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Von „Greenwashing“ zu ehrlicher Nachhaltigkeit

20.06.2024 12:21

Was ist und umfasst „Greenwashing“, was bringt die „Green Claims-Richtlinie“, wie lässt sich Nachhaltigkeitengagement ehrlich kommunizieren und umsetzen? Impulse lieferte ein Diskurs - von "Greenwashing" zu "Greendoing".


Vier Profis - Clemens Dus (Manager des ExpertCluster Sustainable Design von designaustria), Nathalie Aubourg („naau“), Julian Wudy („guut“) und Christian Kroepfl (Designer, Forum Nachhaltige Zukunft Möbel – und viel Input beim Diskurs zu „Greenwashing“ der SustainabilityExperts designaustria und dem Forum Nachhaltige Zukunft Möbel.

Interessierte aus vielen Bereichen ließen sich den Diskurs im designforum Wien nicht entgehen.

Nathalie Aubourg eröffnete mit ihrem Impulsvortrag „#stopgreenbrainwashing – Nachhaltigkeitskommunikation weiter denken“ nicht nur die Veranstaltung, sondern auch neue Perspektiven.

Julian Wudy machte mit seinem Impulsvortrag auf die Verantwortung für und Glaubwürdigkeit bei Nachhaltigkeit aufmerksam – und dass sie gelingen kann.

Auch die angeregte Diskussion lieferte spannende Impulse. Alle Fotos: wohninsider/Sylvia Pilar

Nachhaltigkeit ist und bleibt ein riesiges Thema. Mit der wachsenden Bedeutung von „grünem“ Engagement und steigendem Bewusstsein bei Konsument:innen ist in dessen Fahrwasser auch „Greenwashing“ aufgekeimt und gewissermaßen populär geworden. Worum geht es, was gilt und was gilt es zu beachten, welche Lösungsansätze und Möglichkeiten gibt es, um ehrlich das unternehmenseigene Nachhaltigkeitsbestreben zu leben, kommunizieren und an die Konsument:innen zu bringen? Genau dieses Thema und die brennenden Fragen haben die Sustainability Experts designaustria und das Forum Nachhaltige Zukunft Möbel bei einem Diskurs zu „Greenwashing - von Produktion bis Kommunikationsdesign“ am 18. Juni 2024 im designforum Wien ins Zentrum gestellt, der nicht nur Antworten, sondern auch Impulse lieferte, wie Nachhaltigkeit in dieser Bandbreite – von Kommunikation bis Herstellung – gut und ehrlich funktionieren kann. Dass die Thematik und Problematik kein Branchenspezifikum ist, sondern viele Bereiche tangiert und involviert, spiegelte sich dabei nicht zuletzt in der bunt gemischten Runde an Teilnehmer:innen aus dem Nachhaltigkeitsbereich, der Kreativszene, dem Möbel- und Einrichtungsfachhandel und darüber hinaus.

 

#stopgreenbrainwashing
 

Mit ihrem Impulsvortrag unter dem vielsagenden Titel „#stopgreenbrainwashing – Nachhaltigkeitskommunikation weiter denken – eröffnete Nathalie Aubourg, Designerin und Sustainability Communication Expert von „naau“, den Diskurs und liefert damit nicht nur Input, sondern auch ersten Zündstoff. Anhand ausgewählter Beispiele veranschaulichte sie „Mogelpackungen“ in puncto Nachhaltigkeit und bereits beim gerne bemühten Begriff „CO2-Neutralität“ entbrannte eine erste Diskussion, mit der Konklusio, dass es diese nie vollständig zu erreichen und Kompensation auch keinesfalls mit Neutralität gleichzusetzen sei. Grünes Image bringt einen Wettbewerbsvorteil und sorgt für gutes Gewissen beim Konsum, skizzierte Aubourg die Pluspunkte, und zeigte mit einer Umfrage der Europäischen Kommission, gemäß der 53% der grünen Behauptungen vage, irreführende oder unbegründete Informationen enthalten und 40% der Behauptungen nicht belegt werden, das Paradoxon auf, das der Thematik innewohnt. Zugleich verwies sie auf die vielfältigen Gefahren von Greenwashing wie das Verbauen von Offenheit bei Konsument:innen für echte Lösungen aufgrund der Irreführung, Verlust der Glaubwürdigkeit und Verzögerung der dringend notwendigen sozio-ökonomischen Transformation durch „Scheinlösungen“.
Die vielen Greenwashing-Strategien finden mit der von ihr präsentierten „Greenwashing Hydra“ von Planet Tracker gleich sechs Begriffe – „greenhushing“, „greenlabelling“, „greenrinsing“, „Greenshifting“, „greenlighting“, „greencrowding“- Von der Bewerbung von Produkten mit umweltfreundlichen Aspekten – anstatt der sinnvolleren Herausstreichung anderer, weniger „grüner“ Produkteigenschaften – über Etikettenschwindel im Sinne mangelnder Zertifizierung durch unabhängige Stellen oder überhaupt gleich Fake-Labels bis zu vagen Aussagen oder gar Lügen reichen die Varianten des „grünen Mascherls“.

 

Green Claims
 

Dem Einhalt gebieten soll die „Green Claims-Richtlinie“, die Greenwashing eindämmt und Transparenz für Konsument:innen schafft, wobei diese „Green Claims“ nur dann gültig sind, wenn sie auf einer angemessenen Begründung beruhen, nachvollziehbar und transparent sind. Der Ball liegt bei den Unternehmen selbst zu reflektieren, ehrlich „grün“ zu agieren und ihre echten „Green Claims“ hervorzustreichen. Dem grassierende Greenwashing wie dem wachsenden Bewusstsein für den „grünen Schmäh“ Rechnung trägt unter anderem auch der Greenwashingcheck des VKI Rechnung, bei dem vermeintliche Fälle von jedem gemeldet werden können und dann überprüft werden – ein spannender Hinweis von Aubourg, die auch das Empowering von Konsument:innen hervorhob.

 

Nachhaltigkeit richtig kommunizieren
 

Und wie geht gutes Nachhaltigkeits-Kommunikationsdesign nun praktisch? Auch dazu hat Aubourg ein Bündel handfester Lösungvorschläge parat. Basierend auf der Erstellung einer Strategie und der Transformation des Kerngeschäfts in Richtung Nachhaltigkeit sollten klare, überprüfbare Ziele gesetzt werden, die auch über die Gesetzesanforderungen hinausreichen, entsprechende Maßnahmen folgen, trügerisches Wording wie „klimaneutral“ zu vermieden werden, transparent und ehrlich zu über Erfolge wie (noch) nicht erreichte Ziele informiert und nicht nur immer Claims belegt, hinterfragt und geprüft, sondern auch auf glaubwürdige Gütesiegel zu setzen.

 

Verantwortung auf ganzer Linie
 

Ebenso praxisnah und aus anderer Perspektive widmete sich Julian Wudy, Umweltingenieur und Inhaber von „guut“, in seinem Impulsvortrag dem Thema Greenwashing und zeigte – insbesondere ausgehend von seinem Unternehmen –, was Nachhaltigkeit in der Umsetzung im Möbelbereich bedeutet, braucht, bedingt. Es gehe darum, Verantwortung zu übernehmen – und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Belegt eine Studie die Erschließung neuer Zielgruppen, die gebrauchte Produkte kaufen und verkaufen, eröffnet sich auch eine neue Perspektive. „Es geht um nachhaltige Verantwortung“, so Wudy, ein dringlicher Appell auch angesichts von jährlich 10,5 Mio. Tonnen gekaufter Tonnen Möbel in der EU und 10,8 Mio. Tonnen entsorgter Möbelstücke, von denen lediglich 10% recycelt werden, wie eine Studie untermauert.

 

Glaubwürdig Nachhaltigkeit leben
 

Und es gehe um Glaubwürdigkeit, brachte Wudy ein weiteres „Must-have“ ein, und führte kritisch hinterfragend auch den tatsächlichen Produktionsstandort von Produkten sowie den oft überstrapazierten Begriff „CO2-Kompensation“ – einem grundsätzlich positiver Ansatz, sofern klar ist, was genau kompensiert wird – ins Rennen. Verantwortung zu übernehmen brauche eine ganzheitliche Betrachtung, so wie sie beispielsweise das Value Hill Modell ausweist, anhand dessen Wudy von ressoureneffizienten Herstellungsprozessen und Produkten über die optimale und lange Nutzung von Ressourcen bis zur intelligenten Führung in Kreisläufen das umfassende Nachhaltigkeitskonzept skizzierte. Ein „best practice“ für die Umsetzung von Nachhaltigkeit im Möbelbereich ist „guut“ mit der Möbellinie „finiix“, designed von Christian Kroepfl, gelungen – verbunden mit vielen „Learnings“, so Julian Wudy, wie die Notwendigkeit der Verankerung des Kreislaufwirtschaftsansatzes im Unternehmensleitbild, zudem verändere ein ganzheitlicher Zugang den Designprozess und eröffne neue Blickwinkel, und Transparenz sei essenzielles Element. „Es geht auch darum, dass Narrativ drumherum zu ändern“, markiert der „guut“-Chef einen ganz wesentlichen Punkt.

 

Wille, Wege und „Primetime“
 

An diesen knüpfte auch schnell eine angeregte Diskussion an. Es brauche Narrative wie Möbel ein Leben lang zu haben, und die große Bedeutung von gelebter Nachhaltigkeit und diese auch weiterhin im Fokus zu behalten wurde dabei ebenso unisono deutlich wie der Ärger über das oft unverblümte Greenwashing. Gleichzeitig wurde die Leistbarkeit der nachhaltigen, langlebigen und damit oft kostenintensiveren Produkte und die Preissensibilität von Konsument:innen als Wermutstropfen und Hemmschuh genannt. In der Möbelbranche sei der Wille, nachhaltige, langlebige Produkte einzuführen, jedenfalls groß, gleichzeitig sei es schwierig angesichts der hohen Kosten und des großen finanziellen Risikos, wie Andreas Hemetsberger, Geschäftsleiter Österreich des MZE, erläuterte. Viele KMUs in Österreich würden auch bereits nachhaltig agieren und produzieren, nur werde dies zu selten nach außen getragen – eine Tatsache, geschuldet den zeitlichen und finanziellen Ressourcen wie auch dem entsprechenden Know-how der kleinen und mittelständischen Betriebe, und ein wichtiger Impuls, wo weiter angeknüpft und noch mehr Engagement hineingelegt werden kann. „Es ist Primetime für Kreislaufwirtschaft“, so Roman Eberharter, Geschäftsführer der Betten Eberharter GmbH und Mitinitiator des Forum NACHHALTIGE : ZUKUNFT : MÖBEL, und diesen Schwung gilt es zu nutzen, aktiv zu werden, das Thema weiter voranzutreiben und zu leben. „Transparenz und nachhaltiges Unternehmensleitbild“ kristallisierte Clemens Dus, Manager des ExpertCluster Sustainable Design von designaustria, final als Kernelemente dieses spannenden Diskurses heraus, der danach in zahlreichen Gesprächen seine Fortsetzung fand – und diese auch in Zukunft finden wird. Für den Herbst ist jedenfalls wieder eine Impuls-Veranstaltung der Sustainability Experts designaustria und des Forum NACHHALTIGE : ZUKUNFT : MÖBEL geplant.

 

www.designaustria.at








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