Previous Page  124 / 132 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 124 / 132 Next Page
Page Background

124

wohninsider.at

TRAINING : WISSEN

Was der Bundesgerichts-

hof im Urteil vom 12.10.16

zur Beweislastumkehr

ausführt

Bedeutet „europäische Beweis-

lastumkehr“ (EuGH-Urteil v.

04.06.15, C-497/13) tatsächlich

eine Umkehr der nationalen Um-

kehr der Beweislast (BGH-Urteil

v. 12.10.2016 VIII ZR 103/15)

oder ist die Beweislastumkehr

doch noch nach wie vor die Glei-

che?

Die aktuell geänderte Rechtspre-

chung des BGH zur Beweislas-

tumkehr bedeutet gerade nicht,

dass sich die Gesetzeslage selbst

geändert hat. Eine richtlinien-

konforme Auslegung führt im

Ergebnis letztendlich nur dazu,

dass zwischen akut und latent

kein Unterschied mehr gemacht

werden muss!

Seit Veröffentlichung der oben

genannten Entscheidung des

BGH ist aus anwaltlicher Sicht

ein deutlich gesteigertes Ge-

sprächsaufkommen mit besorg-

ten Möbelhändlern und Möbel-

herstellern zu verzeichnen.

Ausgangslage und Rechtspre-

chungstendenzen sind hierbei

länderübergreifend vergleichbar.

Fehlinterpretationen und be-

wusste Verzerrungen hinterlas-

sen aktuell den Eindruck, der

BGH habe seine Rechtsprechung

zum Verbrauchsgüterkauf hin-

sichtlich der Mängelhaftung in

den ersten sechs Monaten nach

Übergabe geändert.

Hat er das aber tatsächlich?

Oder versuchen Verbraucher-

verbände, Konsumentenschutz-

vereinigungen oder die Verbrau-

cher und Konsumenten zu ihren

Gunsten aufgrund einer bloßen

Auslegungsfrage aus einer Mü-

cke einen Elefanten zu machen?

Fraglich ist, ob der Handel in

den ersten sechs Monaten jetzt

noch „einfacher“ in die Haftung

zu nehmen ist, als das bislang

schon der Fall gewesen ist. Frag-

lich ist zudem, ob der Kunde in

den ersten sechs Monaten nach

Übergabe der Sache für eigene

Mangelverursachung nun wohl

gar nicht mehr in die Pflicht ge-

nommen werden kann? In die-

sem Fall würde die Gewährleis-

tung in den ersten sechs Monaten

nach Übergabe an sich eine un-

eingeschränkte „Haltbarkeitsga-

rantie“ darstellen!

Oder ist es doch ganz

anders als man denkt

oder uns glauben ma-

chen möchte?

Mit seinem aktuellen Urteil vom

12.10.2016 rückt der BGH von

seiner bisherigen Rechtspre-

chung zur Beweislastumkehr ab

und gibt diese zumindest teilwei-

se auf. Dies geschieht, insbeson-

dere deshalb, weil er es, um dem

europäischen Dogma zu entspre-

chen, im Rahmen europäischer

richtlinienkonformer Auslegung

schlicht einmal erledigen musste.

An der Haftung an sich hat sich

aber trotzdem nichts Grundle-

gendes verändert!

Zum Hintergrund:

Mit der Richtlinie 1999/44/EG

vom 25. Mai 1999 haben das

Europäische Parlament und der

Rat zu bestimmten Aspekten des

Verbrauchsgüterkaufs und der

Garantien für Verbrauchsgü-

ter (“Verbrauchsgüterkaufricht-

linie”) gemeinsame europäische

Rahmenbedingungen festgelegt,

um im kaufrechtlichen Bereich,

insbesondere zwischen Unter-

nehmern und Verbrauchern,

EU-weit einheitliche Regelungen

und damit einheitliche Abläufe,

einheitliche Haftungen und ein-

heitliche Ergebnisse zu gewähr-

leisten.

Die viel diskutierte Beweislast-

umkehr zugunsten des Konsu-

menten wurde dabei anhand

der vorgenannten EU-Richtlinie

(Art. 5 III) jeweils in nationales

Recht umgewandelt. Weder die

Richtlinie noch nationales Recht

wurden seitdem verändert.

siehe

Vergleichsgrafik rechts

.

Das heißt: Der Verbraucher muss

zwar darlegen und beweisen,

dass die von ihm gekaufte Sa-

che einen gewährleistungsrecht-

lich relevanten Mangel aufweist.

Kann er das und zeigt sich der

Mangel in den ersten sechs Mo-

naten nach Übergabe, muss er

nicht noch zusätzlich darlegen

und nachweisen, dass der Man-

gel bei Übergabe bereits vorhan-

den war, da dies dann vermutet

wird. Diese Vermutung impli-

ziert also die sogenannte Beweis-

lastumkehr.

Aber wenn sich nun weder der

Regelungsgehalt, noch die For-

mulierungen der EU-Richtlinie

bzw. des nationalen Gesetzes ge-

ändert haben, wieso sah sich der

BGH nach dem Urteil des EuGH

vom 04.06.15 („Faber-Urteil“)

nun gezwungen, „an seiner in

KATHARINA SELZ, RECHTSANWÄLTIN

Verschärfte Haftung des Handels?

Wer muss denn nun beweisen, dass die Ware mangelhaft übergeben wurde? Seit Veröffentlichung der

Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 12.10.16 (BGH - Urteil v. 12.10.2016 VIII ZR 103/15) ist

ein erhebliches Gesprächsaufkommen mit besorgten Möbelhändlern und Möbelherstellern zum Thema

Käuferrechte feststellbar.

Rechtsanwältin Katharina Selz

ist als Referentin der DGM Mö-

bel-Akademie, dem Seminar-

spezialisten in der Möbelbran-

che tätig.

Foto: privat