August-September 2023

04. 2023 | August/September | wohninsider.at 75 WOHNEN Materialhersteller, Möbelhersteller und Möbelhandel müssen zusammenspielen und überspitzt formuliert 'Preise wie vor 20 Jahren' postulieren. Sodass den Konsument:innen klar ist, jetzt sollte man beim Thema Einrichten zugreifen.“ Dass das keine erfreuliche Nachricht sei, bei sinkender Nachfrage auch die Preise zu senken, ist Kreutzer klar, aber aus seiner Sicht sei das derzeit die einzige Möglichkeit. Unternehmen müssten zurück zu den Deckungsbeiträgen wie 2019, denn erst die allerorts gehandhabten Aufschlagskalkulationen der vergangenen Monate hätten die Preise so in die Höhe getrieben und die Inflation befeuert. Appell an Hersteller und Lieferanten Kreutzer appelliert daher an alle Beteiligten, zu einer maßvollen Preispolitik zurückzukehren, denn, findet er deutliche Worte: „... sonst kalkuliert man sich aus dem Markt raus. Es muss allen Branchenteilnehmern klar sein: Wir haben nicht zu wenig Möbel in den Haushalten. Zudem kehren die Menschen jetzt wieder zum Verhalten vor der Pandemie zurück: Der kurzfristige Konsum, Ausgehen, Reisen, Mode, ist jetzt wieder in.“ Keine Rede könne von der von einigen aufgrund der Pandemie ausgerufenen Cocooning-Phase sein. Kreutzer hat auch hier die passenden Zahlen parat: „Im vergangenen Jahr sind die Haushaltsausgaben um 22 Mrd. Euro gestiegen, 17 Mrd. davon wurden für Gastro, Urlaub, Freizeit ausgegeben. Im Handel wurden in Summe 4 Mrd. Euro mehr ausgegeben.“ In Anbetracht der Teuerung ist das real bereits ein Rückgang. Tendenz gleichbleibend. Kreutzer: „Ich gehe davon aus, dass der Handel auch heuer kaum real wachsen wird. Profitieren wird in erster Linie der Dienstleistungsbereich.“ Konkret haben im ersten Quartal des heurigen Jahres die Wirte um 33 %, die Reiseveranstalter um 70 % ggü. Vorjahr zugelegt. Im Handel gab es – trotz Teuerung – ein Plus um 7 %. „Das wird ein Gemetzel“ Kreutzer findet diesbezüglich sogar noch deutlichere Worte: „Der Möbelhandel hat es sehr schwer und es stehen ganz harte Zeiten bevor. Das wird ein Gemetzel.“ Man muss sich mit der Situation aktiv auseinandersetzen. Selbige erfordere es aus seiner Sicht, dass alle „zum Deckungsbeitrag pro Einheit zurückgehen, dann gingen sich auch die jetzt notwendigen Preisreduktionen aus.“ Zudem müsse man alles auch ganzheitlicher betrachten. Die gesamte Branche hat bekanntlich in den vergangenen Jahren profitiert von der Pandemie, jetzt wäre es an der Zeit, diese getätigten Gewinne wieder in Kunden zu investieren. Vieles ist möglich Einen wesentlichen Faktor für den weiteren Geschäftsverlauf am Einrichtungsmarkt sieht Kreutzer auch in der aktuellen kika/ Leiner-Situation. So würde freilich durch die Schließung der (vorerst) 23 Filialen Kapazität aus dem Markt genommen, davon profitieren dürfte jedoch in erster Linie die verbliebene Großfläche, allen voran Marktführer XXXLutz sowie Ikea. Ob es kika/Leiner auch in zwei Jahren noch geben werde, hänge indes vor allem von der künftigen Positionierung und der dahinterstehenden Standardisierbarkeit und Glaubhaftigkeit einer etwaig versprochenen Fachberatung ab. Die aufgelassenen kika/Leiner-Standorte hingegen könnten für die Marktteilnehmer interessant sein, denn Fläche sei gefragt. „Der Fachhandel hat das Problem, dass er bei Polstermöbeln, aber auch etwa Esstischen keine Rolle spielt. Dazu braucht man einfach Fläche und Ausstellung.“ Großflächige Fachhändler, wie es sie etwa in Deutschland nach wie vor zahlreich gibt, sind in Österreich Einzelfälle. Aber es kann durchaus funktionieren, wie die Konzepte Möbel Ludwig, Rutar oder Reginaplaza zeigten. Daher wäre es aus Sicht von Kreutzer „sehr spannend“, wenn sich „etwa in Oberösterreich ein paar Studios aus Linz und Wels zusammentun: Der eine ist auf Küche spezialisiert, der andere auf Schlafen, der Dritte auf Innenausstattung, und gemeinsam bilden sie auf ein paar Tausend Quadratmeter ein Möbelfachmarktzentrum.“ Denn, ist Kreutzer überzeugt, „Man muss kein Filialist sein, um in der Großfläche erfolgreich zu sein.“ Im Umkehrschluss rät er Küchenspezialisten, ihre Flächenproduktivität genau zu prüfen. „Ich verstehe nicht, warum viele Studios Essbereiche mit Esstischen und Stühlen in ihre Ausstellungen integrieren. Viel effizienter wäre es, auf der ohnehin meistens sehr reduzierten Fläche eine weitere Küche, oder aber alles, was mit Schrank zu tun hat, z.B. einen Wirtschaftsraum, zu zeigen.“ Und noch einen strategischen Punkt gibt der Analyst zu bedenken. „Wien ist ohnehin kein sehr gutes Pflaster für großzügige Küchenplanung, weil es hier einfach kaum große Einfamilienhäuser gibt. Anders ist die Situation im Burgenland, dort gibt es die größten Häuser österreichweit, aber es gibt verhältnismäßig wenige Einrichtungsfachgeschäfte ...“ www.branchenradarcom „Ich gehe davon aus, dass der Handel auch heuer kaum real wachsen wird. Profitieren wird in erster Linie der Dienstleistungsbereich.“ Mag. Andreas Kreutzer In seinem unlängst erschienenen Buch „Das Ende der Maurerkelle“ beschreibt Analyst und Autor Andreas Kreutzer die Wohnsituationen in Österreich. Eine gute (Entscheidungs-)Grundlage für alle, die mit Einrichtung zu tun haben. wohn insider buch tipp „Der kurzfristige Konsum, Ausgehen, Reisen, Mode, ist jetzt wieder in.“

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