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TRAINING : WISSEN

WALTER KANDUT

MESSE KÖLN

„Eine alte Dame kann

nichts erschüttern“!

AM POINT OF SALE

Walter Kandut

ist Absolvent der HTL Vil-

lach, war jeweils mehrere Jahre tatig in Kal-

kulation und Verkauf einer Großtischlerei,

Verkauf von exklusiven Wohnmobel und

Objekteinrichtungen im Innen- und Außen-

dienst, Einkaufsleiter im Studiobereich und

einem Einkaufsverband. Seit 2000 betreibt er

die „agentur fur wohnen und mehr“ in Wien

fur Studios und Handelsvertretungen.

Foto: Walter Kandut

E

ine Messe am Schei-

depunkt der Branche,

letztendlich auch der

Gesellschaft. Offizielle

Besucherrekorde täuschen nicht

über den Wandel, die auch eine

Leitmesse wie die imm cologne

zu bewältigen hat. Vorweg gesagt,

das macht sie durchaus bravourös.

Eine Messe die man unter den Be-

griffen, zurückhaltender Eleganz,

unaufdringliches Design oder ent-

schleunigt aber nicht verschlafen

zu- oder einordnen kann. Das ist

auch die eindrucksvolle Unter-

scheidung zu anderen Messen

und ein absoluter Pluspunkt. Rein

auf der Produktebene gibt es von

hochwertigster Qualität bis zu

buchstäblichem Retro für jeden et-

was – aber auch „Kitsch ist Kult“

ist nicht von der Hand zu weisen.

Machen wir den Trend

Diese Klassifizierung oder auch

die Definition eines Trends kann

nur persönlich gesehen werden,

kann auch keine Trendanaly-

se sein. Jeder einzelne sollte sich

selber davon überzeugen – nicht

von anderen (und deren persönli-

che Sicht) berichten lassen. Lau-

fen wir keinem Trend nach, ma-

chen wir den Trend, ist meine

Devise und insgeheim auch dieser

Messe. Dies sollte auch unser al-

ler Leitsatz sein. Eine Bewertung

der Ausstellungen möchte ich hier

nicht vornehmen, das machen

schon genügend andere. Versteck-

te Hintergründe zu beleuchten ist

mir an dieser Stelle viel wichtiger.

Aus meiner Sicht entspricht die

Messe der 80 / 20 Teilung - Mas-

se / Spezialisten – ist also für 20%

des Marktes ausgelegt und für

diesen Bereich „die Messe“ des

europäischen Raums. Zumindest

aus österreichischer Sicht, andere

Märkte haben diesen Weg noch

vor sich oder haben andere Rah-

menbedingungen. Es ist leider

nur ein Nachvollziehen der ge-

sellschaftlichen Entwicklung. Die

zwei Klassengesellschaft wird im-

mer mehr einzementiert mit „vor-

hersehbaren“ Konsequenzen für

die Gesellschaft, für den Handel

und letztendlich auch den leid-

tragenden Produzenten. Umkeh-

ren können wir diese Entwicklung

nicht mehr, schon zu weit fortge-

schritten ist dieser Prozess, wenn

überhaupt geht es nur mehr um

Schadensbegrenzung.

Man ist dabei oder weg

vom Fenster

Dieser Anteil am Kuchen ist hier

aber auch ein eindeutiger Vorteil

für die Spezialisten, man braucht

keine Angst mehr zu haben ob

man sich richtig positioniert hat,

entweder ist man ist dabei oder

weg vom Fenster. Ein Studio, ein

Spezialist, muss noch lange kein

Vollsortimenter sein, die Fläche

ist hier zweitrangig. Die Art der

Präsentation ist maßgeblich und

dafür ist die Messe Köln ein ide-

aler Ort um sich „Möbel“ für die

eigene Präsentation einzukaufen.

Eine eindeutige Spezialisierung

auf ein Thema oder eine Mar-

ke ist wesentlich wichtiger als auf

allen Kirchtagen zu tanzen. Das

konzentrierte und durchaus über-

schaubare Angebot einer Messe

ist hier sehr hilfreich. Eine dezen-

te Inszenierung, ohne unnötigen

Ballast erleichtert es jedem einzel-

nen, seine richtige Entscheidung

zu treffen.

Genau diese Entwicklung sieht

man auch bei den Küchenher-

stellern, nur zeitverzögert. Die

hochstilisierte Küchenmöbel Aus-

stellung bei dieser und vorange-

gangenen Messen blieb unter den

Erwartungen vieler Besucher. Die

Küchenproduzenten sind anschei-

nend noch in einer „Findungspha-

se“ wohin die Reise gehen soll.

Wichtige Hersteller fehlten oder

versuchen ihr Glück in Hausmes-

sen – vermutlich weil sie auch von

der Großfläche abhängig sind.

Der 20% Markt ist anscheinend

vielen (noch) zu wenig, aber auch

hier wird sich früher oder später

diese Teilung durchsetzen.

Je früher man die Tatsache akzep-

tiert und rechtzeitig die Entschei-

dung trifft zu welcher „Kategorie“

man gehört, desto besser ist es,

sonst übernimmt diese Entschei-

dung ein anderer.

Zu bemerken ist auch, dass im-

mer mehr Hersteller aus Fernost

und anderen Teilen der Welt di-

rekt in Europa Fuß fassen wollen.

Die haben aber genauso die ein-

deutigen Vorgaben und den logi-

schen Anspruch an eine ehrliche

Marke, wie jeder andere Markt-

teilnehmer auch. Vorausgesetzt

es geht nicht auf Kosten von

Mensch und Ressourcen. Beste

Qualität, individuelle Produkti-

on, beständige Nachhaltigkeit,

usw. sind die eindeutigen Anfor-

derungen wenn sie auf so einer

Messe und dem Markt hier er-

folgreich sein wollen.

Aus den Augen – aus

dem Sinn

Die Messe zeigt aber auch ein-

drucksvoll, dass man als glaub-

würdige Marke in Köln vertre-

ten sein muss, um nicht aus den

Augen zu verschwinden – aus den

Augen aus dem Sinn. Die hand-

werkliche Qualität steht im Vor-

dergrund, zum Beispiel, wenn ich

an den deutschen Stuhlerzeuger

KFF aus Lemgo denke, der Stüh-

le in einer außergewöhnlichen

Sitzqualität erzeugt, ist schon be-

achtlich und lässt sich Gott sei

Dank nicht so leicht kopieren.

Vielleicht die Optik, aber sehr

schwer der Sitzkomfort. Wenn

dann Händler Ware direkt auf

der Messe bestellen, ohne nach

dem Preis zu fragen, ist es ein

Zeichen für den richtigen Weg

des Herstellers. Für viele dieser

Hersteller ist es jedoch eine echte

Herausforderung, diesen enor-

men Auftragseingang ohne grö-

ßere Einschränkungen in die nor-

malen Produktionsbedingungen

zu integrieren.

Ein Paradoxon ist jedoch, dass

manche Messestände praktisch

leer waren, obwohl der Nachbar-

stand überfüllt war. Das bedeu-

tet, nur Möbel zu produzieren ist

heutzutage bei weitem zu wenig.

Qualität, nachhaltige Produkti-

onsprozesse und Langlebigkeit

müssen inszeniert werden, sonst

wird man nicht mehr wahrge-

nommen. Für die Aussteller wird

es wichtig sein von der Frequenz

so einer Messe auch zu profitie-

ren.

wk@agentur-kandut.at