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IHM: Die Auswirkungen des Messe-Cancellings auf die Wirtschaft

10.03.2020 07:14

Weit reichend und bis in die Kapillaren der Wirtschaft gehend, wären die Auswirkungen bedingt durch die Absage etwa der Internationalen Handwerksmesse (IHM), verkünden die Veranstalter.


(v. links) Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstags (BHT), Dieter Dohr, Vorsitzender der Geschäftsführung GHM Gesellschaft für Handwerksmessen, Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH); Foto: GHM

Zahlreiche Folgen für Aussteller, Partner, die Stadt München mit ihre Restaurants und Hotels sowie für den Messeveranstalter GHM bringt die nunmehrige Absage der IHM. Nichts desto trotz war die Entscheidung unabdingbar und so findet die Leitmesse des Handwerks erstmals in ihrer 72-jährigen Geschichte im Zuge von Covid-19 nicht statt.

Die Veranstalter skizzieren die Folgen. So hätten nicht nur Besucher und Aussteller in diesem Jahr keine Plattform, auf der sie sich treffen, auf der sie netzwerken, auf der sie ihre Innovationen vorstellen und auf der sie handwerkspolitische Botschaften gemeinsam aus dem Handwerk für das Handwerk senden könnten.

Dieter Dohr, Vorsitzender der Gesellschaft für Handwerksmessen mbH als Veranstalter: „Im Durchschnitt haben in den letzten Jahren 1.000 Aussteller ihre Produkte und Marktneuheiten 110.000 Besuchern gezeigt. Dabei wurde in den letzten fünf Jahren laut des unabhängigen Messe-Marktforschungsinstituts Gelszus bei unseren Ausstellern jährlich für rund 42 Mio. Euro eingekauft beziehungsweise Aufträge erteilt. Das unterstreicht die Bedeutung der IHM als zentrale Plattform.“

Jeder ist betroffen

Die Einschnitte für alle Beteiligten, insbesondere für Aussteller sind gravierend: Start-ups und Handwerksbetriebe haben unter hohem Druck Innovationen im Hinblick auf die bevorstehende Messe entwickelt, die sie dort präsentieren wollten.

So zum Beispiel die Firma TCA.systems GmbH aus Völklingen im Saarland, die vor zwei Jahren gegründet wurde. Das Start-up wollte seine Erfindung, ein innovatives, umweltfreundliches Lüftungssystem, in der Sonderschau "Innovation Gewinnt!" zeigen. Ein Viertel ihres Marketing-Jahresbudgets investierten sie in ihre Messe-Präsentation als bedeutendste Marketingmaßnahme für 2020 in Bezug auf ihr Netzwerk und im Hinblick auf die Bekanntgabe ihrer Nominierung für den Deutschen Umweltpreis.

Dazu der TCA.systems-Gründer Yannik Hoffmann: „Als Start-up für das Handwerk trifft uns die Absage finanziell, aber vor allem in unserer Entwicklung, schwer.“

Auch für den siebenköpfigen Familienbetrieb, die Schreinerei Liedl aus Pfarrkirchen in Niederbayern, ist der Wegfall der Internationalen Handwerksmesse 2020 ein harter Schlag. Seit rund 40 Jahren stellt die Traditionsschreinerei in München aus.

„Durch die Geschäfte auf der Handwerksmesse erzielten wir im Durchschnitt die Hälfte unseres gesamten Jahresumsatzes“, sagt Schreinerei-Inhaber Stefan Liedl.

Die Firma Oetzel Wasserhygiene GmbH aus München schmerzt vor allem, dass ihre Innovation nun keinem Weltpublikum vorgestellt werden kann. „In zahlreichen Nachtschichten und mit viel Herzblut arbeiteten wir daran, den Prototyp unserer Produktneuheit zur Messe fertigzustellen. 700 Gäste haben wir für die Präsentation zur Messe eingeladen“, sagt Betriebsinhaber Stefan Oetzel. 

Die Messe als Motor

120 innovative, nachhaltige Exponaten aus 52 Ländern waren auf der diesjährigen Messe geplant, zum Teil als Premieren.

Nils Bader, Initiator des Green Product Awards: „Den wirtschaftlichen Schaden kann man noch nicht einschätzen, der Imageschaden jedoch ist enorm. Mit der Absage der IHM müssen wir auf potentielle Kooperationen verzichten, die durch das einzigartige Netzwerk auf der Messe entstanden und für die Weiterentwicklung der Exponate essentiell gewesen wären.“

Auch verbandspolitisch ist die Absage ein Desaster. „Die IHM ist eine Plattform, die ihresgleichen sucht und zeigt, wie modern das Handwerk ist. Wir wollten unsere Offensive zur Nachwuchsgewinnung vorstellen und haben hierfür extra eine neue Messepräsentation geplant. Das ist ein schwerer Schlag für uns“, sagt Lars Bubnick, Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes für das bayerische Fleischerhandwerk und Leiter der Leistungsschau des Metzgerhandwerks auf der IHM.

Achim Berg, Präsident des Digitalverbandes Bitkom, der 2020 erstmals Partner der Internationalen Handwerksmesse ist, sieht die Messe vor allem als wichtigen Treiber für die Zukunft: „Das Handwerk steht aktuell vor der Herkulesaufgabe, seine Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle zu digitalisieren. Wie unsere aktuelle Studie zur Digitalisierung im Handwerk zeigt, sehen 54 Prozent der Handwerksunternehmen die Digitalisierung als existenzsichernd an. Das Thema wäre erstmals Schwerpunkt der Internationalen Handwerksmesse gewesen. Umso bedauerlicher ist aus Bitkom-Sicht die unvermeidliche Absage der Messe.“

Auch für Hotellerie und Gastronomie sind große, internationale Messen ein starker Motor.

Dr. Bernhard Harrer, Vorstand des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr e.V. (dwif): „Ein durchschnittlicher Übernachtungsgast in einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb in München gibt am Tag mehr als 200 Euro aus, bei Tagesbesuchern wird eine Größenordnung von 40 Euro erreicht. Beim Ausfall einer Veranstaltung wie der Internationalen Handwerksmesse können sich hieraus – je nach Besucherstruktur – beachtliche Umsatzeinbußen ergeben, zumal die Studien des dwif zeigen, dass beispielsweise Messebesucher zu den ausgabestarken Nachfragegruppen zählen. Betroffen sind davon nicht nur die Messegesellschaft und die Aussteller, die keine Umsätze tätigen und keine neuen Kundenkontakte generieren, sondern auch Unternehmen, deren Leistungen normalerweise im Umfeld des Aufenthaltes in Anspruch genommen werden. Hierzu zählen beispielsweise Beherbergungsbetriebe, Restaurants oder Verkehrsunternehmen (z. B. ÖPNV, Taxi). Auch die zur Durchführung der Messe benötigten Vorleistungen dürfen nicht vergessen werden. Zu nennen sind hier unter anderem Standauf- und -abbau, Caterer, Organisatoren von Rahmenprogrammen etc.“

Man blickt seitens der Messebetreiber und aller Beteiligten bereits jetzt in die Zukunft. Die nächste Veranstaltung findet vom 10. bis 14. März 2021 in München statt.

www.ihm.de








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