Oktober-November 2023

112 wohninsider.at | Oktober/November | 05. 2023 MESSEN : EVENTS wohninsider: Wolfgang, du machst seit vielen Jahren Ladenbau und Shop- gestaltung, vom kreativen Konzept bis zur praktischen Umsetzung und das über alle Branchen hinweg. Gibt es Besonderheiten, die die Haushaltswaren- resp. Einrichtungsbranche hat? Wolfgang Gruschwitz: Diese Branche ist sehr praxisorientiert, aufs Ausprobieren ausgelegt. Man kann das ein bisschen mit DIY vergleichen, man muss handwerklich was zeigen. Wenn es nur um die Produkte an sich geht, dann funktioniert das mit starken Marken à la Gaggia, WMF oder Zwilling. Bei allem anderen muss ich die Emotion erst reinbringen, durch Hands on. Ich nenne hier als Beispiel sehr gern die Verkäufer auf Jahrmärkten, die einen einfachen Gurkenhobel oder einen Wischmop so richtig in Szene setzen und die Vorteile auf eine Art und Weise rüberbringen, dass es im Idealfall verzaubernd ist. – Kurz: Es geht darum, Magic reinzubringen. Wie kann diese spezielle Branche ihre Vorzüge heutzutage ideal transportieren? Worauf kommt es an? Und worin liegen die großen Unterschiede zu vielleicht anderen Branchen? Der Content muss stimmen. Wenn ich in der Welt bleibe, z.B. gedeckter Tisch, kann ich diesen mit Accessoires anreichern, mit emotionalen Produkten. – Aber ich kann auch genau das Gegenteil machen und z.B. aus Töpfen einen Roboter bauen oder aus Vasen eine Lampe, dann fällt das gänzlich aus dem Kontext heraus. Das ist nicht neu, ich muss eine Story erzählen. Das Produkt ist ja nur Mittel zum Zweck. Relevant ist das Ergebnis. Und: Bekomme ich soziale Anerkennung, wenn ich einen schönen gedeckten Tisch habe? Lob? Oder ist das Produkt genießbar, hat es ein besseres Bouquet durch diese besonderen Gläser? Alles, was den Nachgang erleichtert, die Funktionalität, wiederkehrende Prozesse wie Reinigung, etc. ist an sich schon ein tolles Argument. Du hast in einem Interview mal gesagt, man soll seine Kunden überraschen, besonders sein. Wir leben ja in einer Welt, in der es praktisch alles schon gibt, wie kann man da seine Kunden noch mit etwas Unerwartetem konfrontieren? Es geht darum, die Menschen aus ihrer Komfortzone, aus ihrem Brainscript zu locken. Das kann passieren durch Freude, Lachen – oder auch durch einen Schock, Leid. Es gibt Beispiele, wo Teller auf den Boden geschmissen werden, „randaliert“ oder „geschossen“ wird... Alles mit dem Ziel, das die Menschen aus dem Nebel des Alltags rauskommen, dass es einen Adrenalinstoß gibt. Mir fällt da auch das Konzept der Flashmobs ein, wo Leute plötzlich singen, einer einfach zum Klavier spielen anfängt oder Holz hackt. Wenn das Unerwartete eintritt, filmen die Leute, posten es auf Insta, du bist im Gespräch. Ich sage auch allen meinen Kunden, „Wenn du umbaust, lass die Leute auch sehen, dass du umbaust, wo es Krach gibt, da reiben sich die rsche.“ Dort, wo was passiert, hat man Aufmerksamkeit. Was muss aus deiner Sicht ein Fach- handelskonzept heute jedenfalls haben, um erfolgreich zu sein? Damit man gesehen wird, braucht man zumindest einen kleinen Internetauftritt. Dann „Jeder im Verkauf ist heute Consultant, Psychologe, empathischer Fürsorger. Der Beruf des Verkäufers ist unterbewertet, weil man muss auf den Punkt gut sein, sich motivieren können, willensstark, galant, höflich sein, Etikette haben … Der Beruf des Verkäufers ist eigentlich ein ganz komplexes Gebilde!“ Wolfgang Gruschwitz WOLFGANG GRUSCHWITZ More Magic Moments Wolfgang Gruschwitz liebt, kreiert und bewertet Shopkonzepte, Ladenbau und Design. Als Juror der global innovation awards sieht er zudem seit nunmehr 20 Jahren die herausragendsten Shopkonzepte weltweit. wohninsider sprach mit dem charismatischen Münchner über Roboter, Flashmobs und die Unterschätzung des Verkäuferberufs. Von Lilly Unterrader Shopgestaltung à la Gruschwitz: Ein Alain Ducasse-Shop in München ... Foto: Dirk Tacke

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