wohninsider_Nachhaltigkeit 2022

Juni 2022 | Hier wi rd nachhal t ig gearbei tet | wohninsider.at 75 PRODUKT-SERVICE-SYSTEME eine Offenheit für die eingesetzten Technologien herrschen, um die Funktion für die Zielgruppe zu erfüllen. Häufig liegt der Entwicklung von Produkt-Service-Systemen jedoch ein Produkt als Startpunkt zugrunde. Hersteller von Produkten wie Einrichtungsgegenständen möchten sich differenzieren und mehr Dienstleistungen anbieten. Dies ist ein anderer Startpunkt als mit einem leeren Blatt eine Entwicklung anzugehen. In diesem Falle sollte das Produkt entlang seines Lebenszyklus betrachtet werden. Es sollte geschaut werden, wie die Funktionalität erhalten werden kann und welche Dienstleistungen helfen können, um diese zu sichern. Für die Funktionserfüllung sollte nicht nur der Kunde in den Entwicklungsprozess eingebunden werden, sondern auch alle anderen beteiligten Stakeholder, die einen Einfluss entlang des Lebenszyklus auf die Funktionalität leisten können. Die Funktion eines Stuhls – bequem zu sein – kann durch eine regelmäßige Auspolsterung durch einen Zulieferer erfolgen, der die Komponenten nicht länger verkauft, sondern seine Dienstleistung für den Endkunden anbietet. Die Monetarisierung basiert also nicht länger nur auf dem Verkauf, sondern kann beispielsweise auf der Nutzung beruhen, sprich ein monatlicher Beitrag oder pro Zeiteinheit die man auf dem Stuhl sitzt, da dies an die Abnutzung des Stuhls gekoppelt ist. Kandut: Was geschieht mit einem gemieteten Einrichtungsgegenstand nach Ende der Dienstleistung? Doliwa: Am Ende des Lebenszyklus eines Möbelstücks muss dieses nicht entsorgt werden. Es ist denkbar einzelne Bestandteile wiederzuverwenden, die weiterhin entsprechend wertig sind. Zielführenderweise wird dieser Aspekt schon von Anfang an beim Design berücksichtigt. Ein modular aufgebautes Möbelstück kann in mehreren Kaskaden wiederverwendet werden, wenn dies von Beginn an als Geschäftsmodell angestrebt und die Komponenten demensprechend geplant werden. Eine Kaskadennutzung ermöglicht Materialien lange und in gleichbleibender Qualität im Kreislauf zu halten (kein „Downcycling“). Ein Stuhlbein mit defektem Verbindungsstück kann beispielsweise nach jahrelanger Nutzung noch für eine nächste Kaskade eingesetzt werden, vielleicht adaptiert verarbeitet als Armlehne. Auch in der Möbelbranche ist die mangelnde Ressourcenverfügbarkeit aktuell ein großes Thema. Das Angebot einer Produktrücknahme als Dienstleistung bietet Zugriff auf die eingesetzten Materialen, die zurzeit schwierig zu beschaffen und teilweise mit langen Lieferzeiten verbunden sind. Spannend wird es, wenn man die Einrichtungsgegenstände als Materiallager für neue oder die gleichen Einrichtungsgegenstände versteht und eben so die Produkte designed, um möglichst nachhaltig mit den Ressourcen hauszuhalten. Potentiale von Produkt-ServiceSystemen Servicesysteme legen den Fokus auf die Erfüllung der gewünschten Funktion und können wirtschaftlichen Aufschwung durch die Erschließung neuer und stetiger Einnahmequellen ermöglichen. Das Dienstleistungskonzept kann bei Produktherstellern als Differenzierungsstrategie gegen eine zunehmende Sättigung im Markt und den damit einhergehenden unermüdlichen Preiskampf dienen. Zusätzliche Dienstleistungen bieten Differenzierungspotentiale gegenüber den Wettbewerber*innen und einen Mehrwert gegenüber Konkurrenzprodukten oder etwaigen Imitator*innen aus Niedriglohnländern. Produktionspreiskämpfe und Skaleneffekte fallen für Dienstleistungen nicht so stark ins Gewicht. Zudem ist durch die Serviceleistung eine wesentlich engere Bindung zur Zielgruppe und ein individuelleres Eingehen auf Bedürfnisse der Kund*innen erreichbar, meint Merle Marie Doliwa, M.Sc. Kontakt: Bündnis Product as a Service der Cradle to Cradle NGO https://ehrenamt.c2c.ngo/buendnis-paas/ Fotos diese Seite: Deemerwha studio/VGstockstudio/Shutterstock.com

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