wohninsider_FebruarMärz 2018

wohninsider.at 67 WOHNDESIGNERS Gibt es einen kleinsten gemeinsamen Nenner bei all der Gestaltungs- vielfalt? Uns zeichnet aus, dass wir Funktionalität in die räumliche Substanz bringen. Wir können einen sehr kleinen Raum so gestalten, dass er wahnsinnig gut nutzbar ist. Wir analysieren Raumsituationen und ge- stalten Nutzungsmöglichkeiten, die zum Kunden passen, andererseits macht uns das spontane Agieren in diesen Nutzungskonzepten aus. Ge- staltungsbüro und Tischlerei greifen bei uns wirklich ineinander. Wie würdest du eure Designsprache beschreiben? Sie reicht vom großen Ganzen bis zum kleinen Detail. Wir überlegen die Raumnutzung genauso wie Detaillösungen. Unsere Grammatik ist zwar sehr technisch, unser Sprache hat aber einen besonderen ästhe- tischen Reiz. Es ist schwer, einzuordnen und zu beschreiben. Unsere Designsprache ist minimalistisch, dann aber auch wieder nicht. In sich sind unsere Produkte schon reduziert, gestalterisch aber sehr spannend. Am Anfang steht bei uns ein analytischer Grundriss und es werden Gedanken gesponnen. Die Ideen können dann schon verspielt, lustig, schräg sein, dann werden sie wieder abgespeckt, Unnötiges fällt weg und am Schluss bleibt die pure Idee, die umgesetzt wird. Und wo findet ihr eure Inspirationen? Meistens in der Funktionalität von Grundrissen. Es ist eine technische Aufgabe, das Körpergefühl, also wie man sich in dem Raum bewegt und lebt, gibt die Planung vor. Das klingt weniger kreativ, ist es aber nicht. Die Ideen selbst entstehen viel durch Spontanität und aus dem Arbeiten heraus. Ich glaube, dass unsere Entwürfe durch die räumliche Funktionalität und die Detaillösung in den Möbeln selbst leben, und diese entstehen einfach durch Machen und Ausprobieren. Wo seht ihr eure Zielgruppe? Derzeit ist es eher die „grüne Mittelschicht“. Ein bisschen die alternati- ve Szene, Menschen, die über den Tellerrand hinaus schauen und den- ken. Wir haben auch ältere Kunden, die meisten sind aber in unserem Alter. Das Wichtigste ist aber, dass sich die Kunden verstanden fühlen. Dahin investieren wir viel Zeit. Wir haben daher längere Vorlaufzeiten und eingeführt, für Planungen Geld zu verlangen, weil eben viel Zeit drinnen steckt. Von der Preisklasse her sind wir zwar nicht ganz unten angesiedelt, aber auch nicht ganz oben, sondern gutes Mittelfeld, aber der Mehrwert, den wir bieten, ist eben unsere Dienstleistung mit inten- siver Beratung. Wenn man beispielsweise eine Küche plant, geht es ja nicht nur darum, wie die Schubladen aufgehen, sondern wie gekocht wird, wer kocht, wo die individuellen Prioritäten liegen. Das sind un- endlich viele Fragen, die nicht alle direkt gestellt werden, sondern deren Antworten sich im Gespräch ergeben. Wie kommt ihr zu euren Kunden? Hauptsächlich über die Weiterempfehlung und über die Website, eini- ge entdecken uns einfach. Wir setzen uns eben schon sehr von anderen Tischlern ab. Es gibt wenige, vor allem in Wien, die dieses breite Port- folio anbieten. Unser Alleinstellungsmerkmal ist ja auch, dass wir nicht nur die Planung, sondern auch die Produktion hier vor Ort haben. Ein Blick in die Zukunft: Wo seht ihr euch in fünf oder zehn Jahren? Natürlich wünschen wir uns ein stabiles Auftragsfeld und arbeiten mit Erfolg daran. Ein Ziel ist es auch, dass „Handgedacht“ als Gestaltungs- büro und Tischlerei in Wien ein echter Begriff ist. In der Szene kom- men wir gut an, sind für unsere unkonventionellen Konzepte, dafür, dass wir anders denken und anderes handeln, bekannt. Ich möchte „Handgedacht“ aber nicht nur als Dienstleistungsbüro und Tischlerei verstanden wissen, sondern auch als Unternehmen, das ein Stück weit die Weichen für die Zukunft des Handwerks stellt. Inwiefern? Gibt es schon Ideen? Spannend fände ich eine Ausstellung, für die Handwerksbetriebe aus Wien ein vorgegebenes Möbel wie zum Beispiel eine Garderobe bei glei- chem Budget und gleichen Maßen gestalten, das dann produziert und mit allen anderen präsentiert wird. Dies könnte aufzeigen, wie Tisch- lereien heute produzieren und das Handwerk als Vielfalt präsentieren. Eine zweite Idee ist ein Projekt, das Tischlereiprodukte breiter zugäng- lich macht und zugleich auf die regionale Produktion durch Tischle- reien in der Nähe des Kundenwohnortes fokussiert, wobei selbst kleine Betriebe die Möbel mühelos fertigen können. Der Maschinenpark als kleinster gemeinsamer Nenner aller Betriebe ergibt dann die Design- sprache, die zugleich die gestalterische CI ist. Die Vermarktung und der Verkauf finden auf einem Onlineshop statt, mit einem Unterschied zu normalen Shops: Auf einer Map sucht man sich den produzierenden Tischler aus. Mit diesem Projekt könnte, wie auch mit der Ausstellung, das Handwerk in den Mittelpunkt gerückt und damit aufgeräumt wer- den, dass Handwerksprodukte nicht dem Design-Zeitgeist entsprechen oder teurer sind. Gestaltung kann gut sein, ohne teuer zu sein. www.handgedacht.wien Oben: Mit viel Kreativität und Können werden individuelle Möbel- und Interieur-Lösungen gestaltet und gefertigt. Rechts: Gekonnt werden Raumsituationen analysiert und den Kundenwünschen- und bedürfnissen entsprechende Nutzungsmöglichkeiten gestaltet.

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