August-September 2023

04. 2023 | August/September | wohninsider.at 39 NETZWERKE Wenn man sich in der Branche umhört, heißt es, kika/Leiner sei in zwei Jahren nicht mehr vorhanden ... Das sagen viele. Meine Erfahrung ist, das Wachsen geht meistens von alleine. Viel schwieriger ist es, ein großes Unternehmen kleiner zu machen. Die Strukturen neu zu denken und neu aufzustellen, insbesondere in der Verwaltung, wird ganz schwierig. Zudem verlieren sie, wenn die Masse weniger wird, auch Einkaufsvorteile, Exklusivität. Dadurch wiederum werden sie nicht mehr als so bedeutsam wahrgenommen. Im Diskontsegment wird das Vorhaben auch nicht funktionieren. Was möglicherweise ein Ziel sein könnte, ist, die Marke Leiner zu stärken. Das würde aber auch eine Menge Investition erfordern. Das wollte man ja immer mit Leiner … Aus der Geschichte heraus war Leiner immer die Marke, die deutlich über kika positioniert war. Keiner hat damals verstanden, als Herr Wieser 2015 die beiden Marken zusammengelegt hat. Damit wurde auch die Marke Leiner sehr stark abgewertet und es gab gegenüber dem Konsumenten keine Differenzierung mehr, was davor aus Sicht der Konsumenten durchaus gegeben war. Aber genau genommen hat man schon vor 15-20 Jahren damit begonnen, die Marke Leiner zu vernachlässigen. Herr Wieser hat das mit der Zusammenlegung nur weiter vorangetrieben. Kann der Fachhandel vom freiwerdenden Fachpersonal profitieren? Natürlich, es hat auch schon Initiativen von Filialleitern in diese Richtung gegeben. – Momentan, in einer Phase des Rückgangs, versucht man jedoch eher, bestehenden Leute zu halten. Aber es gab und gibt immer gute Leute in der Großfläche. Nochmal zur Insolvenz von kika/Leiner: Es gibt ja auch die Vorwürfe einer möglichen Insolvenzverschleppung. Was wurde da aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahren verabsäumt, bzw. wie lässt sich das Konzept Leiner/kika retten? 2016 wäre die Gruppe schon unter der Steinhoff Eigentümerschaft pleite gewesen, damals hat Rene Benko die Immobilie auf der Mariahilferstraße gekauft, damit die Gehälter bezahlt werden konnten …Wie es weitergeht? Solange es eine Patronatserklärung des Eigentümers gibt, kann ein Unternehmen lange am Laufen gehalten werden. Steuerlich könnte es jedoch problematisch werden, wenn man zu lange ein Minus macht – dann wird das als Liebhaberei eingestuft. Aus meiner Sicht wäre das operative Unternehmen für sich alleine betrachtet schon lange insolvent. Der Weg wurde schon in der Ära Koch eingeschlagen, denn das Management hat es versäumt, vor 25 Jahren zu erkennen, dass sich der Markt verändert. So hat das Unternehmen lange von der Substanz gelebt und viel zu wenig investiert. Wie schaut es aktuell im Fachhandel aus? XXXLutz-Marketingleiter Thomas Saliger meinte kürzlich, dass sie heuer mit Null aussteigen werden. Wenn er das schafft, kriegt er eine Flasche Sekt von mir (lacht). Im Ernst, vielleicht wird einiges durch die Schwäche von kika/Leiner abgefangen, aber in Summe ist der Markt sehr schwach. Schon das zweite Halbjahr 2022 war deutlich unter dem Vorjahr, ich rechne mit einem Minus von 10 % für das Gesamtjahr 2023. Nächstes Jahr wird es nochmals schwieriger, weil dann auch einige Bauvorhaben wegfallen. Ich denke, da werden es wieder -10 % aufs Jahr gesehen. Vielleicht ist aber auch eine gewisse Bereinigung nicht schlecht, wenn jene, die stets hart am Wind segeln, die Segel streichen müssen. Was ist Ihre Einschätzung, wie viele werden auf der Strecke bleiben? Möglicherweise müssen 3 % der Handelspartner im Einrichtungshandel zusperren. Wir haben 300 Handelspartner und in den vergangenen vier bis fünf Jahren glücklicherweise keinen verloren. Heuer könnte es schon zwei, eventuell drei treffen. Derzeit gibt es noch keine Anzeichen dafür. Bei anderen Geschäftsmodellen in der Branche, die sehr eng kalkuliert sind, wird es noch viel schwieriger. Was ist aus Ihrer Sicht angesagt? Ist jetzt eine gute Zeit zum Investieren? Wenn man Substanz hat, definitiv. Wenn man das Geschäft langfristig weiter betreiben will, ist es jetzt wichtig, vorwärts zu gehen. Ich höre von einigen Lieferanten, dass sie Unsicherheit spüren. Ich antworte darauf, dass jede Talfahrt einmal zu Ende geht. Daher ist jetzt die beste Zeit, um die Bergschuhe zu polieren, damit sie bereitstehen, wenn es wieder bergauf geht. Soll heißen: Ich prüfe das eigene Geschäft, die eigene Position, auch im Verhältnis zu anderen. Denn je stärker man gefestigt ist, desto weniger wird man verunsichert. Gerade jetzt ist es auch wichtig, einen guten Verband an der Seite zu haben, einen guten Gesprächspartner. Wir machen aktuell viele Strategie/Marketing-Gespräche, um zu thematisieren und aufzuzeigen, wie man aus den Startlöchern wieder optimal rauskommt. Jetzt ist auch die Zeit, um die Qualität insgesamt zu erhöhen, Lieferanten, „Gerade jetzt ist es wichtig, einen guten Verband an der Seite zu haben, einen guten Gesprächspartner. Wir machen aktuell viele Strategie/ Marketing-Gespräche, um zu thematisieren und aufzuzeigen, wie man aus den Startlöchern wieder optimal rauskommt.“ » „Möglicherweise müssen 3 % der Handelspartner im Einrichtungshandel zusperren.“

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