wohninsider Februar / März 2022

20 wohninsider.at | Februar/März| 01. 2022 BRANCHENTALK Eines vorweg: 2021 war für die Branche weniger „erfolgreich“ als das Jahr 2020. Insgesamt verzeichneten die Player im Möbelhandel trotzdem ein Plus von 3,8 % auf 5,1 Mrd. Euro Umsatz. Kreutzer relativiert jedoch: „Das Wachstum ist primär preisgetrieben“, heißt: basiert zu einem Gutteil auf den Preiserhöhungen der Industrie. Dass darüber hinaus die Verbände (allen voran MHK) mehr zulegen konnten als die Großfläche mit Lutz oder kika (mit jeweils nur rund +2 %) führt Kreutzer auf die Tatsache zurück, dass bei Ersteren die Preiserhöhungen bedingt durch die geringere Marktmacht wesentlich stärker an den Endkonsumenten weitergegeben wurden. Die generell positive Stimmung am Markt sei zu einem Gutteil dem Neubau geschuldet: „Beim Wohnungsbau profitiert der Küchenmöbelhandel am meisten davon, denn eine Küche braucht jede Wohneinheit.“ Zudem würden Mietwohnungen in der Regel zunehmend mit Küchen vermietet, sodass auch die Objekteinkäufer hier zu Buche schlagen. Im Neubau sieht Kreutzer auch kurz- und mittelfristig noch weiteren Auftrieb. „Wir sehen zwar, dass die Baubewilligungen gerade auch im mehrgeschossigen Wohnbau am Zurückgehen sind, aber das wirkt sich im Möbelhandel erst in vier bis fünf Jahren aus.“ 2022 und 2023 sehen demnach noch rosig aus. Besonders für die Studios dabei interessant: „2021 gab es so viele Einfamilienhausbewilligungen wie schon seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Und gerade in Einfamilienhäusern lassen sich in der Regel Küchen in einer Dimension planen, dass es auch Spaß macht.“ Bedarf an objektiver Berichterstattung Gefragt nach generellen Trends oder gar Booms geht Kreutzer mit den Medien scharf ins Gericht: „Hier wurde gerade in den vergangenen Jahren sehr viel unhinterfragt weitergegeben.“ So sei seiner Meinung nach medial einiges durch die Decke gegangen, was einfach nicht stimmte. Vielmehr sei kritisches Auseinandersetzen mit Zahlen und subjektiven Empfindungen gefragt: „Einige Unternehmen veröffentlichen aus dem Kontext gerissene teils immense Steigerungs-Zahlen. Viele Medien übernahmen das ungeprüft, sodass wir dann plötzlich einen Boom bei Swimmingpools hatten.“ Nachsatz: „Was einfach nicht stimmt.“ Als weiteres Beispiel für mediales Hochspielen nennt er die Preiserhöhungen bei Rohstoffen inklusive Öl. „Fakt ist, wir haben nur drei Gruppen, in denen die Preise wirklich signifikant gestiegen sind. Das sind: Stahl, Holz und Dämmstoffe.“ Ebenso sei der Hype um das Rohöl zu aufgeblasen. „Bei Erdöl hatten wir 2021 einen Jahresdurchschnittspreis von 71 Dollar pro Fass. Aber das hatten wir 2018 auch. Und das ist noch nicht so lange her.“ Dass jedoch endverbraucherseitig Benzin unverhältnismäßig teurer würde, liege daran, dass einerseits Preissenkungen bei Rohöl nie in dem Ausmaße an Kunden weitergegeben würden wie Steigerungen und andererseits an den Steuern, Stichwort: Klimawandel. Auch Letzteren will Kreutzer kritischer hinterfragt wissen. „Diese Diskussion um das Klima ist meiner Meinung nach eine sehr toxische.“ Sie bremse den Autohandel, weil sie extrem verunsichert. Aber sie wirke sich auch auf den Möbelhandel negativ aus. Kreutzer: „Wenn Geld in Fassadendämmung, Ofenerneuerung oder Solarpanels investiert wird, bleibt für das Interieur wenig.“ Kreutzer geht jedoch noch weiter und stellt die Klimamaßnahmen allgemein in diesem Ausmaß in Frage: „Seien wir doch ehrlich: Selbst wenn wir hier in Europa ab sofort gar keine Emissionen mehr in die Luft blasen, werden wir das Klima nicht retten! Österreich erzeugt in Summe 0,2 % der Emissionen, die EU gerade einmal acht Prozent. Wenn die anderen 92 % weiterhin ungebremst Kohlekraftwerke usw. bauen, bringt das unserem Klima genau gar nichts und schadet nur unserer Wirtschaft und damit unserem Wohlstand.“ Nebeneffekt laut Kreutzer: Viele Menschen würden den Medien nicht mehr glauben, weil sie sich durch diese nicht mehr vertreten sehen. Und wie war das mit dem Holzpreis? Gerade beim Holzpreis waren die Preiserhöhungen im vergangenen Jahre dramatisch. Aber der BRANCHENRADAR-Analyst ortet hier eine Trendwende: „Wir sehen, dass die Preise schon wieder runtergehen“, zumal ja auch genug Holz vorhanden wäre. Warum es überhaupt dazu gekommen ist, erklärt MAG. ANDREAS KREUTZER „SEID DEM LUTZ RICHTIG DANKBAR!“ Einen gewohnt faktenbasierten und sehr kritischen Blick auf das aktuelle Branchengeschehen liefert wie immer zu Jahresbeginn BRACHENRADAR-GF Mag. Andreas Kreutzer. Im Gespräch mit wohninsider analysiert er, warum einige Rohstoffe plötzlich so teuer wurden, was es mit den medialen Blasen auf sich hat und warum der „Klimaschmäh“ der Branche ernsthaft schadet. Von Gerhard Habliczek und Lilly Unterrader „Unseren Prognosen zufolge dürfte sich der Markt heuer relativ stabil entwickeln. Die Inflation wird etwa bei 3 % liegen.“ Mag. Andreas Kreutzer Foto: Lilly Unterrader/wohninsider

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