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TRAINING : WISSEN

WALTER KANDUT

DAS NEUE „SITZEN“ –

das neue Biedermeier!

AM POINT OF SALE

Walter Kandut

ist Absolvent der HTL Vil-

lach, war jeweils mehrere Jahre tatig in Kal-

kulation und Verkauf einer Großtischlerei,

Verkauf von exklusiven Wohnmobel und

Objekteinrichtungen im Innen- und Außen-

dienst, Einkaufsleiter im Studiobereich und

einem Einkaufsverband. Seit 2000 betreibt er

die „agentur fur wohnen und mehr“ in Wien

fur Studios und Handelsvertretungen.

Foto: Walter Kandut

D

ie Welt und auch

unsere Branche

ist einer ständi-

gen Veränderung

unterworfen, mit

einer Geschwindigkeit die viele

zunehmend überfordert. Die, die

hier nicht können, werden links

liegen gelassen. Das beste Beispiel

dafür ist die leidvolle Entwick-

lung unserer veränderten Einrich-

tungs-Szene. Ausgenommen da-

von sind Großflächenanbieter, die

haben andere Probleme auf die

ich hier nicht eingehen möchte.

Es ist eine subjektive Betrachtung,

eine Bestandsaufnahme, zugege-

bener Maßen eine individuelle

Betrachtung, bekannterweise füh-

ren „viele Wege nach Rom“.

Unsere Räume verändern

sich

Die Bereiche Küche-Speisen-

Wohnen verschmelzen immer

mehr zu einer Einheit. Neubau-

ten berücksichtigen diese erfreuli-

che Entwicklung mit einer beacht-

lichen Vielfalt, nur bestehende

Wohnbauten und ältere Häuser

fordern die beachtenswerte Kre-

ativität der erfahrenen Einrich-

tungsplaner. Intelligente Stau-

raum-Lösungen werden immer

wichtiger, vor allem bei älteren

kleineren Wohneinheiten.

Der klassische Wohnzimmer-

schrank ist aus dem modernen

Wohnen weitgehend verschwun-

den und nur noch im Massen-

bereich zu finden. Dafür werden

Raum-Lösungen kreiert, umfang-

reicher Stauraum ist in diesem

Bereich mehr oder weniger weg,

kreative und durchdachte Raum-

konzepte sind gefragt. Aufwendi-

ge Befestigungstechniken und edle

Materialien haben dazu geführt,

dass ein paar „Bretteln“ heute so

viel kosten wie früher ein gan-

zer „Schrank“. Ehrlicherweise

muss man aber auch sagen, dass

ein überdimensionaler Flachbild-

schirm inzwischen den größten

Platzbedarf in Anspruch nimmt.

Die nicht weniger dramatische

Veränderung finden wir im Ess-

bereich im Verhältnis zur klas-

sischen Sitzgarnitur. Von einer

Sitz-Garnitur, Wohn-Landschaft

oder Couch kann man aber pau-

schal nicht mehr sprechen – wie

gesagt im Exklusiven Bereich

(Massenware ausgenommen). Es

ist eine Reduktion auf einem sehr

persönlichen und auch intimen

Bereich – fernsehen oder ent-

spannen steht im Vordergrund

und „sitzen“ kann man auf die-

sen „Dingern“ auch nicht mehr,

oder besser gesagt nicht lange.

Beim längeren Sitzen muss der

im Verhältnis schwere Kopf mit

dem Skelett getragen werden, bei

einer zu großen Sitzneigung muss

dies die Muskulatur übernehmen

und die ist bekanntlich von der

körperlichen Kondition des „Sit-

zers“ abhängig. Gäste, Freunde

und Bekannte können schon viele

nach kurzer Zeit nicht mehr sit-

zen. Die einen wollen sich hinle-

gen, die anderen werden zu un-

ruhigen Geistern. Das Ziel eines

geselligen Zusammensitzens ist da

dann nicht mehr gegeben.

Der Esstisch ist der

zentrale Bereich

Deshalb bleibt man lieber am

großen Esstisch sitzen. Der Ess-

platz ist nun der zentrale Punkt

in einem Haus, einer Wohnung.

Der Akt Essen ist aber hier nur

mehr ein kleines Zeitfenster. Der

Name „Essplatz“ ist immer mehr

irreführend, besser wäre hier die

Bezeichnung „Sitzgarnitur“. Eine

verkehrte Welt, wer soll sich da

noch auskennen, zumal ein Stuhl

kein Sessel ist und ein Sessel kein

Stuhl sein kann …

Um dieser besonderen Anforde-

rung gerecht zu werden muss der

universelle Stuhl nicht nur einen

Blickfang darstellen, sondern vor

allem bequem und auf stunden-

langes Sitzen ausgelegt sein. Ein

Umstand dem vor allem deutsche

und skandinavische Hersteller

Rechnung tragen, und auch des-

halb immer mehr Marktanteile

in unseren Breitengraden gewin-

nen. Da fallen mir die Aussagen

von bekannten Haubenköchen

ein, die enormen Wert auf lang-

lebige Qualität und anhaltenden

Sitzkomfort legen – „mein Menü

dauert einige Stunden, wenn der

Gast danach noch bei einer Fla-

sche Wein sitzen bleibt, verdiene

ich erst (richtig)“. Ein bequemer

Stuhl unterstützt die umfassen-

de Zufriedenheit der Gäste. Fünf

bis sechs Stunden sitzen ist keine

Seltenheit, wenn da nicht alles

stimmt hat man nur den halben

Erfolg.

Dies gilt umso mehr für den

privaten Bereich, je länger der

Abend desto positiver bleibt er

in bleibender Erinnerung. Aber

auch desto öfter kommen die

Gäste – wenn das gewollt ist

(schmunzeln)? Sie sollten aller-

dings nicht den Fehler begehen

und nur mehr zu Hause essen

(zwecks der bequemen Stühle),

Sie sollten herausfinden, wer hat

noch „so behagliche“ Sitzgele-

genheiten.

Ein einladender Essplatz und

eine perfekte Küche verschmel-

zen zusehend zu einer organi-

schen Einheit, eine Herausfor-

derung auch an das begrenzte

Budget der Bauherr/innen. In

diesem Zusammenhang muss

ich für die einfallsreichen Mö-

belverkäufer/innen, die Einrich-

tungsplaner/innen eine Lanze

brechen. Manchmal ist es eine

Herkules-Aufgabe aus den un-

terschiedlichsten Vorgaben eine

adäquate Lösung zu finden. So-

zusagen die Problemlöser der

Nation, ohne Geselligkeit ist das

Leben halb so schön.

Einige Marken

verschwinden

Ich beobachte gerne den regi-

onalen Markt und stelle dabei

das bedauerliche Verschwinden

namhafter Marken und Herstel-

ler fest. Bei der Analyse der Pro-

bleme zeigt sich, dass bei vielen

neben strategischen Fehlern vor

allem auf den oben besprochenen

Wandel zu wenig geachtet wur-

de. Wer immer nur auf die Ver-

änderung reagiert, dem geht bald

die Luft aus um vorausschauend

zu agieren, also auf das persön-

liche Mitgestalten der ständigen

Erneuerung.

Als positives Beispiel aus Öster-

reich sei hier stellvertretend die

Firma Haas in Au an der Donau

»