen, damit sie ihren Beitrag zur Einhaltung von Umweltstandards, Produktsicherheit und transparenten Lieferketten leisten. Die Jahrestagung endete nach der spannenden Führung durch die Produktion des Gastgebers AGRO International, einem der weltweit führenden Hersteller von Federkernen für die Matratzen- und Polstermöbelindustrie.

Trübe Aussichten: Produktionskosten steigen, Fachkräfte fehlen, Erholung nicht in Sicht


Das Jahr 2024 war erneut von erheblichen Herausforderungen geprägt. Die bereits angespannte wirtschaftliche und geopolitische Situation der Vorjahre hat sich weiter verschärft, was zu einem wiederum schwierigen Geschäftsjahr in der Branche geführt hat. Die Erwartungen an das des BIP 2024 wurde von den Wirtschaftsweisen im Laufe des Jahres nach unten korrigiert, zuletzt hatten sie nur noch ein bescheidenes Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent angenommen. Anfang Oktober wurde auch diese Prognose revidiert und stattdessen in eine Rezession (Abnahme der Wirtschaftsleistung um -0,2 Prozent) korrigiert. Ein Rückgang der deutschen Wirtschaft das zweite Jahr in Folge.

Die anhaltend schlechte Konjunktur und die reduzierte Nachfrage haben viele Unternehmen in eine prekäre Lage gebracht. Das Leibniz-Institut Halle hat für September 2024 50 % mehr Unternehmensinsolvenzen in Deutschland verglichen mit der Vor-Corona-Zeit registriert. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der sich seit der Pandemie verschärft. Laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) gaben 2023 fast 50 % der Unternehmen an, dass der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ein großes Problem darstellt. Dieser Engpass hemmt nicht nur das Wirtschaftswachstum, sondern bremst auch dringend notwendige Innovationsprojekte, wie die Umstellung auf nachhaltige Produktionsprozesse oder die Einführung digitaler Technologien. Konkrete Forderung an die politischen Entscheider ist, dass sie durch Klarheit und Konstanz ihrer Maßnahmen für Planungssicherheit und damit für mehr Stabilität sorgen.

Zwingend erforderlich sind signifikante Investitionen in neue Technologien, die eben diese Planungssicherheit erfordern. Dies wäre ein starkes politisches Signal zur Sicherung des Produktionsstandortes Deutschlands. Die von der Bundesregierung propagierte Wachstumsinitiative, die Steuererleichterungen verspricht, greift hingegen nicht ausreichend, um schnell einen sichtbaren Aufschwung in Gang zu bringen. Auch der angekündigte Abbau der Bürokratie ist leider nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und daher nicht geeignet, um signifikant Ressourcen zu schonen, sofern es immer nur bei dessen Ankündigung bleibt. Habecks erst kürzlich versprochene Investitionsförderung, die Unternehmen z. B. bei der Anschaffung neuer Maschinen finanziell unterstützen soll, wäre ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Doch spätestens seit der letzten Steuerschätzung, die für 2025 mit einer prognostizierten Mindereinnahme von zwölf Milliarden Euro ernüchternde Erkenntnisse über den finanziellen Spielraum liefert und das finale Scheitern der Ampelregierung, wird wohl auch dieses Versprechen wieder im Sande verlaufen. Und dies hat ein weiteres Problem zur Folge: Investitionen, sei es von Unternehmen oder Verbrauchern, werden nur getätigt, wenn man sich auf eine stabile Politik verlassen kann, die transparent und planbar agiert. Die Vorstellungen von SPD und Grünen auf der einen Seite und FDP, die sich diametral und unüberbrückbar gegenüberstanden und letztlich in das Ampel-Aus mündeten, bewirkten hingegen das Gegenteil und verstärken die Unsicherheit der deutschen Wirtschaft.

Marktlage im 1. Halbjahr


Die Matratzenhersteller haben das 1. Halbjahr 2024 mit einem Umsatzverlust von -1,5 % und einem Absatzrückgang von -2,3 % abgeschlossen. Dabei war im 2. Quartal eine leichte Belebung der Nachfrage spürbar. Dennoch ist die Kaufzurückhaltung bei fast allen Technologien und Warengruppen erkennbar. Einzig TFK (+17,0 % Absatz, +4,0 % Umsatz), Sonstige (+17,1 % Absatz, -2,3 % Umsatz) und Unterfederung (+5,4 % Absatz, +3,6 % Umsatz) konnten zulegen. Schaum verzeichnet einen Rückgang der Nachfrage (-2,6 % Absatz) bei leichtem Umsatzgewinn (+4,5 %), bei Latex waren Nachfrage und Umsatz rückläufig (-4,0 % Absatz, -6,5 % Umsatz). Größter Verlierer bei den Warengruppen sind Topper (-20,0 % Absatz, -17,0 % Umsatz), Boxspring (-17,2 % Absatz, -11,2 % Umsatz) knapp dahinter (der Matratzenverband berichtete in seiner PM zum 1. Halbjahr 2024 am 09.09.2024). Der Ausblick auf die zweite Jahreshälfte deutet keine Entspannung bei Umsatz und Absatz an. In der kumulierten Betrachtung (1.-3. Quartal) liegen Umsatz und Absatz jeweils um -2 % unter dem Vorjahr.

Schaum bleibt vorne


Bei den Marktanteilen der Technologien hat es wie auch im Vorjahr keine Verschiebungen gegeben. Schaum ist mit 51 % weiterhin umsatzstärkstes Segment, dahinter mit großem Abstand TFK (37 %). Sonstige mit 7 % auf Platz drei, Latex (3 %) und Bonnell (2%) sind umsatzschwächste Segmente. FMI-Mitgliederumfrage Oktober 2024 5 An der Mitgliederumfrage, bei der diesmal der Schwerpunkt auf dem Bereich „Ausbildung/Recruiting“ lag, haben 18 Unternehmen teilgenommen, darunter 15 Hersteller (> 80 %) und 3 Zulieferer. 88 % von ihnen haben angegeben, in ihrem Betrieb auszubilden, davon können rund zwei Drittel (68 %) die Ausbildungsstellen besetzen. Leiden Sie unter Fachkräftemangel? Abbildung 5: Leiden Sie unter Fachkräftemangel? 62 % der befragten Mitglieder leiden unter Fachkräftemangel, und dieser herrscht in allen Bereichen vor. In der Hauptsache (65 %) in der Produktion und Technik, wie z. B. in der Näherei, Polsterei. Aber auch Vertrieb, Verwaltung und Logistik sind betroffen.

 

Wo besteht am meisten Fachkräftemangel?


Bei der Frage nach den dringendsten Forderungen an die Politik waren die meistgenannten Themen Bürokratieabbau im Inland durch Reduzierung von Auflagen und Nachweispflichten sowie Vereinfachung der von der EU vorgegebenen Regulatorien. Zudem Senkung von Energiekosten für Produktionsbetriebe und Steuersenkung für Unternehmen. Konkret wurde von der Bundesregierung ein klarer Kurs mit konkreten Schritten hinsichtlich Kreislaufwirtschaft gefordert. Im Hinblick auf einen fairen Wettbewerb und die Stärkung des Standortes Deutschland für Produktion und den stationären Handel wurden Einfuhrzölle auf Waren aus Ländern außerhalb der EU bzw. Asien gefordert.

Verbandsarbeit: Themen und Projekte

Trotz der herausfordernden Lage hat der Verband in diesem Jahr bei den Mega-Themen Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit einige Meilensteine erreicht. So hat er zur „Erweiterten Herstellerverantwortung“ (EPR) ein Positionspapier zum EPR-System für Matratzen in Deutschland erstellt und daraus abgeleitet einen 15-Punkteplan zu dessen Umsetzung veröffentlicht. Und auch zum Umgang mit dem Refurbishment von Matratzen hat der Verband seine Position klar formuliert. Sie bildet das Fundament für die Ableitung von Standards/Mindestanforderungen an die Aufarbeitungsprozesse für das Refurbishment von Matratzen. Konkret wurde ein einheitliches Verständnis des Begriffs „Refurbishment“ entwickelt und dieser als Teil der Kreislaufwirtschaft bewertet sowie Mindestanforderungen an die Qualität refurbishter Matratzen (in Abgrenzung zu neuen sowie Alt-Matratzen) definiert. Ebenso steht dabei die Bekämpfung möglicher Wettbewerbsverstöße und die Schaffung von Transparenz für Verbraucher im Fokus der Arbeit. Das Netzwerk ReNewTex, das der Matratzenverband zusammen mit seinen Partnerverbänden Heimtex-Verband und ViS im Kompetenz-Zentrum Textil + Sonnenschutz betreibt, kann ebenfalls auf Erfolge zurückblicken. Nach dem Abschluss der ersten Arbeitsphase mit Projektgruppen zu verschiedenen Schwerpunkten (Circular Design, zirkuläre Geschäftsmodelle, Erweiterte Herstellerverantwortung etc.) haben sich im Juni Pilotgruppen zu den verschiedenen Produkten/Branchen zusammengefunden – neben „Schlafen“ sind dies „textile Bodenbeläge“ und „Plissee“. In diesen homogeneren Gruppen wird nun an branchenspezifischen Piloten/Demonstratoren gearbeitet. Ziel ist es, in Eigenregie Grundprinzipien zu entwickeln, die jedes Unternehmen in seine eigene Strategie übertragen kann. Unterstützung erhalten die Mitglieder auch bei der Bewältigung der durch die EU getriebenen Gesetzgebungsaktivitäten, wie aktuell z.B. bei der Produktsicherheitsverordnung oder der Entwaldungsverordnung.

Das Referat Recht hilft dabei, auf der einen Seite die Unwägbarkeiten kommender rechtlicher Vorgaben zu überblicken und auf der Relevanz und Geltungsbereiche für die Mitgliedsunternehmen zu bewerten. Künstliche Intelligenz ist ein weiteres Thema, das immer mehr Bereiche des privaten und beruflichen Alltags durchdringt und damit auch für die Verbandsarbeit zunehmend wichtiger wird. Auch dazu erhalten die Mitgliedsunternehmen im Verband praxistauglichen Input, z.B. für den Bereich des Recruitings. So stand auch die fünfte Ausgabe des vom Kompetenz-Zentrum Textil + Sonnenschutz organisierten Netzwerktreffens im April in Wuppertal unter dem Zukunftsthema „Automatisierung – Digitalisierung – künstliche Intelligenz“. Spannende Impulse erhielten die rund fünfzig verschiedenen Mitgliedsunternehmen aus Matratzenverband, Heimtex-Verband und 7 ViS zu den Projekten zur automatisierten Matratzenproduktion, nachhaltiger Ressourcennutzung und zu digitalen Zwillingen.

Die nächste Jahrestagung

Zur nächsten Jahrestagung lädt der Matratzenverbands gemeinsam mit seinem Partnerverband Heimtex am 7.8.2025 nach Hamburg ein.

www.matratzenverband.de

www.kreislaufwirtschaft.eu

www.renewtex.eu








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