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RAUMAUSSTATTER KAINDL SPERRT ZU

18.06.2018 07:56

200 Jahre sind genug! Ist die Raumausstatter-Branche ein Auslaufmodell? Mit dem schwierigen Branchen-Umfeld begründet Kaindl die Schließung. In der Innung sieht man das Ende des Traditionsbetriebes als einen Sonderfall.


So richtig taufrisch wirkte der Standort des Geschäfts in der Linzer Dametzstraße zuletzt nicht mehr.

Derzeit läuft noch der Abverkauf beim Kaindl. In Kürze ist hier ganz Schluss. Fotos: Reinhard Ebner

Innungsmeister Winklmayr sieht in Kaindl einen Sonderfall.

VON REINHARD EBNER

Gegründet wurde Kaindl im Jahre 1810 und somit vor mehr als 200 Jahren. Seitdem hat sich das Unternehmen von einer Weißgerberei und Lederhandlung zu einem Fachbetrieb für Raumausstattung samt angeschlossenem Großhandel entwickelt. Auch wenn die Mitarbeiterzahl zuletzt schrumpfte: Mit dem Einzelhandel in der Linzer Innenstadt auf 600 Quadratmetern Geschäftsfläche und dem Großhandel in Leonding auf 4.000 Quadratmetern gehört Kaindl zu den Großen der Branche. In der Linzer Dametzstraße werden Möbelstoffe und Tapeziererzubehör an Endkunden verkauft - hauseigene Näherei und Rollo-Fertigung inklusive. In der Leondinger Salzburger Straße kaufen Großkunden sowie Kunden aus dem verarbeitenden Gewerbe ein. Beide - Groß- wie Privatkunden - tun dies aber offenbar immer weniger. Im April informierte Christoph Kaindl daher die Belegschaft, dass die Familie die Raumausstattung als Geschäftsfeld gänzlich aufgibt. Leicht wird sich der 37-Jährige die Entscheidung nicht gemacht haben, führt er doch den Traditionsbetrieb in mittlerweile achter Generation. Sein 78-jähriger Vater Klaus war bis vor zwei Jahren noch aktiv im Unternehmen tätig und trägt die Entscheidung mit.

Immobilien statt Raumausstattun
Bis Ende September läuft der Räumungsabverkauf, dann soll endgültig Schluss sein. Warum? Kaindl sieht keine Zukunft. Das Direktgeschäft habe den Großhandel überflüssig gemacht, kurze Lieferzeiten der Hersteller ersetzen die Lagerhaltung. Im Privatkunden-Bereich hätten zunächst die Möbel-Großflächen und danach auch noch die Internetshops die Umsätze abgegraben. "Zusperren mit einer Insolvenz kam für uns nicht in Frage", meint Christoph Kaindl gegenüber den OÖN. Ein geordneter Rückzug hingegen schon. Die Familie Kaindl tut sich insofern leichter, da sie zwei weitere, erfolgreichere Standbeine hat: Da ist einerseits die Immobilien-Entwicklung und -Verwaltung, auf die sich Christoph Kaindl künftig konzentrieren will, und andererseits der Technische Industriebedarf Kaindl, nach eigenen Angaben mit Abstand Marktführer für technische Produkte in Oberösterreich. Am mangelnden Engagement der zuletzt 17 Mitarbeiter - zur Spitzenzeit war's ein Vielfaches davon - kann es jedenfalls nicht liegen. In Online-Foren äußern sich Stammkunden betrübt über die Schließung: "Das ist echt traurig! Die Mannschaft war immer super und hilfsbereit", heißt es da etwa. Und ehemalige Mitarbeiter erinnern sich nostalgisch an eine "tolle Lehrzeit". Ist's tatsächlich die Branche, die dahinsiecht?

"Qualität statt billiges Klumpert"
"Mit seinen Großhandelsaktivitäten ist Kaindl ein Sonderfall", ist Georg Franz Winklmayr sicher. Als oberösterreichischer Landesinnungsmeister für Tapezierer und als solcher auch für die Raumausstatter zuständig, kennt Winklmayr die Situation seiner rund 250 Mitglieder. Und die ist so schlecht nicht. "Die Zahl der Betriebe war konstant während der letzten fünf Jahre. Das Geschäft läuft, wenn die Umsätze auch nicht steigen." Die Branche sei schwieriger geworden. Die Anforderungen an Positionierung, Beratung und Dienstleistung steigen gerade im Mittelstand. "Mit der fixfertigen Sitzbank von der Großfläche um 300 Euro kann ich nicht mithalten. Wir müssen heute konsequent Qualität liefern, anstatt billiges Klumpert zu verkaufen." Besonders preissensible Kundensegmente - wie die Gastronomie-Branche - überlasse man ruhigen Gewissens anderen Marktakteuren.

Tapete und Teppich als Deko-Elemente
Dennoch ist der Innungschef überzeugt: "Der Tapezierer und Raumausstatter hat nach wie vor Berechtigung, wenn er gute Arbeit liefert." Für kleinere Betriebe führe der Weg über die Nische und über Spezialisierung. Das Welser Unternehmen Sonnhaus zeige jedoch, dass auch große Betriebe erfolgreich unterwegs sein können. Das Gros der Mitgliedsbetriebe bewegt sich im Bereich zwischen einem und 20 Mitarbeitern. Produktseitig lautet der Trend: weniger, aber hochwertiger. "Teppich am Boden, Tapete an den Wänden und am Plafond", hieß es früher, wenn eine Wohnung oder ein Haus ausgestattet wurde. Winklmayr: "Heute wird nicht mehr jede Wand automatisch mit Raufaser-Tapete beklebt, sondern vielleicht nur eine Wand mit einer Bild- oder Fototapete, die auch etwas kosten darf." Die Tapete wird zum Deko-Element, das Gleiche gilt für Teppiche. "Wir stellen einen Retro-Trend bei Spannteppichen fest. Entgegen der landläufigen Meinung ist das auch für Allergiker geeignet. Der Teppich hält Staubpartikel fest, die sonst im Raum herumgewirbelt würden."








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